Herbert Masslau

Arbeitslosengeld II und Sachbezugsverordnung [*]

(18. März 2007)

 

 

Aktualisierung: Um ihren Leistungskürzungsabsichten Geltung zu verschaffen, hatte die Bundesregierung die Alg II-Verordnung zum 1. Januar 2008 so geändert, daß zumindest ab dann eine Anrechnung von z.B. Krankenhausverpflegung als Einkommen möglich sein sollte (§ 4 i.V.m. § 2 Abs. 5 Alg II-V).

Da das BSG analog seiner ständigen Rechtsprechung in puncto Pauschalleistung Alg II wohl die entsprechende Verordnungsänderung als systemimmanenten Widerspruch, den es anhand der gesetzlichen Vorgabe Pauschalleistung zu lösen gälte, kippen würde und weiterhin die Essensverpflegung nicht als Einkommen akzeptieren würde, hat sich wohl der Gesetzgeber entschlossen, diesen systemimmanenten Widerspruch selber zu korrigieren mit der Alg II-Verordnung 2009 (BGBl. I, Nr. 62, vom 23. Dezember 2008, S. 2780/2781).

In § 1 Abs. 1 Alg II-V, der die nicht als Einkommen zu berücksichtigenden Einnahmen regelt, wird eine neue Nummer 11 angefügt, wonach Verpflegung nur noch im Arbeitgeberrahmen als Lohnersatz gewährt angerechnet wird, da sich auch die Sachbezugsverordnung nur hierauf bezieht. Diese (alte) Neuregelung tritt am 1. Januar 2009 in Kraft.

Da die rechtlich absurde, lediglich um Kosten zu sparen geschaffene Regelung der Anrechnung von Verpflegung z.B. bei Krankenhausaufenthalten nur in 2008 galt und dieser Regelung die Rechtsprechung des BSG entgegensteht, sollten alle Betroffenen für etwaige diesbezügliche Einkommensanrechnungen bezogen auf 2008 einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X stellen, sofern die entsprechenden Bescheide rechtskräftig geworden sind, um die rechtswidrige Einkommensanrechnung einer Essensverpflegung rückgängig machen zu lassen. (Herbert Masslau, 28. Dezember 2008)

 

Aktualisierung: Zur Frage der Anwendbarkeit der Sachbezugsverordnung bzw. zur Berücksichtigung von Krankenhausverpflegung als Einkommen hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 18. Juni 2008 (Az.: B 14 AS 22/07 R) grundsätzlich entschieden, daß dies auf Grund des Fehlens einer gesetzlichen Regelung, die § 13 SGB II für die Alg II-Verordnung erzwingen würde, für die Zeit vor dem 1. Januar 2008 nicht möglich sei. Des Weiteren gelte für die Sachbezugsverordnung, daß diese sich grundsätzlich auf Erwerbseinkommen beziehe und deren Ziel es sei Lohnbestandteile der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen. Aber selbst wenn von einer Berücksichtigung der Krankenhausverpflegung als Einkommen ausgegangen werden würde, so wären hiervon die Versicherungspauschale von 30 Euro (Rdnr. 20), so wie die mit dem Erwerb des Einkommens verbundenen Ausgaben, hier: die täglichen Zuzahlungen von 10 Euro, von der Verpflegungsleistung abzuziehen (Rdnr. 21).

In einem obiter dictumsetzt sich das BSG dann auch noch mit der seit 1. Januar 2008 geltenden Gesetzesänderung auseinander, wonach durch Änderung der Alg II-Verordnung 35 Prozent der Regelleistung (=Essensanteil) als Einkommen bei einer Vollverpflegung zu berücksichtigen seien. Das BSG bezweifelt in diesem Zusammenhang, daß der Gesetzgeber berechtigt war, eine solche individuelle Bedarfsregelung entgegen des Pauschalierungsgrundsatzes des SGB II einzuführen und weist diesbezüglich ausdrücklich auf den Unterschied von SGB II und SGB XII hin, wie auch auf die nachträglich eingeführten §§ 3 Abs. 3 Satz 2 und 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II, mit denen der Gesetzgeber noch einmal eine abweichende Festlegung der Bedarfe für das SGB II ausgeschlossen hat. Die Regelleistung sei eine Pauschale, die sowohl im Falle einer Bedarfsüberdeckung wie im Falle einer Bedarfsunterdeckung unabänderlich sei (Rdnrn. 22-25).

