Die aktuelle Entwicklung hat eine Überarbeitung und Erweiterung (Abschnitt "Die Rechtsprechung") dieses ursprünglich vom Oktober 2004, also vor dem In-Kraft-Treten des SGB II, stammenden Artikels notwendig gemacht.
Ein Bestandteil des Leistungssystems nach dem SGB II (Bezug von Arbeitslosengeld II/Sozialgeld) ist das Instrument der Eingliederungsvereinbarung. Diese Eingliederungsvereinbarung findet im SGB II an drei Stellen Erwähnung: in § 2 Abs. 1 SGB II als Bestandteil des „Forderns“, in § 15 SGB II hinsichtlich seiner inhaltlichen Bestimmung und in § 31 Abs. 1 Nr. 1a und 1b hinsichtlich Bestrafung bei Verweigerung oder Nichteinhaltung des Vertrages.
Kurz und bündig: Die Eingliederungsvereinbarung wird 1. von den Leistungsbeziehern gefordert, 2. bei Verweigerung des Vertragsabschlusses oder bei Nichteinhaltung der Vertragsbestimmungen erfolgt die Bestrafung durch Leistungskürzung und 3. die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbestimmungen unterliegt der Willkür des sogenannten Fallmanagers.
Die Forderung
„Der erwerbsfähige Hilfebedürftige muss aktiv an allen Maßnahmen zu seiner Eingliederung in Arbeit mitwirken, insbesondere eine Eingliederungsvereinbarung abschließen.“ [§ 2 Abs. 1 SGB II]
Es besteht also ein Zwang eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Dieser Zwang zum Vertragsabschluß geht sogar allen anderen Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit vor, logischerweise, weil ja gerade in der Eingliederungsvereinbarung die Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit konkret benannt werden sollen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 SGB II).
Dabei sollen zunächst die unter 25-Jährigen bedacht werden und diejenigen, die frisch aus dem Arbeitslosengeld I-Bezug kommen.
Durch die Einfügung des § 15a SGB II seit dem 1. August 2006 ist dies hinsichtlich Personen, die in den letzten zwei Jahren weder im Alg I- noch im Alg II-Bezug gestanden haben, zur Pflicht geworden.
Sinn und Zweck der Forderung nach einer Eingliederungsvereinbarung ist eindeutig die Schaffung eines Arbeitsdienstes nach workfare-Modell. Das heißt, nicht mehr die soziale Notlage ist Kriterium für die Leistungserbringung des Sozialstaates, sondern Sozialhilfe – wozu nach inhaltlicher Bestimmung auch das Arbeitslosengeld II zählt – gibt es nur noch gegen Arbeit. Damit wird der bisherige Sozialstaat (Art. 20 GG) aufgehoben zu Gunsten eines staatlich organisierten Arbeitsdienstes, vergleichbar dem Reichsarbeitsdienst der Nazi-Zeit. Gleichzeitig wird ein de facto-Niederiglohnsektor auf Sozialhilfeniveau etabliert, der dazu dient, das gesamtgesellschaftliche Lohnniveau zu Gunsten der Unternehmerprofite zu senken, von einigen wenigen weiterhin hochbezahlten Facharbeitsplätzen abgesehen.
Da dies nicht ohne Reibungsverluste insbesondere bei Menschen, die noch andere Zeiten in Erinnerung haben, möglich ist, ist die Konditionierung der heranwachsenden Generation logischerweise vorrangiges Ziel, weshalb sich der Staat am schärfsten auf die unter 25-Jährigen stürzt (siehe § 31 Abs. 5 SGB II: komplette Regelsatzstreichung schon bei der ersten Weigerung).
Der Vertrag
§ 15 Eingliederungsvereinbarung
(1) Die Agentur für Arbeit soll im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jedem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die für seine Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Die Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere bestimmen,
1. welche Leistungen der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält,
2. welche Bemühungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form er die Bemühungen nachzuweisen hat,
3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, der erwerbsfähige Hilfebedürftige zu beantragen hat.
Die Eingliederungsvereinbarung soll für sechs Monate geschlossen werden. Danach soll eine neue Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen werden. Bei jeder folgenden Eingliederungsvereinbarung sind die bisher gewonnenen Erfahrungen zu berücksichtigen. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen [Hervorhebung von mir; H.M.].
(2) In der Eingliederungsvereinbarung kann auch vereinbart werden, welche Leistungen die Personen erhalten, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Diese Personen sind hierbei zu beteiligen.
