SGB II / SGB XII:
Regelleistung 2021 verfassungswidrig
(30. September 2021, korr. F. 17. Juli 2022)
Vorbemerkung I (Inflationierung der EVS)
Das Statistische Bundesamt ändert alle fünf Jahre die Basis.
Für den Verbraucherpreisindex (VPI), auch Inflationsrate, wird alle fünf Jahre
das Basisjahr für die jährliche Preissteigerung gewechselt, also 2005, 2010,
2015, 2020.
Dies korrespondiert nicht mit der ebenfalls alle fünf Jahre
erhobenen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), welche 1998/Version 2003,
2008, 2013, 2018 stattfand.
Daraus ergibt sich das Problem, daß zunächst mit gewissen
statistischen Methoden eine Angleichung stattfinden muß, die so aussieht, daß
die im EVS-Jahr ermittelten Preise auf das letzte Basisjahr deflationiert
werden [1].
Das heißt, für die Inflationierung der Preise aus der EVS
2018 für die Regelleistung 2021 wird auf das Basisjahr 2015 deflationiert und
anschließend gemäß der beschriebenen Regelung hochinflationiert.
Es ergibt sich daraus selbstredend, daß an dieser Stelle
ohne entsprechende Computer- und man-power nur auf gewisse
Ungereimtheiten hingeweisen werden kann.
Die Regelleistung ab 1. Januar 2021 sollte zunächst 439,-
Euro betragen [2] [3] [4], wurde dann auf 446,- Euro [5] erhöht. Das ist eine
Steigerung um 14 Euro gegenüber 2020.
Um es vorweg zu nehmen: Die Steigerung der Regelleistung um zunächst
7 Euro wäre bereits zur Jahresmitte 2020 notwendig gewesen, allein aufgrund der
Inflationsrate bei den einzelnen EVS-Positionen, aus denen sich die
Regelleistung zusammensetzt.
Während die Regelleistungserhöhung um Faktor 1,0093 [2] [3] [4]
für die EVS-Daten aus 2018 zur Hochrechnung auf 2021 sogar einen geringeren
Wert ergab als die bereits erfolgte Anpassung der Regelleistungen 2019 um
Faktor 1, 0202 [6] – real aber nur um Faktor 1,0192 – und der Regelleistung
2020 um Faktor 1,0188 [7], welche zusammen bereits einen Anpassungsfaktor von
1,0394 – real 1,0384 – ergaben, wurden der Referenten- und Regierungsentwurf
im Dezember 2020 an die jetzigen Werte angepaßt, so daß die nunmehrige
Regelleistungserhöhung um Faktor 1,0257 [8] erfolgte. Grund ist möglicherweise
die Kritik an der Regelleistungserhöhung im Referentenentwurf vom 14. Juli 2020
durch den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband [9], welcher genau dies so
kritisiert hatte.
Begründet wurde die Steigerung von Faktor 1,0093 auf Faktor
1,0257 damit, daß angeblich „[d]ie dafür benötigten Daten [...] aber erst
Ende August 2020 vollständig vor[lagen] [10].
Der Gesamtindex der Verbraucherpreise stieg nach
Bundesstatistikamt (destatis) von 2018 auf 2020 um den Faktor 1,0200 [11].
Während der Verbraucherpreisindex von Januar bis Juni 2020 stieg, sank er von
Juli bis Dezember 2020 aufgrund der sog. Corona-Pandemie (SARS-CoV-2;
CoViD-19).
Vorbemerkung II
Nachfolgend soll anhand einzelner Positionen dargestellt
werden, daß die Reglleistung 2021 – offizieller Neusprech-Euphemismus: Regelbedarf
– im Hinblick auf das Existenzminimum nicht bedarfsdeckend sein kann.
Dies war eigentlich schon bei den Regelleistungen seit 2005
der Fall, da sich aber das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hinsichtlich der
Höhe keine Mühe mit einem Realitätsabgleich gab, wurde sowohl mit der
BVerfG-Entscheidungen vom 9. Februar 2010 als auch der vom 23. Juli 2014 die
Regelleistung jeweils für nicht „evident unzureichend“ erklärt. Wie
dieses geht, obwohl im ersten Fall die Regelleistung für verfassungswidrig
erklärt [12] wurde, im zweiten Fall die Sozialgerichte angemahnt wurden, das
SGB II verfassungskonform auszulegen und den Aufrechnungsparagraphen 42a SGB II
nicht anzuwenden [13], wobei das BVerfG die Gefahr der Unterdeckung bereits
2014 bei der „Anschaffung von Kühlschrank, Gefrierschrank und -truhe,
Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspül- und Bügelmaschine“ [14] sah
wegen der sehr hohen „Differenz zwischen statistischem Durchschnittswert und
Anschaffungspreis“, „[d]esgleichen kann eine Unterdeckung entstehen,
wenn Gesundheitsleistungen wie Sehhilfen weder im Rahmen des Regelbedarfs
gedeckt werden können noch anderweitig gesichert sind“, ist schleierhaft.
Ebenso stellt sich die Frage, wie die Kinderregelleistung
durchgewunken werden konnte, obwohl hier weiterhin eigentlich gar nichts mehr
ermittelt ist aufgrund der zu niedrigen Fallzahlen, die eine statistische
Aussage nicht mehr erlauben.
Nachfolgend soll deshalb auch nur die Eckregelleistung
(100%-Regelleistung für Alleinstehende und Alleinerziehende) Gegenstand der
Betrachtung sein. Es ergibt keinen Sinn, die Betrachtung auf die rein
spekulativen Phantasiezahlen der Kinderregelleistungen auszudehnen.
Im Übrigen werden nur markante Beispiele – auch aus der
Lebenswirklichkeit meines Leistungsbezuges – herausgegriffen. Ein
Auseinanderpflücken der einzelnen Positionen der Regelleistung sollte einem
Fachgutachten überlassen bleiben.
Durch die Berücksichtigung meiner konkreten Erfahrungen
ergeben sich logischerweise Abweichungen zu anderen Orten. Das soll vorliegend
aber keine Rolle spielen, da, solange z.B. nicht bundeseinheitlich die Bezieherinnen
und Bezieher von SGB II- und SGB XII-Leistungen Anspruch auf ein Sozialticket für
den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) haben, es immer eine relevante Zahl
von Personen gibt, die ihren Bedarf nicht aus der Regelleistung decken können.