Damit ist der vorliegende Artikel obsolet geworden. (Herbert Masslau, 1. September 2008)

  

Vorbemerkung

Gegenstand dieses Artikels ist die Frage der Anwendbarkeit der Sachbezugsverordnung auf die Leistungen nach dem SGB II. In letzter Zeit kommt es augenscheinlich zu immer mehr Sozialgerichtsentscheidungen diesbezüglich.

Dabei soll es hier nicht um die Fälle des § 2 Alg II-Verordnung gehen, mithin nicht um sogenannte Aufstocker, die ganz oder teilweise in Sachbezügen entlohnt werden, also dem originären Anwendungsbereich der Sachbezugsverordnung, sondern hier soll es um jene Konstellationen gehen, die die Anwendung der Sachbezugsverordnung scheinbar rechtfertigen: stationärer Krankenhausaufenthalt, Reha-Maßnahme, „Mutter-Kind-Kur“ etc.

Seit einiger Zeit liegen verschiedene Gerichtsentscheidungen zu diesem Thema vor.

Die Bandbreite der Entscheidungen reicht von keine Kürzung der Regelleistung bis Kürzung in Höhe der Werte der Sachbezugsverordnung, mindestens aber in Höhe des Verpflegungsanteils der Regelleistung.

Dabei lassen sich die Gerichtsentscheidungen im Wesentlichen wie folgt kategorisieren:

– keine Kürzung der Regelleistung trotz Verpflegung, keine Berücksichtigung der Sachbezugsverordnung (beispielhaft: SG Schleswig, SG Mannheim)

– Kürzung der Regelleistung um den Anteil für Nahrung und Getränke (35 %), aber keine Berücksichtigung der Sachbezugsverordnung (beispielhaft: LSG Niedersachsen-Bremen)

– Kürzung der Regelleistung um mindestens den Anteil für Nahrung und Getränke (35 % = 120,75 Euro) aufgrund der Sachbezugsverordnung, aber auch darüber hinaus bis zum Wert der Sachbezugsverordnung (beispielhaft: SG Karlsruhe, SG Koblenz)

Wie schon aus dieser kurzen Kategorisierung ersichtlich, reicht das Problem von Überalles bis Nichts. Mal wieder ein klassisches Beispiel dafür, daß nicht nur erst eine höchstrichterliche Entscheidung des Bundessozialgerichtes hier Klarheit schaffen wird, sondern auch dafür, daß je nach Ausprägung einzelner Richter und Gerichte ein Teil von „Hartz IV“-Empfängerinnen und -Empfänger gut, ein anderer Teil über Jahre bis zur entgültigen Entscheidung schlecht wegkommen.

Und, es ist auch wieder ein Beispiel dafür, daß die ungenauen gesetzlichen Regelungen des SGB II (gegenüber dem BSHG) dazu dienen, dem Staat bis zu einer für die Betroffenen günstigen höchstrichterlichen Entscheidung Zigmillionen Euro einzubringen (zu sparen), denn – und das war wohl von den Machern von „Hartz IV“ vorauskalkuliert – klagen tun lediglich etwa zwei Prozent der „Hartz IV“-Empfängerinnen und -Empfänger, die dann bei Obsiegen vor Gericht ihr Geld wiederbekommen, der große Rest wird in Afghanistan oder sonstwo verpulvert.

 

Exkurs: die Sachbezugsverordnung

Die Sachbezugsverordnung dient im Grunde zur Berechnung und Berücksichtigung von Leistungen, die nicht in Geld erbracht werden, sondern in Naturalien, in sogenannten geldwerten Leistungen, also zum Beispiel bei Hotelangestellten, die während ihres Schichtdienstes vom Arbeitgeber verköstigt werden oder Auszubildende, die vom ausbildenden Betrieb während der Ausbildungszeit in einem eigenen Wohn- und Schlafbereich untergebracht sind.

Dabei sind dann in dieser Sachbezugsverordnung bestimmte Geldwerte für zum Beispiel freies Wohnen oder freie Kost berücksichtigt. Auch für weitergehende Natural-/Sachleistungen, wenn etwa der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer auch für dessen Familienmitglieder Wohnen und Essen gewährt und damit gleichsam auf eine Geldentlohnung verzichtet, was sich dann allerdings kaum noch von der Gutsherrenart früherer Jahrhunderte unterscheidet.