(3) Wird in der Eingliederungsvereinbarung eine Bildungsmaßnahme vereinbart, ist auch zu regeln, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen der erwerbsfähige Hilfebedürftige schadenersatzpflichtig ist, wenn er die Maßnahme aus einem von ihm zu vertretenden Grund nicht zu Ende führt.“
Kurz und bündig: Absatz 1 gibt den Rahmen für die inhaltliche Ausgestaltung der Eingliederungsvereinbarung an, deren Beschränkung auf jeweils 6 Monate Laufzeit, sowie die Möglichkeit, diese auch gegen den Willen des Hilfebedürftigen zu erlassen; Absatz 2 eröffnet die Möglichkeit, die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft hinsichtlich der Leistungen mit einzubeziehen; Absatz 3 enthält die Schadensersatzforderung bei Abbruch einer vorgeschriebenen Bildungsmaßnahme.
Wie das ganze SGB II, so ist auch der § 15 von einer starken Unbestimmtheit gekennzeichnet. Dies kann nur den Sinn haben, einerseits den sogenannten Fallmanagern bei den Arbeitsagenturen/kommunalen Trägern einen extrem weiten Spielraum zu ermöglichen, der auch pure Willkür gesetzlich zuläßt, was aber verfassungswidrig ist, und andererseits erstmal viele Jahre des Prozessierens vor den Sozialgerichten hervorrufen soll, bis die gesetzlichen Hüllen mit rechtsgültigen Inhalten gefüllt sind, in der Absicht, in der Zwischenzeit viele Zigmillionen Euro eingespart zu haben. Denn klagen werden üblicherweise nur wenige Einzelne, für die ein rückwirkender Leistungsanspruch gilt, wenn sie vor Gericht obsiegen.
Die eigentliche Eingliederungsvereinbarung ist in Absatz 1 geregelt.
Konkret ist hier wirklich fast nur die Bestimmung, daß eine Eingliederungsvereinbarung alle 6 Monate aufgestellt wird. Dies hängt einfach damit zusammen, daß der Alg II-Antrag als solcher alle halbe Jahr neu gestellt werden muß! [§ 41 Abs. 1 SGB II] Offensichtlich wird hier damit gerechnet, daß viele Betroffene diese ständige Antragstellerei nicht auf die Reihe kriegen und somit nicht nur Geld gespart wird, sondern auch die Arbeitslosenstatistik geschönt wird – und, es verkürzt die Regelungsdauer von Einstweiligen Anordnungen der Sozialgerichte.
Ebenfalls konkret geregelt ist der Erlaß der Eingliederungsvereinbarung als behördlicher Verwaltungsakt, wenn der oder die Hilfebedürftige sich weigern sollte, die Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben. Hintergrund ist die harsche Kritik auch aus Juristenkreisen an der Mafia-Methode, einem nach bürgerlichen Recht eigentlich freien Vertragspartner mit der Pistole auf der Brust die Unterschrift unter einen Knebelvertrag abzuzwingen, der nach bürgerlichem Recht dann sittenwidrig wäre. [Weiteres siehe unten unter dem Kapitel „Bestrafung“.]
Ansonsten eröffnet Absatz 1 die absolute Willkür für den „Fallmanager“. Ob der als Eingliederungsleistung spezielle Fachkurse einordnet oder einfach nur den Arbeitsdienst im Sinne des workfare-Modells (Leistung gegen Arbeit), ob er eine Bewerbung pro Woche, pro Tag oder pro Stunde für wichtig erachtet, alles das bleibt dem „Fallmanager“ überlassen. An dieser Stelle soll nicht weiter über konkrete Möglichkeiten des „Fallmanagers“ spekuliert werden. Schon im alten Sozialhilferecht (BSHG) hat es hinsichtlich der Konkretisierung der Arbeitswilligkeit/der Eigenbemühungen des (Haupt-)Hilfebedürftigen reichlich Gerichtsurteile gegeben, nur waren die als obergerichtliche Entscheidungen für alle Sozialhilfeträger des jeweiligen Bundeslandes oder als höchstrichterliche Entscheidung eben bundesweit gültig, trotz des Individualrechts bei der alten Sozialhilfe (BSHG). Mittlerweile ist so eine Eingliederungsvereinbarung von verschiedenen Sozialgerichten als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 53 Abs. 1 S. 2 SGB X bestimmt worden (s.u.).