Die nachfolgend genannten Geldbeträge beziehen sich alle auf
den Kalendermonat als kleinste Zeiteinheit.
Die einzelnen Beträge für die EVS 2018 sind entnommen der Anlage
zum Regelbedarfsermittlungsgesetz [15], welche erstmals getrennt aufgeführt
wird zur entsprechenden Bundesrats- bzw. Bundestagsdrucksache.
Ich möchte meine Kritik mit einem banalen Beispiel beginnen
und dieses am Anfang zunächst einfach mal so stehen lassen:
Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 2018
(EVS 2018) weist für die Eckregelleistung (Alleinstehende und Alleinerziehende,
unterstes 15%-Perzentil der Einkommen) Gesamtausgaben von 989,63 Euro aus [16].
Hiervon sind abzuziehen 472,44 Euro (Untergruppen 041, 042, 044) für die Kosten
der Unterkunft (KdU), 44,52 Euro für Heizkosten (HK) und Warmwasser
(Sonderauswertung Untergruppe 045 ohne Haushaltsstrom), welche über § 22 SGB II
gesondert erbracht werden, sowie 11,60 Euro [17]. Das macht schon 461,07 Euro
Regelleistung.
Würden nun auch für Alleinstehende und Alleinerziehende das
unterste 20%-Einkommensperzentil zugrunde gelegt, so ergäben sich über 500 Euro
Regelleistung statt 446,- Euro. Das wäre das reine Statistikmodell.
Euphemismus Regelbedarf
Der neuerdings verwendete Euphemismus „Regelbedarf“ im SGB
XII, RBEG und im SGB II, soll den Eindruck erwecken, als handele es sich bei
der Regelleistungspauschale um das, wessen der bzw. die Hilfebedürftige im
Monatb e d a r f, unbedingt braucht, um
das physische wie das sozio-kulturelle Existenzminimum zu decken.
Dazu das Bundesstatistikamt:
„Die mit der EVS erfassten Verbrauchsstrukturen spiegeln
das Konsumverhalten der Bevölkerung. Sie geben Auskunft darüber, wohin das Geld
fließt. Inwieweit dieses Verhalten tatsächlich die Bedürfnisse der Menschen
befriedigt, können sie nicht messen.“ [18]
Der Begriff „Regelleistung“ bleibt hingegen der richtige,
denn er bezeichnet das, was tatsächlichg e l e i s t e twird.
Die monatlich regelmäßig zu leistende Hilfe an
die Bedürftigen ist in sich konsistent zu ermitteln, um Willkürfaktoren
auszuschalten.
Zulässig sind nach Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – und
insofern spricht zunächst nichts dagegen – die Festsetzung anhand eines
sog. Warenkorbmodells, also als Regelsatz, wie ursprünglich mal
bei der alten Sozialhilfe nach BSHG, oder, die Ermittlung anhand des
sog. Statistikmodells der Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS),
wie sie das Bundesstatistikamt (destatis) alle 5 Jahre ermittelt, also
ebenfalls als Regelsatz, wie schon bei der alten Sozialhilfe BSHG.
Die heutige Regelleistung ist aber weder Regelbedarf
noch Regelsatz.
Schon die für verfassungswidrig erklärte „Regelleistung“
2005 bis 2010 litt darunter, einerseits auf der Basis des Statistikmodells
erhoben worden zu sein (EVS 1998/Version 2003), andererseits aber bei einzelnen
Positionen Kürzungen aufgewiesen zu haben, ohne daß diese Kürzungen in
irgendeiner Weise nachvollziehbar waren [19].
Real dienten diese Kürzungen dazu, den bereits gegenüber der
alten Sozialhilfe von 30% des EVS-Wertes auf 20% gekürzten Regelsatz
weiter zu kürzen bis auf das vorher ausgekungelte Maß [20], welches schon durch
die Nichterhöhung des Sozialhilfe-Satzes in den Jahren der zweiten
Schröder-Regierung (2002-2005) durch die Inflationsrate entwertet und damit
faktisch zu niedrig war.
Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 9. Februar 2010
(Az.: 1 BvL 1/09 u.a.) wurden, eben weil es keine sachliche Begründung gab, die
prozentualen Kürzungen bei einigen EVS-Positionen wieder zurückgenommen, der
100%-Wert in die Position eingesetzt, dafür aber wurde die Regelleistung
für Alleinstehende und Alleinerziehende auf das 15%-Perzentil der untersten
Einkommensbezieherinnen und -bezieher gekürzt.
Hinzu kamen weitere Kürzungen durch Herausnahme einzelner
Bedarfspositionen wie Alkoholische Getränke, Blumen etc. Diese Kürzungen
stellten und stellen heute noch eine Kürzung nach dem Warenkorbmodell
dar.
Vermischung Statistikmodell / Warenkorbmodell
Die Regelleistung geht für Alleinstehende und
Alleinerziehende in Höhe von 15 Prozent und für Kinder in Höhe von 20 Prozent
von dem nach der jeweiligen Verbrauchsstichprobe (EVS) des Bundesstatistikamtes
(destatis) ermittelten Verbrauchs in Deutschland aus.
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) gelten als für die
Gesundheit förderlich und weshalb die Ernährung „reichlich“ aus ihnen bestehen
sollte, Brot, Getreide, Kartoffeln,Gemüse,
Obst [21]. Von den Hilfebedürftigen kann nicht verlangt werden, sich wegen der
zu gering bemessenen Regelleistung ungesund (z.B. fastfood) zu ernähren.
Es ist davon auszugehen, daß sich der Durchschnittsbürger,
die Durchschnittsbürgerin eher von Chips und Schokolade als von Obst und Gemüse
ernährt. Damit ist die Regelleistung schon mal geldlich gesehen der Höhe nach
geringer einzuordnen, als sie es wäre, würde ein Betrag für gesundes Essen
eingestellt.