Sinn und Zweck der Sachbezugsverordnung soll also sein, Natural-/Sachleistungen in Geldwerte umzurechnen, um zum Beispiel den Beitrag für die Krankenversicherung ermitteln zu können. Denn andernfalls würde das verminderte Einkommen des einen Arbeitnehmers, der eine Werkswohnung gestellt bekommt, zu einem geringeren Beitrag an die Krankenkasse führen als bei einem anderen Arbeitnehmer, der einen höheren Lohn erhält, von dem er aber, nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge, die Miete für eine Mietwohnung bezahlen muß. Hier werden also Geldwerte, die in Naturalien geleistet werden, wieder in Geldwerte umgerechnet.

Seit dem 1. Januar 2007 heißt die Sachbezugsverordnung nicht mehr so, sondern gemäß der „Verordnung zur Neuordnung der Regelungen über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitsgebers als Arbeitsentgelt“ vom 21. Dezember 2006 [BGBl. I, 2006, Nr. 65, S. 3385 ff.] jetzt Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV).

 

Gerichtsentscheidungen zwischen Null und Übervoll

Die hier berücksichtigten Gerichtsentscheidungen fallen alle in das 1. Quartal 2007, mit Ausnahme einer Entscheidung des SG Koblenz vom April 2006, die hier insbesondere wegen seiner sozial-rassistischen Tendenz als extremer Gegenpol angeführt ist, denn im Gegensatz zu dieser Entscheidung des SG Koblenz machen sich die anderen Entscheidungen, unabhängig von ihrem Ergebnis, immerhin Gedanken über die Problematik.

Mit der hier erörterten Frage geht eine bestimmte Begrifflichkeit einher. Anhand dieser Begrifflichkeit, die lediglich bei der Koblenz-Entscheidung auf einen einzigen Begriff reduziert ist, soll das Thema bearbeitet werden.

Die hier maßgeblichen Begriffe lauten: Bedarf Pauschale Marktwert Einkommen.

Bedarf und Pauschale

Auch wenn dies manchen Leserinnen und Lesern spitzfindig vorkommen mag, aber die Unterscheidung zwischen einem Bedarf dem Grunde nach (=Bedarf) und der Höhe nach (=Leistung) macht durchaus Sinn. Nur so ist es möglich, daß ein Bedarf bestehen bleibt und nicht entfällt oder reduziert wird bei entfallender oder reduzierter Sozialleistung. Denn nur dann darf eine Sozialleistung reduziert werden, wenn gleichzeitig für den reduzierten Anteil ein entsprechendes Einkommen vorliegt, so daß der Bedarf weiterhin gedeckt ist.

SG Schleswig [1]:

„… wonach eine Kürzung der Regelleistung wegen Minderbedarfs im Gesetz nicht vorgesehen ist. Durch die weitgehende Pauschalierung der Leistungen und die Zusammenfassung aller Bedarfe …“

„Wenn dabei möglicherweise nicht bedarfsnotwendige Leistungen … gewährt werden, ist dies ebenso hinzunehmen wie mögliche Härten … Das Prinzip der Pauschalierung steht dem Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit diametral entgegen.“

SG Karlsruhe [2]:

„Die Verpflegung des Beziehers von Leistungen nach dem SGB II während eines stationären Aufenthalts führt zwar nicht zu einer Bedarfsminderung, da der Bedarf pauschal und ohne Berücksichtigung individuellen Bedürfnisse zu bemessen ist …“

„… bestimmt § 20 Abs. 2 SGB II abschließend die Höhe des Regelsatzes. Abzüge hiervon, die mit dem Nichtbestehen eines Teils des vom Regelsatz gedeckten Bedarfs begründet sind, sieht das Gesetz nicht vor …“.

SG Mannheim [3]:

„Der festgelegte Regelsatz pauschaliert bewusst die Aufwendungen für die unverzichtbaren täglichen Bedürfnisse, … . Eine davon abweichende Festlegung der Bedarfe ist jetzt seit 1.08.06 durch § 3 Abs. 3 Satz 2 SGB II ausdrücklich ausgeschlossen. Deshalb kann die Verpflegung eines Leistungsempfängers während eines stationären Aufenthalts nicht zu einer Bedarfsminderung führen… „

Die hier angesprochenen Sozialgerichte sind sich also einig darin, daß der Bedarf eines SGB II-Leistungsempfängers nicht verringert werden kann. Während aber zum Beispiel das SG Schleswig und das SG Mannheim der Rechtsauffassung sind, daß aufgrund der Pauschalierung der Leistung die Sache im Grunde gegessen ist, ist das SG Karlsruhe wie auch andere der Rechtsauffassung, daß die für die Deckung der Bedarfe vorgesehene Pauschalleistung (=Regelleistung) durchaus eine Korrektur erfahren kann, nämlich durch Berücksichtigung zum Beispiel der Verpflegung bei stationärem Aufenthalt als Einkommen (§ 11 SGB II).  