Absatz 2 bezieht die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II mit ein. Dabei wurde der Satz „Diese Personen sind hierbei zu beteiligen.“ erst ein halbes Jahr nach dem eigentlichen SGB II durch das „Kommunale Optionsgesetz“ vom 30.7.2004 nachträglich eingeführt. Hintergrund dieser Änderung ist die harsche Kritik auch aus Juristenkreisen hinsichtlich der de facto-Entmündigung des Ehepartners/Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft, da der Hilfebedürftige hier nicht nur als Bevollmächtigter seiner nicht volljährigen Kinder, sondern auch als Bevollmächtigter seines Ehepartners/Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft aufzutreten hatte – das wäre ein klarer Rückfall in das 19. Jahrhundert gewesen, allerdings wegen krassen Verstoßes gegen Art. 1 GG (Menschenwürde) und Art. 2 GG (Selbstbestimmungsrecht) vor den Gerichten ohne Bestand geblieben. Denn die ursprüngliche Regelung überstieg sogar die Vertretungsregelung des § 38 SGB II, die beschränkt ist auf die stellvertretende Leistungsbeantragung für alle Familienmitglieder/Haushaltsmitglieder und die Überweisung der Leistung auf ein Konto, soweit dem nichts widerspricht, um Kosten und Arbeitsaufwand zu sparen. Hinzu kommt, daß die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die Empfänger des Sozialgeldes nach § 28 SGB II, nicht einmal wie im alten Sozialhilferecht (BSHG) einen unmittelbar eigenen Leistungsanspruch haben, sondern nur einen mittelbaren über den Leistungsanspruch des (Haupt-)Hilfebedürftigen.
Mittlerweile ist zumindest durch die Rechtsprechung einiger Sozialgerichte und des Bundessozialgerichtes (beispielhaft und ausführlich: BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 8/06 R) die individuelle Verfahrensbeteiligung der Mitbetroffenen geklärt.
Absatz 3 regelt den Schadensersatzanspruch der Arbeitsagentur/des kommunalen Trägers bei (schuldhaftem) Abbruch einer vereinbarten Bildungsmaßnahme hinsichtlich der Maßnahmekosten und unterscheidet sich als Schadensersatz eben als solches von der Bestrafung nach § 31 SGB II.
Die Bestrafung
„Das Arbeitslosengeld II wird unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn
1. der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert,
a) eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen,
b) in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen...“ [§ 31 Abs. 1 Nr. 1a,b SGB II].
„Bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach Absatz 1 wird das Arbeitslosengeld II um 100 vom Hundert gemindert.“
„Bei Minderung des Arbeitslosengeld II nach Satz 2 kann der Träger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Minderung auf 60 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistung begrenzen, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen.“ [§ 31 Abs. 3 SGB II]
„Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, wird das Arbeitslosengeld II unter den in den Absätzen 1 und 4 genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 [= Kosten für Unterkunft und Heizung; H.M.] beschränkt...“.
„Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Absatz 1 oder 4 wird das Arbeitslosengeld II um 100 vom Hundert gemindert.“
„Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II nach Satz 2 kann der Träger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls Leistungen für Unterkunft und Heizung erbringen, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen.“ [§ 31 Abs. 5 SGB II].
Obwohl bei Weigerung die Eingliederungsvereinbarung abzuschließen, die Eingliederungsvereinbarung einseitig seitens der Arbeitsagentur/der Optionskommune als Verwaltungsakt erlassen werden kann (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II), bestimmt also § 31 SGB II eine Bestrafung wegen Renitenz, wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt im nicht-physischen Sinne.
Dies ist ein klarer Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den die Verfassung gebietet, wonach das eingesetzte Zwangsmittel in einem angemessenen Verhältnis zum Verlangten zu stehen hat.
So stellte das Sozialgericht Berlin schon im Jahre 2005 fest, daß eine Sanktionierung nach § 31 SGB II, obwohl der Erlaß der Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt möglich ist, gegen das Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Grundgesetz verstößt und nur dann verfassungskonform wäre, wenn ohne den Abschluß einer solchen Eingliederungsvereinbarung das Ziel der Integration in den Arbeitsmarkt erheblich erschwert würde (SG Berlin, Beschluß vom 31. August 2005, Az.: S 37 AS 7807/05 ER; ebenso: SG Duisburg, Urteil vom 23. November 2006, Az.: S 7 AS 63/05).