Das gleiche gilt für Schuhe und Bekleidung. Die
Durchschnittsbevölkerung kauft wohl eher billige Schuhe und Bekleidung aus
Kinderarbeit in Bangladesh – nur als Beispiel. Dies sollte schon aus Gründen
der Menschenwürde politisch nicht auch bei SGB II- und SGB XII-Empfängerinnen
und -empfängern unterstützt und abverlangt werden.
Die Bundesregierung scheut sich ja auch sonst nicht –
inkonsequente Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes unterstützt das –
in das Statistikmodell das alte Warenkorbmodell einzuflechten,
wenn es bestimmte EVS-Positionen streicht. Warum also nicht Teile eines
Warenkorbmodells im obigen Sinne begünstigend in die Regelleistung einstellen?
Das ist kein politisches Wunschdenken, sondern Rechtsanspruch aus der
Menschenwürde Art. 1 GG, die auch für arbeitende Kinder in Bangladesh gilt.
Interessant ist ja, daß das Warenkorbmodell nur dort
angewandt wird, wo es um die Kürzung der Regelleistung geht. Korrekter
wie fairer Weise hätten z.B. die Positionen für die Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs
(ÖPNV) (EVS-Hauptpositionen 0731 und 0732) der Realität angepaßt und verdoppelt
werden müssen, jedenfalls solange nicht bundesweit einheitlich ein
entsprechendes „Sozialticket“ eingeführt ist. Das Gleiche (Verdopplung des
EVS-Wertes) gilt für die Position der sog. Weißen Ware (EVS-Positionen 0531 200
und 0531 901). Schon bei der Regelleistung 2017 hätte die Position der
Finanzdiensleistungen (EVS-Position 1262 900) verdoppelt werden müssen [22],
2021 reicht nicht einmal das mehr aus.
Aber erst die Mischung macht’s.
Die Kürzungen fänden bei der reinen Anwendung des Statistikmodells
bald ihre Grenze. 10 Prozent und niedriger wäre ein Verstoß gegen mathematische
und naturwissenschaftliche Fehlerberechnung. Der Standardfehler wird bei Messungen
mit 10% angesetzt. Daß bei den EVS die Lage zunehmend noch schlechter ist,
beweisen die vielen Leerstellen, die Ausdruck nicht ausreichender Daten sind.
Auch bei der reinen Anwendung des Warenkorbmodells
käme eine Kürzung bald an ihre Grenze, da bei jeder Einzelposition begründet
werden muß, warum diese nicht zum Bedarf gehören soll. Exekutive und
Legislative haben jetzt schon keine ernsthaften Begründungen für die
Herausnahme einzelner EVS-Positionen, und was vermeintlich leichter
herauszunehmen ist, wurde schon 2011 herausgenommen. Außerdem erhöht jede
Herausnahme einer Position die Schwierigkeit desgeforderten
internen Ausgleichs [22].
Andere Kürzungsmöglichkeiten wie der verbotene Zirkelschluß
durch die Aufnahme von z.B. BAföG-Bezieherinnen und -Beziehern in den Kreis der
EVS-Haushalte, obwohl diese auf Sozialhilfe-/„Hartz IV”-Niveau sind, zur
Senkung der Regelleistungsind auch
schon ausgereizt [23].
Statistische Grundsatzkritik
Es gibt etwa 30 Prozent der Bevölkerung derzeit, die
entweder Leistungen nach dem SGB II und SGB XII beziehen oder prekärer
Beschäftigung (working poor) nachgehen.
Von daher sollten für Alleinstehende nicht die untersten 15
Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher, sondern die untersten 30 Prozent
für die Ermittlung der Regelleistung herangezogen werden. Wie hoch diese dann
ausfiele, kann vorliegend nicht beantwortet werden, dies könnte nur das
Bundesstatistikamt.
Festgestellt werden kann aber schon Folgendes:
Referenzgruppenfestlegung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG
§ 4 Abs. 1 Nr. 1 RBEG bestimmt für Alleinstehende und
Alleinerziehende die Bemessung der Regelleistung an Hand der untersten 15% der
Einkommensbezieherinnen und -bezieher der EVS 2018; § 4 Abs. 1 Nr. 2 RBEG
bestimmt für Familien, also Haushalte mit Kindern, die untersten 20% der
Einkommensbezieherinnen und -bezieher als Referenzhaushalte zur Bemessung der
Höhe der Regelleistung.
Unabhängig davon, daß diese Differenzierung nicht begründet
ist – weil sie außer mit dem Kostenargument auch gar nicht begründbar wäre –,
verstößt diese Ungleichbehandlung ansonsten gleicher SGB II/SGB
XII-Leistungsempfängerinnen und -empfänger gegen das Gleichbehandlungsgebot des
Art. 3 Abs. 1 GG, was hier wegen der Offensichtlichkeit dieses Verstoßes nicht
weiter begründet zu werden braucht.
Aufstocker u.a. sind nicht herausgerechnet, obwohl sie
„Hartz IV“ bekommen
Nach § 3 Abs. 2 RBEG 2021 sind bei der Berücksichtigung als
Referenzhaushalt für die Bestimmung der untersten 15% bzw. 20% nicht
ausgenommen:
„Nicht auszuschließen sind
Haushalte, in denen Leistungsberechtigte leben, die im Erhebungszeitraum
zusätzlich zu den Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 bis 4 Erwerbseinkommen
bezogen haben.“
Damit sind sog. Aufstocker, aber auch nach SGB II
anrechnungsfreie Leistungen beziehende Hilfeempfängerinnen und -empfänger, die
eigentlich „Hartz IV“-identisch sind, nicht aus der Referenzgruppe
ausgeschlossen, so daß es hier eindeutig zu Zirkelschlüssen kommt, die die
Festlegung der Regelleistungshöhe verfälschen.
Das Argument, Aufstockern würden ja höhere Freibeträge
zugestanden greift nicht, solange sie dadurch einen Betrag monatlich mehr
hätten, der – sagen wir 100 Euro (§ 11b Abs. 2 u. Abs. 3 SGB II) – nicht
wirklich relevant ist angesichts der Preisentwicklung.