Marktwert und Einkommen

Insoweit nun also Klarheit herrscht, daß ein Bedarf nicht gemindert werden kann, führt dieses dennoch zu unterschiedlichem Ergebnis für die Betroffenen. Dies hat etwas damit zu tun, daß einige Gerichte Natural-/Sachleistungen bei stationärer Unterbringung als in Geld umtauschbare Werte ansehen, die dann Einkommen sind, und, insoweit sie mit den Leistungen des SGB II übereinstimmen auch als Einkommen auf diese anrechenbar sind.

Dazu muß aber, darin sind sich die Einkommen bejahenden und verneinenden Gerichte wieder einig, die Natural-/Sachleistung einen Marktwert besitzen. Hinsichtlich der Verpflegung bei stationärer Unterbringung wird dieses entweder bejaht oder verneint oder erst ab einer stationären Unterbringung von mehr als sechs Monaten für gegeben erachtet.

SG Mannheim [3]:

„Eine Leistungsminderung kann daher nur dann in Betracht kommen, wenn die erhaltene Verpflegung als Einkommen … nach § 11 SGB II zu berücksichtigen ist. … Beim Geldeswert muss es sich aber um einen Marktwert handeln, d.h. die Sachleistung muss jederzeit in Geld tauschbar sein … . An dieser Tauschbarkeit fehlt es …, denn der Kläger hatte keine Möglichkeit die erhaltene Verpflegung in einen entsprechenden Barbetrag zu tauschen. Er hat lediglich die Möglichkeit, die angebotene Verpflegungsleistung in Anspruch zu nehmen oder aber an den Mahlzeiten nicht teilzunehmen.“

„Gegen eine Berücksichtigung der bezogenen Verpflegung bei der Höhe des Arbeitslosengeldes II spricht auch die Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II. Danach erhält nur Leistungen derjenige nicht, der für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist … . Daraus rechtfertigt sich der Umkehrschluss, dass bei einer stationären Aufnahme von weniger als 6 Monaten keine Leistungseinschränkung erfolgen kann … .“

SG Schleswig [1]:

„…, dass Geldeswert nur solche Sacheinnahmen einschließlich Dienstleistungen sind, die einen Marktwert besitzen, also gegen Geld tauschbar sind.“

„Hätten die Antragsteller die Verpflegung nicht in Anspruch genommen, hätte sich dadurch die von der Krankenkasse zu erbringende Vergütung in Form des Pflegesatzes nicht reduziert. … Im Übrigen schuldet die Rehabilitationseinrichtung nicht den Antragstellern, sondern ihrer Krankenkasse die Sachleistung Verpflegung. Die Antragsteller haben gegenüber der Rehabilitationseinrichtung keinen Anspruch auf Verpflegung, auch nicht aus einem Vertrag zugunsten Dritter … .“

Direkt konträr dazu das LSG Niedersachsen-Bremen [4]:

„Die Verpflegung im Krankenhaus bzw. in der Reha-Klinik hat einen Marktwert. Dies ist schon daraus ersichtlich, dass für diese Leistung zwar nicht der Antragsteller, aber die zuständige Krankenkasse bzw. der Rentenversicherungsträger aufkommt und die Verpflegung vom Kostenträger mitbezahlt werden muss.“

SG Karlsruhe [2]:

„Da der Gesetzgeber über die §§ 2, 2b Alg II-V die von einem Dritten zur Verfügung gestellte Verpflegung unter den Begriff des Einkommens gefasst hat, greift … vorliegend auch der Einwand … nicht, die Verpflegung während der stationären Rehabilitationsmaßnahme sei nicht marktfähig und habe damit keinen Geldwert. Dies trifft überdies auch auf andere, unstreitig als Einkommen anrechenbare Sachleistungen zu wie etwa die Verköstigung durch den Arbeitgeber.“

Auch hier wieder, obwohl den Marktwert bejahend, konträr dazu das LSG Niedersachsen-Bremen [4]:

