Herbert Masslau

Wohngeldgesetz 2020 – Gesetz mit Fallen

(12. Dezember 2019)

 

 

Vorbemerkung

Grundlage bleibt weiterhin das Wohngeldgesetz (WoGG), welches am 1. Januar 2009 in Kraft trat [BGBl. I, 2008, Nr. 42, S. 1856 ff.; BTDrs. 16/8918] in der Fassung des WoGG, welches zum 1. Januar 2016 in Kraft trat [BTDrs. 18/4897 (neu)]. Die Änderungen im WoGG 2020 [BTDrs. 19/10816, BRatDrs. 235/19] beziehen sich also auf das WoGG 2009 und das WoGG 2016.

Die letzten Änderungen sind aus den Jahren 2001 – 2005 änderte nicht die Beträge, sondern paßte das WoGG „nur“ dem „Hartz IV“ an –, 2009, 2016 und jetzt 2020.

Wird der zeitliche Vorlauf der Datenermittlung hinzugenommen, so sind die Daten vom 31. Dezember 2006 [BRatDrs. 128/15, S. 34] für WoGG 2009 bzw. 31. Dezember 2012 [BTDrs. 18/4897(neu), S. 67] für WoGG 2016. Für das WoGG 2020 basieren die Daten erstmals auf zwei aufeinander folgenden Jahren, nämlich dem 31. Dezember 2016 und 31. Dezember 2017 [BTDrs. 19/10816, S. 66].

Das WoGG 2020 greift nun das anvisierte Ziel auf, analog den Mietspiegeln nach §§ 558c Abs. 3 und 558d Abs. 2 BGB das Wohngeldgesetz alle zwei Jahre anzupassen.

Schon zum WoGG 2016 wollte der Bundesrat (BRat) eine Anpassung des WoGG alle vier Jahre [BTDrs. 18/4897 (neu), S. 120 zu § 39 WoGG]. Dazu hieß es noch seinerzeit in der Gegenäußerung der Bundesregierung: „Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit für eine Regelung zur Überprüfung und gegebenenfalls Neufestsetzung der Höchstbeträge für Miete und Belastung, der Mietenstufen und der Höhe des Wohngeldes in der vom Bundesrat empfohlenen Form.“ [BTDrs. 18/4897 (neu), S. 123].

Gleichwohl wurde im Nachgang § 39 WoGG 2016 neu gefaßt [BTDrs. 18/5324, S. 2], der dann vorsah, daß alle zwei Jahre die Höchstberäge für Miete, die Mietenstufen und die Höhe des Wohngeldes zu überprüfen sind (§ 39 Abs. 1 WoGG 2016).

Schon hier wäre es möglich gewesen, das Wohngeld zu 2018 anzupassen, was allerdings offensichtlich politisch noch nicht gewollt war.

Offensichtlich hat „die normative Kraft des Faktischen“ der exorbitant vorallem in Großstädten steigenden Mietpreise der letzten Jahre die Bundesregierung und den Bundesgesetzgeber dazu veranlaßt, über die seinerzeit vom Bundesrat geforderte Anpassung gemäß der Neuerstellung qualifizierter Mietspiegel gemäß § 558d Abs. 2 BGB hinauszugehen und das WoGG nunmehr gemäß der einfachen Anpassungsregel der §§ 558c und 558d BGB alle zwei Jahre anzupassen.

Der neue § 43 WoGG 2020 regelt diese Anpassung im Einzelnen.

Die nächste Wohngeld-Anpassung erfolgt also zum 1. Januar 2022.

Die neuen §§ 42b und 44 WoGG 2020 behandeln Übergangsregelungen, und zwar einmal im Hinblick auf die jetzige Änderung des WoGG (§ 42b) und bezüglich zukünftiger Fortschreibungen (§ 44).

Ferner wird als weitere wesentliche Änderung eine neue Mietenstufe eingeführt, die Mietenstufe VII.