Andererseits gilt laut der EVS 2018 [24]
„Ergebnisse für Haushalte,
deren regelmäßiges monatliches Haushaltsnettoeinkommen 18 000 Euro und
mehr beträgt, bleiben unberücksichtigt, da diese nicht beziehungsweise in viel
zu geringer Zahl an der Erhebung teilnehmen.“
Oder anders ausgedrückt: Sog. Besserverdienende, die keine
Angaben über ihre Ausgaben machen wollen, werden erst gar nicht statistisch
erfaßt, was die Regelleistungshöhe logischerweise noch einmal nach unten
drückt, da das untere Einkommensquantil von 15% bzw. 20% auf diese Weise
geringer ausfällt. Hier kann auch nicht als Ersatz-Argument die
Nichtberücksichtigung von Obdachlosen herangezogen werden, weil diese gar nicht
über einen Haushalt im eigentlichen Sinne verfügen; dies gilt nicht nur bei
sog. Straßenobdachlosigkeit, sondern im geringeren Maße auch bei Bezug von
Notunterkünften.
Quantität der EVS 2018-Haushalte geringer als behauptet
Die Aussage des Statistischen Bundesamtes, „[d]ie
Ergebnisse für das Jahr 2018 basieren auf den Aufzeichnungen von 52 782
Haushalten“ [25] ist mathematisch falsch: es haben nur 13.195 Haushalte
teilgenommen, d.h. je Quartal des Jahres waren nur 13.195 Haushalte beteiligt,
aber eben immer andere 13.195 Haushalte. Hierzu zum Verständnis im Einzelnen:
ZUMA-Arbeitsbericht Nr.
2006/01, Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 – Design und Methodik sowie
Veränderungen gegenüber den Vorgängererhebungen von Matthias Fleck, Georgios
Papastefanou, Mai 2006 (ISSN 1437-4110).
Das ergibt aber übers Jahr gerechnet eben nicht 52.782
Haushalte, sondern nur 13.195 Haushalte, und, es ermöglicht eine
Datenverfälschung dergestalt, daß ein an der EVS 2018 beteiligter Haushalt im
Grenzfall 3 Quartale „Hartz IV“-Leistungen beziehen kann, im 4.
Untersuchungsquartal seiner Teilnahme an der EVS aber kein „Hartz IV“-Haushalt
ist, z.B. wegen kurzfristiger Beschäftigung, und so die Statistik nach unten
verfälscht.
Verfassungswidriger Fortschreibungsmodus
In der Bundestagsdrucksache 19/24034 heißt es im
Begründungsteil [26]:
„Die Veränderungsrate des
Mischindexes berechnet sich folgendermaßen: VMI2021 = (0,7 * VRPI2021) + (0,3 *
VNLG2021). Dabei sind: VRPI2021 = Veränderungsrate des regelbedarfsrelevanten
Preisindexes VNLG2021 = Veränderungsrate der Nettolöhne und -gehälter je
beschäftigten Arbeitnehmer“.
Damit wird die zukünftige Entwicklung der Höhe der
Regelleistung nicht nur weiter nach unten verfälscht im Angesicht prekärer
Beschäftigungsverhältnisse, sondern diese Festlegung ist auch
verfassungswidrig, weil das Existenzminimum kein variabler Wert ist, sondern
einen unteren Limes darstellt, der sich in einem absoluten Betrag bemißt.
Allein die große und zunehmende Anzahl der sog. Aufstocker beweist, daß es
heute für viele Menschen Arbeit nicht zum existenzsichernden Lohn gibt. Eine
Legislative und Exekutive, die in die Berechnung des Existenzminimums
Lohnelemente hineinbringt, beabsichtigt im Profitinteresse des Kapitals
sinkende Löhne mit einem zunehmenden Anteil an von allen Steuerzahlern
bezahltenLohnanteilen in Form aufstockender
Sozialhilfe – und zwar über die Regelung § 16e Abs. 2 SGB II hinaus.
Dies ist verfassungswidrig. Zur Regelleistung 2008 mit Bezug
zum Rentenwert:
„Dies rechtfertigt es
jedoch nicht, auf die zur Bestimmung des Existenzminimums nicht geeignete
Entwicklung des aktuellen Rentenwerts abzustellen. Vielmehr stehen andere,
sachgerechtere Anpassungsmechanismen zur Verfügung, welche die Bedarfsentwicklung
zwischen zwei Einkommens- und Verbrauchsstichproben in größerer Nähe zu den
Kriterien der Regelleistungsfestlegung nachzeichnen können.“ … „Mit dem
Statistikmodell eher vereinbar wäre beispielsweise eine Hochrechnung anhand der
Preisentwicklung in den Ausgabepositionen, aus denen sich der
regelleistungsrelevante Verbrauch zusammensetzt.“ [27]
Die an der Lohnentwicklung, aber auch
politisch-wahltaktischen Vorgaben orientierte Festlegung des Rentenwertes wurde
richtigerweise vom BVerfG als ungeeignet für die Fortschreibung der
Regelleistung SGB II beurteilt. Damit stellt aber auch die Lohnentwicklung
selber, und sei es nur zu einem Anteil von 30 Prozent, keinen geeigneten und
keinen verfassungskonformen Maßstab für die Regelleistung-Fortentwicklung dar.
Damit wirken sich die hier kritisierten Aspekte auch auf die
Regelleistung 2021 ff. aus.
Beispiel Nahrungsmittel (EVS-Abteilung 01)
Gerade an diesem Beispiel offenbart sich die ganze
Problematik von Statistik. Während die Abteilung „Nahrung“ mit um die 35% in
die Regelleistung eingeht, beträgt ihr Gewichtungsanteil an der Inflationsrate nur 9,7% [28].
Gleichzeitig liegt zumindest seit 2016 jedes Jahr die Inflationsrate für Nahrungsmittel
über der allgemeinen Inflationsrate [29].
Damit ist klar, daß nicht einfach mit der allgemeinen
Inflationsrate gearbeitet werden kann. Es wird also gemäß der Aufteilung, wie
sie sich aus § 5 RBEG ergibt, inflationiert [1]. Dies weist allerdings gewisse
statistische Probleme auf, da die politisch willkürliche Zusammensetzung der
Regelleistung nicht aus den mit der EVS erhobenen Daten ohne Weiteres
hergeleitet werden kann [1]; auf eine konkrete Darstellung soll an dieser
Stelle verzichtet werden.