„Die Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V ist … nicht anwendbar, denn sie bestimmt nur die Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit. … Jedoch sieht § 2 b Alg II-V für die Berechnung des Einkommens aus Einnahmen, die nicht unter die §§ 2 und 2 a Alg II-V fallen, eine entsprechende Anwendung des § 2 Alg II-V vor. … Der Verweis von § 2 b Alg II-V über § 2 Abs. 4 Alg II-V auf die SachBezV ist insoweit nicht ermächtigungskonform, als die Anrechnung von Sachbezügen damit über den Betrag hinaus geht, der in der gewährten Regelleistung für Verpflegung angesetzt ist und bedarf daher der einschränkenden Auslegung.“

„Denn die Ermächtigungsnorm des § 13 Nr. 1 SGB II berechtigt den Verordnungsgeber nur zur Festlegung von Maßstäben zur Einkommensberechnung, jedoch nicht zu Vorgaben für die Anrechnung eines fiktiven Einkommens, das die Regelleistung über den Anteil hinaus reduziert, der darin für Verpflegung enthalten ist. … Dies ist jedoch mit § 2 b Alg II-V geschehen.“

Insgesamt bejaht aber das LSG Niedersachsen-Bremen einen Marktwert der Verpflegung und damit deren Anrechnung als Einkommen auf die Regelleistung:

„Dem steht eine Kostenersparnis des Antragstellers gegenüber, der seine Verpflegung während des stationären Aufenthaltes nicht selbst aus der Regelleistung bestreiten muss. Seine Hilfebedürftigkeit (§ 9 Abs. 1 SGB II) wird hierdurch verringert.“ [4]

Und damit kommen wir zum mengenmäßigen Umfang der Anrechnung der Sachleistung als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II, welches dann wiederum die Regelleistung nach §§ 20, 28 SGB II kürzt (nicht aber den Bedarf als Anspruch!).

Und hier schießt eindeutig das SG Koblenz, welches sich ansonsten zum vorliegenden Thema jeglicher gedanklicher Tiefgänge enthält, den Vogel ab: es geht in dem ablehnenden Urteil zwar nicht über den von der Sozialleistungsbehörde abgezogenen Wert von 35 Prozent des in der Regelleistung vorgesehenen Anteils für Verpflegung (=120,75 Euro) hinaus, hält aber die aus BSHG-Zeiten stammenden 50 Prozent Regelsatzanteil (=148 Euro) für richtig:

„Etwa auf diese Höhe muss daher auch der Ernährungsanteil der Regelleistung nach dem SGB II angesetzt werden, denn die Regelleistungen nach dem SGB II stellen lediglich eine … Fortschreibung der zuvor geltenden Regelsätze nach dem BSHG dar.“ [5]

Und um dies noch zu toppen, hält das SG Koblenz auch den Wert der Sachbezugsverordnung für ansetzbar über § 2 Abs. 4 Alg II-V, mithin monatlich mehr als 200 Euro (2007: 205 Euro). Wie dann, abzüglich des sogenannten Ansparbetrages, von etwa 90 Euro der ganze Rest bis auf Wohnung und Heizung bewältigt werden soll, sagt dieses Gericht nicht. Bei solchen Richtern wäre es wirklich angebracht, sie, bevor sie Sozialrichter werden und über „Hartz IV“ entscheiden dürfen, selber einmal ein ganzes Jahr lang von „Hartz IV“ „leben“ zu lassen.

Die anderen hier angeführten Gerichte sind sich, sofern sie eine Anrechnung von Verpflegungsleistungen als Einkommen befürworten, darin einig, daß diese lediglich im Umfang des für Verpflegung vorgesehenen Anteils von 35 Prozent der Regelleistung erfolgen darf (so SG Karlsruhe und LSG Niedersachsen-Bremen):

„Mangels anderweitiger Erkenntnismöglichkeiten im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geht der Senat zugunsten des Antragstellers von diesem niedrigeren Wert in Höhe von 35 % der Regelleistung für Verpflegung (ohne Tabakwaren) aus, den auch die BA in ihren Durchführungsbestimmungen (Nr. 9.14) für bereitgestellte Verpflegung ansetzt.“ [4]

 

Bewertung

Wie schon erwähnt, reichen die Gerichtsentscheidungen zur Anwendbarkeit der Sachbezugsverordnung bei stationärer Unterbringung mit Verpflegung von ganz ablehnend bis zur Forderung nach Berücksichtigung von mehr als dem in der Regelleistung für Ernährung enthaltenen Betrag von 35 Prozent (=120,75 Euro).