Schließlich ist positiv hervorzuheben die Erhöhung der in § 12 Abs. 1 WoGG nach Personenzahl und Mietenstufe festgelegten Höchstmiete. Beispielhaft sei hier für die Stadt Göttingen, Mietenstufe IV die Erhöhung für einen Zwei-Personen-Haushalt von 526 Euro (2016) auf 579 Euro (2020) und für einen Vier-Personen-Haushalt von 730 Euro (2016) auf 803 Euro (2020) genannt [BTDrs. 18/4897 (neu), S. 8/9; BTDrs. 19/10816, S. 11].

Allerdings muß auch erwähnt werden, daß eine nicht unerhebliche Zahl von Kommunen in der Mietenstufe herabgestuft wurden, was 18,1 % der Gemeinden über 10.000 Einwohner betrifft [BTDrs. 19/10816, S. 67].

An dieser Stelle soll auch noch erwähnt werden, daß die positiven Wirkungen des WoGG 2020 konterkariert werden durch das Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraumes für die ortsübliche Vergleichsmiete“  [BRatDrs. 468/19]. Dies betrifft unmittelbar und direkt zunächst die Leistungsempfängerinnen und -empfänger nach dem SGB II und SGB XII über die durch Mietspiegel oder KdU-Gutachten ermittelten sogenannten Angemessenheitsgrenzen, kann sich aber auch auf die Höhe der Wohngeld-Leistungen auswirken.

Schließlich sei noch erwähnt, daß es höhere und neue Freibeträge vom Einkommen gibt, allerdings auch einen zusätzlichen Datenabgleich mit der Sozialhilfe.

Sofern im Nachfolgenden den Paragraphen keine Gesetzesbezeichnung folgt, handelt es sich um Paragraphen des Wohngeldgesetzes.

 

Höhere und neue Freibeträge

Der Freibetrag vom Einkommen für eine Pflegeperson gemäß § 14 Abs. 2 WoGG wird von 4.800 Euro [BTDrs. 16/8918, S. 16] auf 6540 Euro [BTDrs. 19/10816, S. 7] erhöht und der Freibetrag gemäß § 17 WoGG für ein schwerbehindertes Haushaltsmitglied von 1.500 Euro [BTDrs. 16/8918, S. 19] auf 1.800 Euro [BTDrs. 19/10816, S. 7].

Weiter wird ein neuer Freibetrag eingeführt, nämlich 480 Euro pro Jahr bezogen auf regelmäßige Geldleistungen insbesondere von gemeinnützigen Organisationen [BTDrs. 19/10816, S. 69].

 

Weiterer Datenabgleich mit dem SGB XII

Der schon bisher hinsichtlich der „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ nach dem 4. Kapitel des SGB XII (Sozialhilfe) geltende Datenabgleich soll nun auch auf Leistungsbezieherinnen und -bezieher nach dem 3. Kapitel SGB XII („Hilfe zum Lebensunterhalt“) erweitert werden. Begründung:

„Der erweiterte Datenabgleich ist zur Aufdeckung rechtswidriger Inanspruchnahme von Wohngeld geboten.“

„Da es den Sozialhilfeträgern möglich ist, nicht nur wie bisher die Anfragedatensätze der Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII, sondern auch der Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII zu kennzeichnen, kann die Datenstelle in die Lage versetzt werden, nur diese Daten (und nicht die Daten zu allen SGB XII-Leistungen) herauszufiltern und bei zeitgleichem Leistungsbezug von Wohngeld diese an die Wohngeldbehörden weiterzuleiten.“ [BTDrs. 19/10816, S. 89]

 

Fortschreibung alle zwei Jahre

§ 43 WoGG 2020 regelt nun eindeutig die „Fortschreibung des Wohngeldes“, so daß hier nunmehr eine klare Muß-Regelung geschaffen wurde, die über die Möglichkeitsregelung des § 39 WoGG 2016 hinaus geht.