Auch wenn die Regelleistung mit den
regelleistungsspezifischen Bereichen inflationiert wird, also für die
EVS-Abteilung 01 mit der Inflationsrate für die Nahrungsmittel, so reicht
dieses nicht (s.u.)
Hinzu kommt, daß alle fünf Jahre bei der Neuberechnung der
EVS/Regelleistung die Inflationsrate in Abhängigkeit von der
Lohnentwicklung (unterste 15%) eingeht. Gleichzeitig schießen 2021 gerade die Nahrungsmittelpreise
exorbitant in die Höhe [30], ohne daß der Gesetzgeber kurzfristig eine
Anpassung der Regelleistung vornimmt.
Schon zur Regelleistung 2011 merkte das
Bundesverfassungsgericht an: „Ergibt sich eine offensichtliche und
erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei
der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der
Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf
reagieren. ... Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt
auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der
Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen
warten.“ [31] Stattdessen wird statistisch rumgetrickst.
Weiter ist ein „Phänomen“ festzustellen. In der EVS 2018
sind für die Abteilung 01 (Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke) 147,80 Euro
bzw. 134,90 Euro nur für Nahrungsmittel eingestellt. Hochgerechnet gemäß § 7
Abs. 2 RBEG mit dem Faktor 1,0257 ergibt sich ein Wert von 151,60 Euro statt 150,93
Euro laut § 5 RBEG [32]. In der EVS-Abteilung 07 sind 39,01 Euro eingestellt in § 5 RBEG [32], während
die hochgerechnete EVS-Abteilung 07 (Sonderauswertung) 41,20 Euro (40,17 x 1,0257) ergibt. Zweifel an der Seriösität der Statistik sind angebracht.
Vorliegend wird von 134,90 Euro nur für
Nahrungsmittel ausgegangen.
Erwähnt werden muß noch, daß § 5 RBEG zwar betitelt ist „Abteilung
1 und 2 (Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren)“, dies aber vermissen läßt,
daß alkoholische Getränke und Tabakwaren seit der vom Bundesverfassungsgericht
erzwungenen Neuberechnung der Regelleistung (2011) herausgenommen sind.
Weswegen hier dennoch die EVS-Bezeichnung beibehalten wurde, kann wohl nur mit
der Schlampigkeit der Ministerialbürokratie erklärt werden.
Nahrungsmittel stellen einerseits statistisch gesehen kein
Problem dar: sie steigen – mit Ausnahme des Jahres 2009 auf dem Höhepunkt der
internationalen Finanzkrise – immer. Andererseits ergibt sich dennoch das
Problem der Gewichtung, wenn eine gesunde Ernährung unterstellt wird, also von
Obst und Gemüse hauptsächlich ausgegangen wird, daß z.B. stark steigenden
Äpfelpreisen stark sinkende Tomatenpreise gegenüber stehen. Erhellende
statistische Interpretationen sind nicht zu finden [33]. Das Problem hier ist,
daß die Statistiker hauptsächlich Einfuhrpreise, Erzeugerpreise,
Großhandelspreise interessieren, also das, was für den Handel von Interesse
ist, nicht jedoch die für die Regelleistung wichtigen Verbraucherpreise. Erschwert
wird das Ganze noch dadurch, daß das Bundesstatistikamt mittlerwiele alle fünf
Jahre das Basisjahr ändert (2005, 2010, 2015,...).
Und wie schon oben unter „Vermischung
Statiskmodell/Warenkorbmodell“ dargestellt, empfiehlt zwar das RKI viel Obst
und Gemüse zu essen, dies schlägt sich aber nicht in der EVS nieder, da die
Durchschnittsbevölkerung sich eher von Dosenravioli und Fertigpizza ernähren
dürfte. Hinzu kommt die Gewichtung innerhalb der statistischen Erhebung, wo
Obst und Gemüse etwa gleich stark gewichtet sind wie Fleischprodukte, also die
vom RKI geforderte gesunde Ernährung sich zumindest in der Regelleistung nicht
wiederfindet.
So aber bleibt es bei einzelnen Feststellungen wie der, daß
2020 aufgrund der Corona-Krise die Preise für Obst und Gemüse stark angestiegen
sind [34] [35].
Ausgehend von 2018 mit 144,74 Euro für Nahrungsmittel
multipliziert mit den Inflationsraten 2019 (Faktor 1,015) und 2020 (Faktor
1,024) ergibt sich für Nahrungsmittel ein Regelleistungswert von 150,44 Euro,
welcher dem für die Regelleistung 2021 von 150,93 Euro [32] für die
EVS-Abteilung 01 entspricht.
Stieg von 2018 auf 2020 der allgemeine Verbraucherpreisindex
(Inflationsrate) um 2,0 Prozent, so stiegen im selben Zeitraum die
Nahrungsmittelpreise um 3,7 Prozent.
Übertragen bedeutet dies, daß die EVS-Abteilung 01 von
144,74 Euro auf 150,10 Euro stieg.
2021 gibt es aber noch ein weiteres Problem: exorbitant
steigende Nahrungsmittelpreise in der zweiten Jahreshälfte. Waren die
Nahrungsmittelpreise in der ersten Jahreshälfte grob um eineinhalb Prozent
gestiegen, so stiegen sie – bisher – in der zweiten Jahreshälfte um grob
viereinhalb Prozent, also dem Dreifachen [29] [30]. Da der Anteil Nahrungsmittel (EVS-Abteilung 01) zu etwa 35% die Regelleistung
bestimmt, ergibt sich Folgendes: Die Inflationsrate bestimmt letztlich die
Regelleistung zu 24,5% (35% x 0,7), die Steigerung der Nahrungsmittelpreise
bedingt einen Regelleistungsanteil von 1,1% (24,5% x 4,5%), was für die zweite
Jahreshälfte 2021 eine Regelleistung von 451 Euro (446 Euro x 1,011) ergibt, so
daß allein schon aufgrund der Steigerung der Nahrungsmittelpreise in der
zweiten Jahreshälfte 2021 die Regelleistung 5 Euro höher hätte ausfallen müssen.