Hintergrund des Problems ist, daß es während der Beratungszeit über den Gesetzentwurf harsche Kritik gegeben hat, die einen Verstoß gegen die grundgesetzlich geschützte Vertragsfreiheit sah, ja gar die Nichtigkeit eines solchen Pistole-auf-die-Brust-Vertrages gemäß § 138 Abs. 2 BGB wegen Sittenwidrigkeit u.a.m. [stellvertretend sei genannt: Richter am Bundesverwaltungsgericht Uwe Berlit, Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, in: info also, Nr. 5, 2003, S. 195 ff.]. Aufgrund dieser Kritik wurde der Entwurf geändert. Offensichtlich wollte man seitens der Bundesregierung dem Problem der Nichtigkeit durch Sittenwidrigkeit dadurch, daß ein Vertragspartner (Arbeitsagentur) den Inhalt allein festlegt und den anderen Vertragspartner (Hilfebedürftiger) durch die Pistole Leistungskürzung bei Nichtunterzeichnung zur Unterschrift zwingen kann, dadurch begegnen, daß der Erlaß als Verwaltungsakt den Arbeitslosen die Nichtunterzeichnung ermöglicht.
Dann allerdings macht die Trotzdem-Bestrafung keinen Sinn, weil sie wegen der Unverhältnismäßigkeit rechtswidrig ist. Es sei denn... .Es sei denn, die Bundesregierung spekuliert darauf, daß es für sie von Vorteil ist, wenn die Arbeitslosen erstmal vor die Sozialgerichte ziehen müssen, was bekanntlich nur Wenige tun.
Was auf jeden Fall bleibt, ist der Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel („Übermaßverbot“).
Die Rechtsprechung
Aber nicht nur die Weigerung, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen (§ 31 Abs. 1 Nr. 1a SGB II), sondern auch die Nichteinhaltung der Bestimmungen für den Fall, daß eine Eingliederungsvereinbarung zu Stande gekommen ist, gilt als Bestrafungstatbestand (§ 31 Abs. 1 Nr. 1b SGB II).
Eingliederungsmaßnahmen nach § 16 Abs. 3 SGB II, sog. MAE-Maßnahmen, gemeinhin fälschlich „Ein-Euro-Jobs“ genannt, können Bestandteil einer Eingliederungsvereinbarung sein, können aber auch als fordernder Verwaltungsakt (Zuweisungen im Gegensatz zu Vereinbarungen) erlassen werden, was hinsichtlich der Bestrafung (§ 31 SGB II) keinen Unterschied macht.
Insofern ist auch nicht zu unterscheiden zwischen den von den Sozialgerichten in Anlehnung an die von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur alten Sozialhilfe (§§ 19,25 BSHG) entwickelten Grundsätzen einer genauen Beschreibung der Tätigkeit nach Art, Zeitdauer, Ort und Umfang übernommenen Rechtsprechung einerseits und der Rechtsprechung der Sozialgerichte zu den Eingliederungsvereinbarungen im Besonderen andererseits.
Die Rechtsprechung zu den Eingliederungsvereinbarungen ist noch nicht umfangreich.
Bisher haben sich allerdings zwei Aspekte herauskristallisiert:
Eingliederungsvereinbarungen werden von den Sozialgerichten als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 53 Abs. 1 S. 2 SGB X angesehen (so: SG Hamburg, Beschluß vom 21. Februar 2007, Az.: S 53 AS 532/07 ER; SG Braunschweig, Beschluß vom 11. September 2006, Az.: S 21 AS 962/06 ER),
und,
wie schon erwähnt, haben die Sozialgerichte die verwaltungsgerichtlich entwickelten Grundsätze zum BSHG hinsichtlich des Bestimmtheitserfordernisses (§ 33 SGB X) übernommen als Voraussetzung für eine rechtmäßige Zuweisung oder vertragliche Vereinbarung (so bei Zuweisungen nach § 16 Abs. 3 SGB II: LSG Hamburg, Beschluß vom 11. Juli 2005, Az.: L 5 B 161/05 ER AS; SG Bayreuth, Beschluß vom 15. Juli 2005, Az.: S 4 AS 145/05 ER; SG Berlin, Beschluß vom 18. Juli 2005, Az.: S 37 AS 4801/05 ER).
Dieses Bestimmtheitserfordernis nach § 33 SGB X gilt auch für den Fall, daß eine Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt erlassen wird.