§ 43 Abs. 1 WoGG 2020 schreibt vor, daß nach der zum 1. Januar 2020 erfolgten Neufestlegung der Höchstbeträge für Miete/Belastung (§ 12 Abs. 1), der Mietenstufen (§ 12 Abs. 2) und der Höhe des Wohngeldes (§ 19) dann jeweils zum 1. Januar jeden zweiten Jahres die Berechnungsgrößen des Wohngeldes fortzuschreiben sind.

„Führen jedoch die weiteren Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt dazu, dass grundlegende Anpassungen des Wohngeldsystems erforderlich sind wie zum Beispiel eine Neufestsetzung der Mietenstufen in den Gemeinden und Kreisen aufgrund veränderter Mietenniveaus (§ 12 Absatz 2 WoGG, Anlage zu § 1 Absatz 3 WoGV), die Einführung weiterer Mietenstufen (§ 12 Absatz 5 WoGG) oder eine Neufestsetzung der Rechenschritte und Rundungen (Anlage 3-E), so sind zunächst das WoGG und die WoGV entsprechend zu ändern. Erst auf dieser neuen Grundlage kann die Fortschreibung des Wohngeldes fortgesetzt werden. Um den Automatismus der Fortschreibung auszusetzen, ist ein entsprechender Beschluss des Bundestages erforderlich.“ [BTDrs. 19/10816, S. 81]

Dies soll hinsichtlich der Höchstbeträge für Miete/Belastung bezogen auf die jeweilige Mietenstufe (beides § 12 Abs. 1) „durch den Teilindex für Nettokaltmiete und Wohnungsnebenkosten des Verbraucherpreisindex für Deutschland des Statistischen Bundesamtes“ erfolgen [BTDrs. 19/10816, S. 9].

Hinsichtlich der wesentlichen Berechnungselemente aus § 19 Abs. 1 WoGG – Zahlenwerte für „a“, „b“, „c“ in Abhängigkeit von der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder – wird hinsichtlich der Werte für „b“ genauso verfahren, hinsichtlich der Werte für „c“ wird auf die bundesweite Entwicklung der allgemeinen Verbraucherpreise zurückgegriffen.

Für „a“, „b“ wurden die Werte schon vom WoGG 2009 auf das WoGG 2016 stark reduziert [BTDrs. 16/8918, S. 43; BTDrs. 19/10816, S. 12], so daß die Berechnungsformel – 1,08 x (M – (a + b x M + c x Y) x Y) Euro – aufgrund des erhöhten Eingangswertes von 1,08 [BTDrs. 16/8918, S. 20] auf 1,15 [BTDrs. 18/4897 (neu), S. 11] und des erhöhten Wertes für „M“ (zu berücksichtigende Höchstmiete), von dem ein leicht kleinerer Wert aus den Summanden abgezogen wurde, die Steigerung des Wohngeldes bewirkte.

Zwar eröffnen trotz Berechnung durch das Bundesstatistikamt die Werte für „a“, „b“ und „c“ – und auch die Werte für „M“ – grundsätzlich Manipulationsmöglichkeiten, welche aber im Vergleich zur Festlegung der Werte für den Eingangsfaktor vernachlässigbar sind.

Beispiel: Bei einem Zwei-Personen-Haushalt der Mietenstufe IV und gleichbleibendem Einkommen würde es 2020 mit den Werten für „a“, „b“ und „c“ von 2016 ca. 13 Euro weniger Wohngeld geben. Werden aus 2020 und 2016 die günstigsten Werte für „a“, „b“ und „c“ genommen und gemischt, dann ergäbe sich 2020 ein nur um 4 Euro höheres Wohngeld.

Hier hat für 2020 die Beibehaltung des Eingangsfaktors von 1,15 einen größeren Einfluß auf die Höhe des Wohngeldes.

Ferner ergibt gerade für das WoGG 2020 und Folgende der Einfluß anderer Gesetze (s.u.) einen weiteren relevanten Manipulationsspielraum.