Auch hier gilt: „Ergibt sich eine offensichtliche und
erhebliche Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei
der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der
Preise für regelbedarfsrelevante Güter, muss der Gesetzgeber zeitnah darauf
reagieren. ... Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt
auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der
Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen
warten.“ [31]
Die Behauptung der Bundesregierung sowie die Verbreitung
dieser Behauptung durch die veröffentlichten Medien, Ursache sei die
Wiedergeltung der Umsatzsteuer („Mehrwertsteuer“), welche 2020 teilweise ausgesetzt wurde,
ist nicht stichhaltig, da dann nämlich die (Nahrungsmittel-)Preise schon Anfang
2021 hätten entsprechend ansteigen müssen und nicht erst ab Juli 2021 [48].
Letzteres spielt aber für die Festlegung der Regelleistung 2022 eine wichtige
Rolle, da wie unter „Vorbemerkung I“ dargestellt, die Regelleistung 2022 aus
der Preissteigerung Juli 2020 bis Juni 2021 berechnet wird (!).
Hinzu kommt, daß der Gesamtindex 2018-2020 nur um 2,0%
stieg, während der Index für Nahrungsmittel (EVS-Abteilung 01) um 3,7% stieg.
Real wurde aber die EVS-Abteilung 01 gegenüber 2020 quasi gar nicht erhöht,
gegenüber 2018 um 4,28%, also jene 0,57% mehr in 2,57% gegenüber dem
Gesamtindex der Verbraucherpreisinflationierung.
Beispiel Waschmaschine (EVS-Abteilung 05)
Daß Bundesverfassungsgericht hatte ja bereits festgestellt,
daß sich bei der sog. Weißen Ware eine Unterdeckung ergeben könnte, weil dort „lediglich
ein Wert von unter 3 € berücksichtigt“ sei [13].
Hieran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl die
BVerfG-Entscheidung die Regelleistung ab 2011 (EVS 2008) betraf.
Auch 2021 sind in der Regelleistung nur – mit statistisch
nicht verwertbaren Werten (!) – 2,45 Euro (EVS-Positionen 0531 200 und 0531
901) enthalten. Selbst hochgerechnet gemäß § 7 Abs. 2 RBEG mit dem Faktor 1,0257
ergibt sich nur ein Wert von 2,51 Euro, weniger als bei der
Regelleistung 2017 mit 2,69 Euro (!).
Die nachfolgende preisliche Darstellung aus dem Jahre 2017
ist auch noch 2021 gültig.
Ich mußte mich 2017 schlau fragen, weil meine 22 Jahre alte
MIELE-Waschmaschine kaputt gegangen war. Diese hatte 1995 2100,- DM, also
1074,- Euro gekostet. Vergleichbar gute Qualität kostete 2017 mindestens 1059,-
Euro (bei einem Elektronik-Discounter) bis unter 1500,- Euro.
Billig-Waschmaschinen kosteten 2017 etwa 275,- / 319,- Euro für eine
GORENJE-Waschmaschine, 339,- Euro für eine AEG-Waschmaschine oder 349,- bis
399,- Euro für eine BEKO-Waschmaschine. Ich habe 2017 eine BEKO-Waschmaschine
für 328,- Euro bekommen.
Eine Überprüfung am 8. September 2021 bei einem
Elektro-Discounter und einem großen Versandhaus ergab Preise für eine
Waschmaschine im unteren Preissegment zwischen 319,- Euro und 489,- Euro
(Typen: AEG, BAUKNECHT, BEKO, BOSCH, GORENJE, SAMSUNG). Diese Preise waren in
allen Fällen herabgesetzt. Es soll an dieser Stelle nicht spekuliert werden, ob
verursacht durch die shut-downs und Jobverluste während der
CoViD-19-Pandemie. Sonst hätten die Preise 2021 zwischen 445,99 Euro und 779,-
Euro betragen, mithin zwischen 40% und 95% mehr als 2017.
Wird jetzt eine Haltbarkeit unterstellt, die MIELE mit 20
Jahren garantiert, dann ergibt das bei 1059,- Euro und 240 Monaten eine Rate
von 4,41 Euro. Meine alte Waschmaschine hatte eine Rate von 4,07 Euro.
Heutzutage wird nur eine zweijährige Garantiezeit gewährt,
die gesetzlich vorgeschrieben ist. Verkäufer bieten z.B. bei einem Zusatzpreis
von 70,- Euro eine 5-Jahre-Garantie an. Gehen wir also mal davon aus, daß so
eine Billigwaschmaschine 5 Jahre hält, dann ergeben sich bei Preisen zwischen
275,- und 399,- Euro Raten von 4,58 Euro bis 6,65 Euro. Meine neue
Waschmaschine hätte eine Rate von 5,47 Euro. Unschwer zu erkennen, daß es
billiger ist, sich eine teure gute Waschmaschine anzuschaffen denn eine
billige.
Bei einer Waschmaschine – „Hartz IV“-Empfängerinnen und
-empfänger dürfen sich nur Billigmodelle leisten – ergibt sich also eine Unterdeckung
in Höhe des Ansparbetrages (100%), der in der Regelleistung hierfür
vorgesehenen ist. Eine entsprechende Kritik des Bundesrates 2016 bereits zur
Regelleistung 2017 [36] wurde von der Bundesregierung abgelehnt [37].
Nebenbeibemerkt: Ich gehe davon aus, daß die Anschaffung
einer gebrauchten Waschmaschine unzumutbar ist, allein schon daraus begründet,
daß für gewöhnlich niemand eine noch funktionierende Waschmaschine aussondert.
Beispiel Busfahrkarte (EVS-Abteilung 07)
In der Regelleistung 2021 sind – hierzu gibt es eine
Sonderauswertung Verkehr – 39,01 Euro berücksichtigt. Hierin enthalten sind
aber auch andere Positionen als der ÖPNV, so daß die Betrachtung hier
eingeschränkt werden soll auf die EVS-Positionen 0731 und 0732 [38].
Die hier aus der EVS 2018 stammende Summe von 23,20 Euro ist
gemäß § 7 Abs. 2 RBEG mit dem Faktor 1,0257 zu multiplizieren, um auf den für
2021 maßgeblichen Wert zu kommen. Dieser beträgt 23,80 Euro.