Sinn und Zweck der Sachbezugsverordnung soll ja eigentlich sein, Natural-/Sachleistungen in Geldwerte umzurechnen, um zum Beispiel den Betrag für die Krankenversicherung ermitteln zu können. Denn andernfalls würde das verminderte Einkommen des einen Arbeitnehmers, der eine Werkswohnung gestellt bekommt, zu einem geringeren Beitrag an die Krankenkasse führen als bei einem anderen Arbeitnehmer, der einen höheren Lohn erhält, von dem er aber, nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge, die Miete für eine Mietwohnung bezahlen muß. Hier werden also Geldwerte, die in Naturalien geleistet werden, wieder in Geldwerte umgerechnet.

Allerdings ist hier die Marktfähigkeit genauso wenig gegeben wie bei einer Essensverpflegung im Krankenhaus, da zum Beispiel das als Lohn gewährte kostenlose Essen in einer Werkskantine oder Hotelküche genauso wenig auf dem allgemeinen Markt tauschbar ist wie das Essen im Krankenhaus, welches die Krankenkasse bezahlt. Der Unterschied dürfte daher eher darin liegen, daß ein Arbeitgeber die Natural-/Sachleistung auch in Geldform entrichten könnte.

Insofern wäre der logisch ungebrochene Weg derjenige nicht über die Frage der Marktfähigkeit der gewährten Natural-/Sachleistungen, sondern der über die Pauschalkonstruktion der Regelleistung § 20 SGB II, der zumindest kurzfristige (unter 6 Monate) Verschiebungen unter den einzelnen Bedarfspositionen bewußt zuläßt. Und so argumentieren ja auch das SG Schleswig und SG Mannheim mit anderweitigen Kosten:

„Der Kläger hat zwar durch die Verpflegung im Krankenhaus Aufwendungen erspart, doch entstehen im Zusammenhang mit diesem Aufenthalt typischerweise Mehraufwendungen – wie z.B. Kommunikationskosten oder Kleidungsbedarf – die bei der Festsetzung des Regelsatzes nicht berücksichtigt werden konnten.“ [3]

„Wenn die Antragsgegnerin tatsächlich eine Kürzung vornimmt, hätte sie entsprechend die Mehraufwendungen der Antragsteller – hier Beiträge zur Krankenversicherung – teilweise abziehen müssen.“ [1]

Hier stellt sich aus Sicht der Betroffenen aber das Problem, daß es nicht in ihrem Interesse sein kann, ständig Verschiebungen vorzunehmen, auch wenn das SGB II gleich zu Beginn die „Eigenverantwortung“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB II) der Hilfebedürftigen herausstellt. Denn politisch gewollt und durch die jahrelange Deckelung der Regelleistung ohne Inflationsausgleich auch schon bei der alten Sozialhilfe (BSHG) sowie durch die Umsatzsteuererhöhung 2007 von 16 auf 19 Prozent längst Tatsache ist die Kürzung der Sozialleistung SGB II. Eine Verschiebung unter den Bedarfspositionen, auch wenn sie der Höhe nach nicht unter die Regelung des § 23 Abs. 1 SGB II fallen würde, ist aus Sicht der Bedarfsdeckung nicht hinnehmbar. Somit bleibt einzig und allein die Forderung, bei stationärer Unterbringung keine Kürzung der Regelleistung der Höhe nach vorzunehmen.

 

 

[Fußnoten;Links:]

[*] Seit 1. Januar 2007 nicht mehr Sachbezugsverordnung sondern Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV). Da der alte Begriff aber noch weit verbreitet ist, soll er auch in diesem Artikel weiter Anwendung finden

[1] SG Schleswig, Beschluß vom 26. Januar 2007, Az.: S 2 AS 12/07 ER, zit.n. Rechtsprechungsdatenbank auf www.tacheles-sozialhilfe.de

[2] SG Karlsruhe, Urteil vom 9. Januar 2007, Az.: S 14 AS 2026/06, zit.n. Rechtsprechungsdatenbank auf www.tacheles-sozialhilfe.de

[3] SG Mannheim, Urteil vom 5. März 2007, Az.: S 4 AS 3966/06, zit.n. Rechtsprechungsdatenbank auf www.tacheles-sozialhilfe.de

[4] LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluß vom 29. Januar 2007, Az.: L 13 AS 14/06 ER, zit.n. Rechtsprechungsdatenbank auf www.tacheles-sozialhilfe.de

[5] SG Koblenz, Urteil vom 20. April 2006, Az.: S 13 AS 229/05, zit.n. Rechtsprechungsdatenbank auf www.tacheles-sozialhilfe.de

 

 

 

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