§ 43 Abs. 2 WoGG 2020 regelt, daß die bisherige Regelung in § 12 Abs. 4 Satz 1 WoGG 2016 entfällt. Diese Regelung besagte, daß das Mietenniveau „vom Statistischen Bundesamt bei einer Anpassung der Höchstbeträge nach Absatz 1 auf der Grundlage von zwei aufeinanderfolgenden Ergebnissen der jährlichen Wohngeldstatistik für Dezember (...) festgestellt“ wird. Dies beizubehalten hätte zwar nicht der Festlegung der Werte für „a“, „b“ und „c“ widersprochen, da schon diese zwischen der Mietpreisentwicklung und der allgemeinen Preisentwicklung differenzieren, allerdings wäre eine Beibehaltung dieser Regelung nicht vereinbar gewesen mit der Fortschreibung alle zwei Jahre. Merkwürdig ist nur, daß die Änderung nicht unter § 12 Abs. 4 WoGG 2020 und auch nicht im Begründungsteil A. [BTDrs. 19/10816, S. 66] wiedergegeben ist, sondern ausschließlich in § 43 Abs. 2 WoGG 2020 auftaucht sowie im Begründungsteil B. zu § 43 Abs. 2 [BTDrs. 19/10816, S. 85]. Es ist nicht auszuschließen, daß die juristischen Referenten beim Gesetzentwurf nicht auf die Querverbindungen geachtet haben.

§ 43 Abs. 3 WoGG 2020 bestimmt die Fortschreibung der Berechnungsgrößen „a“, „b“ und „c“ anhand der Werte des vorletzten Jahres vor der Fortschreibung im Verhältnis zu den Werten vier Jahre vor der Fortschreibung.

§ 43 Abs. 4 WoGG 2020 regelt die Fortschreibung der Werte für „M“ (Höchstbeträge für Miete) um den Prozentsatz, um welchen sich die vom Bundesstatistikamt festgestellten Teilindices (s.o.) verändert haben.

§ 43 Abs. 5 und Abs. 6 WoGG 2020 regeln für die Fortschreibungen ab 1. Januar 2022 die Neufestlegung der Werte für „b“ und „c“. Die Grundwerte bleiben gleich, werden aber alle zwei Jahre angepaßt mit einem Faktor aus 100 und anschließender Dividierung aus der Summe aus 100 plus dem vom Bundesstatistikamt festgestellten Wert des Teilindices (s.o.) für „b“ bzw. des Verbraucherpreisindices (s.o.) für „c“.

Diese Vorgehensweise gilt auch für die Fortschreibung zum 1. Januar 2022 (§ 43 Abs. 7 WoGG 2020).

 

Übergangsregelungen

Im neu eingefügten § 42b WoGG 2020 sind die Absätze 1, 5 und 6 von Bedeutung. Diese regeln im Wesentlichen die Wohngeldberechnung für Fälle, wo der Bewilligungszeitraum (bzw. die Wohngeldbewilligung) teilweise noch im Geltungsbereich des alten WoGG 2016 liegt und teilweise im Geltungsbereich des neuen WoGG 2020.

Hiernach ist entsprechend zu verfahren, d.h. gemäß § 42b Abs. 1 WoGG 2020 ist bereits bewilligtes Wohngeld von Amts wegen neu zu bescheiden.

Gemäß § 42b Abs. 5 und Abs. 6 WoGG 2020 ist für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Änderungen zum 1. Januar 2020 nach dem alten WoGG 2016 und ab dem 1. Januar 2020 bis zum Ende des Bewilligungszeitraumes nach dem neuen WoGG 2020 zu entscheiden.

§ 44 WoGG 2020 regelt das Gleiche für die Fortschreibung in den Absätzen 1 und 5.

 

Neue Mietenstufe VII

Es wurden schon immer Gemeinden und Landkreise mit Gemeinden unterhalb zehntausend Einwohner hinsichtlich der Mietenstufen herauf- oder herabgestuft.

Die einzelnen Mietenstufen stellten bzw. stellen das Mietenniveau der Gemeinden bzw. der Landkreise mit Gemeinden unter zehntausend Einwohner dar. Die Mietenstufen I und II haben dabei ein Mietenniveau unterhalb des Durchschnitts, die Mietenstufe III um den Durchschnitt und die Mietenstufen IV bis VI oberhalb des Durchschnitts.