Eine Monatskarte für den Stadtbus Göttingen für bedürftige
Menschen („BusCard E“) beträgt 26,50 Euro [39].
Daraus folgt ein Defizit von 2,70 Euro oder 11% des
in der Regelleistung hierfür vorgesehenen Betrages.
Es gibt aber bundesweit viele Kommunen, die kein
„Sozialticket“ gewähren; hier kann getrost von einer Unterdeckung in mindestens
des Betrages der Summe aus den EVS-Positionen 0731 und 0732 ausgeggangen
werden. So beträgt die normale Monatskarte in Göttingen („Bürgerkarte“) 53,00
Euro im Vorverkauf seit Januar 2021 [40].
Beispiel Telefon (EVS-Abteilung 08)
In der Regelleistung 2021 sind für
Telekommunikationsdienstleistungen (EVS-Positionen 0830) insgesamt 33,45 Euro
enthalten. Diese sind gemäß § 7 Abs. 2 RBEG hochzurechnen mit dem Faktor 1,0257,
was 34,31 Euro ergibt.
Ich habe eine Flatrate, welche Telefon, Fax und
Internetanschluß sowie die Mietgebühr für den Router abdeckt. Von dieser
Flatrate sind nicht alle Gespräche erfaßt, auf der anderen Seite wird mit
zunehmender Dauer die Mietgebühr für den Router weniger. Insgesamt habe ich
runtergebrochen auf den Kalendermonat in 2018 bis 2020 39-40 Euro ausgegeben;
dies entspricht dem Betrag für eine Flatrate, die zusätzlich Auslandsgespräche
und Verbindungen mit dem Mobilfunknetz umfaßt (39,95 Euro). Der billigste
Mobilfunktarif beträgt bei der Telekom derzeit 39,95 Euro [41].
Daraus ergibt sich eine Unterdeckung von 5-6 Euro
oder 14,5-17,5% des in der Regelleistung vorgesehenen Betrages.
Beispiel Kontogebühren (EVS-Abteilung 12)
In der Regelleistung 2021 sind für
Bankdienstleistungen/Finanzdienstleistungen (EVS-Position 1262 900) 2,48 Euro
vorgesehen. Diese sind gemäß § 7 Abs. 2 RBEG hochzurechnen mit dem Faktor 1,0257,
was 2,54 Euro ergibt.
Die meisten Banken sind dazu übergegangen – die
Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank mißbrauchend – nun selbst beim e-banking
seit Ende 2016 Gebühren zuerheben. Die
„Postbank“ erhebt derzeit für das bisher kostenlose e-banking 1,90 Euro,
für das „analoge“ Basiskonto 4,90 Euro. Hinzu kommen dann noch Extrakosten für
jede einzelne Überweisung. Gerade für Hilfebedürftige, die eine ständige
Kontrolle über Kontoeingänge und Kontoausgänge benötigen, um eine
kostenträchtige Überziehung zu vermeiden, können das kostengünstige
Lastschriftverfahren nicht für alles verwenden.
Ich lehne zudem aus Sicherheitsgründen das e-banking
ab [42]. Das muß auch einem „Hartz IV“-Empfänger, einer „Hartz IV“-Empfängerin bzw.
Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern möglich sein.
Aber selbst wenn dies außer Acht gelassen würde, so bliebe
das – vorallem finanzielle – Problem mit dem für das e-banking nötigen
Equipment, denn mit einem „normalen“ Computer ist das nicht zu bewerkstelligen.
Die Corona-Krise hat mehr als deutlich gemacht, daß hier gerade beim home-schooling
dieser Personenkreis, genauer: deren Kinder, aufgrund des fehlenden
Equipments zusätzlich abgehängt wurde.
Hinzu kommt, daß die neue Zwei-Wege-Authentifizierung
entsprechendes Equipment voraussetzt wie am besten ein zweites Smartphone nur
für das e-banking. Wenn also den Hilfebedürftigen entgegen gehalten
würde, ihr könntet ja e-banking betreiben und somit Kosten umgehen, dann
sollte die Bundesregierung auch gleich erklären, wie dies von monatlich
anzusparenden 2,96 Euro für ein Mobiltelefon (Hardware, EVS-Position 0820 000) und
monatlich anzusparenden 5,76 Euro für einen Computer (Hardware, EVS-Positionen
0913 000, 0931 900) zu bewerkstelligen sein soll.
Und was macht die Zahl der zunehmenden Empfängerinnen und
Empfängern von Grundsicherung im Alter (SGB XII), die vielleicht altersbedingte
Schwierigkeiten mit dem e-banking haben?
Wer also e-banking macht, kann – eventuell – mit dem
Regelleistungsanteil auskommen, die anderen zahlen drauf, in meinem Fall 2,36
bzw. 3,36 Euro oder 93% bzw. 132% des in der Regelleistung 2021
vorgesehenen Betrages. Also müßte auch hier der doppelte Ansparbetrag
drinstehen.
Im Übrigen wird die korrekte statistische Erhebung
angezweifelt, denn es kann nicht sein, daß für Finanzdienstleistungen ein
Betrag in der EVS 2018/Regelleistung 2021 erscheint, welcher „zufällig“ dem
Betrag für ein Konto im e-banking-Verfahren entspricht. Es ist nicht
glaubhaft, daß bei der EVS nur Personen Angaben gemacht haben, welche am e-banking-Verfahren
teilnehmen.