Sie gilt auch für den öffentlich-rechtlichen Vertrag in Form einer Eingliederungsvereinbarung, da die Eingliederungsvereinbarung ansonsten nicht dem Gebot einer individuell angepaßten Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit entspräche und damit zumindest teilweise rechtswidrig wäre, was wiederum zur Folge hätte, wenn wesentliche Elemente einer Eingliederungsvereinbarung betroffen sind, daß diese gänzlich aufzuheben wäre (so: SG Berlin, Urteil vom 12. Mai 2006, Az.: S 37 AS 11713/05). Ob sich allerdings die sozialgerichtliche Rechtsprechung auf Dauer der vorgenannten Berliner Entscheidung auch dahingehend anschließt, daß „Ein-Euro-Jobs“ nach § 16 Abs. 3 SGB II als ultima ratio für „aussichtlslose Fälle“ in einer Eingliederungsvereinbarung, die der Eingliederung in den „ersten Arbeitsmarkt“ dienen solle, nichts zu suchen hätten, mag angesichts der derzeitigen gesellschafts-politischen Entwicklung bezweifelt werden. [Zur Reaktion der Bundesregierung und des Gesetzgebers auf für die Betroffenen positive sozialgerichtliche Entscheidungen durch gegenteilige Gesetzesänderungen siehe hier.]
Zumindest aber sind Maßnahmen trotz bestehender Eingliederungsvereinbarung mit einer korrekten und zeitnahen Rechtsfolgenbelehrung zu versehen; ohne diese darf keine Sanktion nach § 31 SGB II erfolgen (Hessisches LSG, Beschluß vom 26. März 2007, Az.: L 9 AS 38/07 ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluß vom 1. September 2006, Az.: L 8 AS 315/06 ER).
Jenseits der Zuweisungen nach § 16 Abs. 3 SGB II („Ein-Euro-Jobs“) sind Sanktionen nach § 31 SGB II ohne Eingliederungsvereinbarung nicht zulässig, so das – eine bremische Besonderheit – Verwaltungsgericht Bremen (VG Bremen, Beschluß vom 15. November 2005, Az.: S 2 V 2149/05) hinsichtlich des Aspektes „Eigenbemühungen“.
Zumindest hinsichtlich der „Erreichbarkeit“ [mehr zum Thema hier] wurde durch die seit 1. August 2006 geltende Ergänzung in § 7 Abs. 4a SGB II klargestellt, daß die Erreichbarkeitsanordnung auch ohne Eingliederungsvereinbarung gilt.
Wer eine Eingliederungsvereinbarung abschließen möchte, sollte sich noch dies merken:
Das Aushandeln einer Eingliederungsvereinbarung stellt noch keine Verweigerung mit Sanktionsfolge dar (so: Hessisches LSG, Beschluß vom 5. September 2006, Az.: L 7 AS 107/06 ER), und, inhaltlich rechtswidrige Eingliederungsvereinbarungen sind unzumutbar und können deshalb ohne Sanktion (§ 31 SGB II) abgelehnt werden (so: SG Hamburg, Beschluß vom 27. Januar 2006, Az.: S 56 AS 10/06 ER). Und Rechtswidrigkeit kann zum Beispiel nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum Unterhaltsrecht (BVerfG, Beschluß vom 29. Dezember 2005, Az.: 1 BvR 2076/03) vorliegen, wenn das Abverlangen einer bundesweiten Arbeitssuche mit dem Umgangsrecht hinsichtlich der eigenen Kinder nicht vereinbar ist.
Zumindest durch die Qualifizierung der Eingliederungsvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag ist den Betroffenen die gerichtliche Überprüfung auch der Eingliederungsvereinbarung durch die für das SGB II zuständige Sozialgerichtsbarkeit eröffnet, und, eine Eingliederungsvereinbarung ist strenger an Recht und Gesetz auszulegen als es bei einem rein zivil-rechtlichen Vertrag der Fall wäre.
Quellen: BGBl. I, Nr. 66, 29.12.2003, S. 2954 ff. (SGB II vom 24.12.2003); BGBl. I, Nr. 41, 5.8.2004, S. 2014 ff. (SGB II-Änderungen im Rahmen des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004); BGBl. I, Nr. 36, 25.7.2006, S. 1706 ff. (SGB II-Änderungen durch das „Fortentwicklungsgesetz“ vom 20.7.2006)