Die Mietenstufe VII wurde aufgrund der aktuellen Entwicklung eingeführt und liegt 35 Prozent und mehr oberhalb des Durchschnitts. Die Mienstufe VII soll dabei Haushalte in Gemeinden „mit besonders hohen Mietenniveaus gezielter bei den Wohnkosten ... entlasten“ [BTDrs. 19/10816, S. 65].

So gilt die Mietenstufe VII z.B. in Baden-Württemberg für die Stadt Tübingen, in Bayern für die Landeshauptstadt München und andere zum Münchener Speckgürtel zählende Gemeinden, in Bayern insgesamt 34 Gemeinden. Dazu kommen noch in Schleswig-Holstein 3 Gemeinden, in Hessen 1 Gemeinde. Es könnte auch – ob berechtigt oder nicht – gesagt werden, die Einführung der Mietenstufe VII ist ein bayerischer Sonderweg.

 

Konterkarierung durch Gesetz zur „ortsüblichen Vergleichsmiete“

„Darüber hinaus sind Entlastungen der öffentlichen Haushalte zu erwarten, soweit sie Leistungen für Wohngeld sowie Leistungen für Unterkunft nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erbringen.“ [BRatDrs. 468/19, S. 2]

In der Stellungnahme des Nationalen Normenkontrollrates ist von einer 3-prozentigen Senkungsrate die Rede:

„Die Simulationen zeigen, dass bereits die Verlängerung des Betrachtungszeitraums von derzeit vier auf sechs Jahre die ortsüblichen Vergleichsmieten unmittelbar um ca. 3 Prozent absinken lassen und in der Folge den jährlichen Anstieg von 4,8 Prozent auf 4,4 Prozent reduzieren würde.“ [BRatDrs. 468/19, S. 3 <S. 33>]

Ob dem dann tatsächlich so ist, oder die Vermieter z.B. auf befristete Mietverträge ausweichen, um die Miete früher und öfter erhöhen zu können, wird die Zukunft zeigen.

„Der Mietwohnungsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. In den Ballungszentren führte die anhaltend hohe Nachfrage nach Mietwohnungen zu einem extrem hohen Anstieg der Angebotsmieten. Dieser lag deutlich über dem Anstieg der Bestandsmieten. Wegen der Beschränkung des Betrachtungszeitraums auf vier Jahre bilden relativ betrachtet sehr viele jüngere Neuvertragsmieten die Grundlage für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Dies hat zu erheblichen Steigerungen derselben in den Ballungszentren geführt, die deutlich über der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes lagen.“ [BRatDrs. 468/19, S. 1]

Soweit das Wesentliche aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 558 Abs. 2 BGB selbst.

Auch wenn die Bundesregierung in ihrer Begründung zu den Folgen dieser Gesetzesänderung einerseits davon ausgeht, daß sich die „Mieteinnahmen und die Mietausgaben im Durchschnitt verringern“ [BRatDrs. 468/19, S. 3 <S. 3>], so geht sie andererseits bei einer Vergleichsberechnung vom Steigen der Angebotsmieten wie 2017 und 2018 aus [a.a.O.], ja sogar von einem Anstieg um 4 Prozent statt 5 Prozent pro Jahr [BRatDrs. 468/19, S. 22 <28>].

Seitenweise werden Schätzungen und Parameter für die Schätzungen dargestellt, was aber wertlos ist, weil letztlich alles von der zukünftigen Mietpreisentwicklung abhängt. Hier kann also viel schöngerechnet werden.

Was nicht „schöngerechnet“ wird, ist der Einfluß auf die Berechnung angemessener Unterkunftskosten für „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger sowie Leistungsbeziehende nach dem SGB XII.

Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) es in seiner Rechtsprechung zugelassen hat, daß „Neuvertragsmieten“, also die Mieten der letzten vier – jetzt letzten sechs Jahre –, Grundlage für die Berechnung der Angemessenheitsgrenze der Unterkunftskosten (KdU) zulässig sind [BSG, Urteil vom 18. November 2014, Az.: B 4 AS 9/14 R, Rdnr. 23 <sog. Dresden-Entscheidung>], ergibt sich zumindest in den nächsten zwei Jahren eine Verringerung des Anstiegs der angemessenen KdU 2022 im Vergleich zu 2020.

Diese Folgen für Leistungsbeziehende der Rechtssysteme SGB II und SGB XII gelten auch für Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld. Denn die Berechnungsgröße „M“ in der Wohngeldformel (s.o.) wird durch das Bundesstatistikamt durch die Teilindices für die Bruttokaltmieten, also die Nettokaltmieten plus der sogenannten kalten Nebenkosten berechnet (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 WoGG 2020) und hängt damit vom Berechnungszeitraum ab.

Gemäß § 43 Abs. 3 WoGG 2020 ist maßgeblich für die Fortschreibung der Berechnungsgrößen „die prozentuale Veränderung der Jahresdurchschnittswerte der in Absatz 1 genannten Indizes des zweiten Jahres vor Inkrafttreten der Fortschreibung des Wohngeldes gegenüber den jeweiligen Jahresdurchschnittswerten des vierten Jahres vor Inkrafttreten der Fortschreibung.“ [BTDrs. 19/10816, S. 9]

Inwieweit derzeit eine Anpassung von § 43 Abs. 3 WoGG 2020 unterblieben ist, weil dies zum 1. Januar 2022 zu einer kleinen Absenkung der Wohngeldleistung geführt hätte, bleibt Spekulation.

Sollte jedoch die Verlängerung des Berechnungszeitraumes bei der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ in den nächsten Jahren tatsächlich zu einem geringeren Anstieg führen, dann hätte dies auch eine preisdämpfende Wirkung auf das Wohngeld. Das Gegenteil wäre allerdings schon dann der Fall, wenn die Vermieter zukünftig immer am oberen Grenzwert der Spanne für die „ortsübliche Vergleichsmiete“ die Mieterhöhung ansiedeln würden, was zulässig ist [BGH, Urteil vom 3. Juli 2013, Az.: VIII ZR 354/12, Rdnr. 25; so schon: BGH, Urteil vom 6. Juli 2005, Az.: VIII ZR 322/04]. Das gilt erst recht für „Angebotsmieten“, welche dieser Beschränkung nicht unterliegen und durch die Verknappung am Wohnungsmarkt bestimmt werden und dann im Laufe der Zeit zu „Neuvertragsmieten“ werden.

 

Fazit:

In Zukunft wird es auch beim Wohngeld nicht mehr offen in einzelnen Paragraphen ersichtliche Verschlechterungen geben, sondern diese werden versteckt werden hinter statistischen Berechnungsmethoden. Hierzu wird es eine Aufsplittung auf verschiedene Gesetze geben, welche aber in Wirklichkeit in Wechselbeziehung stehen.

Folge der Erhöhung des Betrachtungszeitraumes bei der „örtlichen Vergleichsmiete“ von vier auf sechs Jahre rückwärts ist, daß der weitere hohe, spekulative Mietpreisanstieg nicht verhindert wird, jedoch aber werden die Wohngeldleistungen in Zukunft geringer steigen.

Damit konterkariert das Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraumes für die ortsübliche Vergleichsmiete die ansonsten positive Entwicklung des Wohngeldgesetzes 2020 hinsichtlich der ersten Fortschreibung zum 1. Januar 2022.

Angesichts der Wohnungsknappheit in den Großstädten, zu welcher die Bundesregierung und die Landesregierungen durch nachlässige Schaffung von Sozialem Wohnungsbau selbst beitragen, werden die exorbitant steigenden Mietpreise weiterhin begünstigt.

Durch die Verlängerung des Betrachtungszeitraumes werden „nur“ diejenigen benachteiligt, die auf Mietzuschüsse angewiesen sind, sei es via Wohngeld, sei es via KdU im SGB II und SGB XII.

 

 

 

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