Pandemie bedingter Mehrbedarf
Obwohl im Dezember 2020, als der zweite shut-down in
dem Jahr beschlossen wurde, also im selben Monat wie die endgültige Festlegung
des RBEG, mithin zeitgleich, sich dieses aufgezwungen hätte, wurde dennoch ein
Corona bedingter Mehrbedarf nicht in die Regelleistung 2021 eingestellt. Die
öffentliche Kritik hieran führte offensichtlich zu dem einmaligen
Pandemie-Zuschuß in Höhe von 150,- Euro im Mai 2021 (sogenanntes
Sozialschutz-Paket III: § 70 SGB II, § 144 SGB XII). Ob dies für die
Beschaffung von FFP-2-Masken reicht, sei dahingestellt, jedenfalls reicht es
nicht für die übrigen Mehrkosten. Die enormen Preissteigerungen seit Juli 2021
lassen sich auch nicht dem staatlichen teilweisen Verzicht auf die Umsatzsteuer
(„Mehrwertsteuer“) bis Ende 2020 erklären, da diese dann schon seit Januar zu
einer stärkeren Preissteigerung hätte führen müssen [48]. Auch kann die Nach-shut-down-Preisentwicklung
aufgrund des finanziellen Nachholbedarfs der Wirtschaft derzeit noch gar nicht
abgeschätzt werden.
Die Ausgleichsfunktion der Regelleistung
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fordert, daß der
interne Ausgleich zwischen den einzelnen Positionen der Regelleistung möglich
sein muß [43]: „Der Gesetzgeber kann im Rahmen seiner Ausgestaltungsfreiheit
entscheiden, ob dieser Ausgleich durch zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse
neben dem Regelbedarf erfolgen soll (aa). Er kann auch einen internen Ausgleich
vorsehen, muss aber sicherstellen, dass dafür finanzieller Spielraum vorhanden
ist (bb). Entscheidend ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nur, dass
existenzsichernde Bedarfe insgesamt tatsächlich gedeckt sind.“
Dies bezieht sich selbstverständlich auf die kleinste
Einheit, den Leistungsmonat (z.B. § 41 Abs. 1 SGB II).
Es gibt viele EVS-Positionen, die eine Ansparung erfordern,
und zwar über den sogenannten Ansparbetrag von 16 Prozent der Regelleistung –
2021 entspricht das 71,36 Euro monatlich – hinaus. So muß nicht nur für eine
Waschmaschine monatlich über Jahre angespart werden, sondern schon der ganze
Bereich Schuhe und Bekleidung erfordert eine solche Ansparung. Auch Sehhilfen
werden nicht in der Regelleistung berücksichtigt, andererseits aber von den
Krankenkassen nicht übernommen. Die Regelung im SGB V, wonach die Krankenkassen
nur dann und dann auch nur einen Kostenzuschuß zu den Gläsern leisten gemäß §
33 Abs. 2 Nr. 1 SGB V in den Fällen ICD 10-GM 2017 – etwas salopp ausgedrückt:
wer quasi blind ist und durch die Brille auch nicht sehend wird, weil weniger
als 30% Sehkraft, bekommt eine Sehhilfe bezahlt – ist eine Frechheit.
Auch hier hatte bereits 2016 der Bundesrat angeregt, die
Einmalbeihilfen gemäß § 31 Abs. 1 SGB XII und § 24 Abs. 3 SGB II um die
Sehhilfen zu erweitern [44]. Wie schon bei der sog. Weißen Ware lehnte auch
hier die Bundesregierung eine entsprechende Regelung ab, mit der Begründung: „Eine
Besserstellung der Leistungsberechtigten nach dem SGB II und SGB XII gegenüber
den anderen in der GKV Versicherten mit niedrigem Einkommen ist nicht vertretbar.“
[45]
Dabei gehen ja gerade die Regelungen § 24 Abs. 1 SGB II und
§ 27a Abs. 4 SGB XII davon aus, daß die Regelleistung nicht ausreicht. Deshalb
ist zum Beispiel auch ein Betrag von € 750,- gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II als
zusätzlicher Vermögensfreibetrag vom sofortigen Verbrauch ausgenommen, was etwa
der Ansparung für ein Jahr entspricht, mit negativer Tendenz, da die
Regelleistung jährlich steigt, der Vermögensfreibetrag von € 750,- aber seit
2005 gleichgeblieben ist.
Hinzu kommt ein weiteres, viel gravierenderes Problem: der
Ansparbetrag § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Das heißt,
werden die KdU abgesenkt und wird ein Eilrechtsverfahren geführt, so ist ein
Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) für das Eilrechtsverfahren erst zu bejahen,
wenn der Ansparbetrag aufgebraucht ist. Da werden Schonvermögen (§ 12 Abs. 1
SGB II) und Ansparbetrag zusammen betrachtet. Ist kein Schonvermögen vorhanden,
geht es an den Ansparbetrag.
Damit ist offensichtlich, daß nicht nur der hierfür in der Regelleistung
vorgesehene Ansparbetrag bei weitem nicht ausreichend ist, sondern auch die
Kürzung der Regelleistung – ohnehin dann über einen längeren Zeitraum – über
die Darlehensaufrechnung § 24 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 42a Abs. 2 SGB II gegen
den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.
Nicht umsonst hat das BVerfG eine solche Aufrechnung in solchen Fällen
untersagt: „Fehlt die Möglichkeit entsprechender Auslegung geltenden Rechts,
muss der Gesetzgeber einen Anspruch auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf
schaffen. Auf ein nach § 24 Abs. 1 SGB II mögliches Anschaffungsdarlehen, mit
dem zwingend eine Reduzierung der Fürsorgeleistung um 10 % durch Aufrechnung
nach § 42a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 SGB II ab dem Folgemonat
der Auszahlung verbunden ist, kann nur verwiesen werden, wenn die
Regelbedarfsleistung so hoch bemessen ist, dass entsprechende Spielräume für
Rückzahlungen bestehen.“ [13]
Damit dieser interne Ausgleich möglich ist, muß ersteinmal
das Problem der ausgleichsfähigen und nicht ausgleichsfähigen EVS-Positionen
betrachtet werden:
nicht ausgleichsfähige
EVS-Positionen
Als nicht ausgleichsfähige EVS-Positionen dürfen sicherlich
diejenigen gelten, die Monat für Monat verbraucht werden wie die Positionen für
Nahrungsmittel und Getränke (EVS-Positionen 0110 000, 0120 000),
ÖPNV-Busfahrkarte (EVS-Hauptpositionen 0731, 0732) oder für Kontogebühren
(EVS-Position 1262 900).
Weiter sind nicht ausgleichsfähig diejenigen EVS-Positionen,
die längerfristig angespart werden müssen für die Anschaffung langfristiger,
teurer Güter (z.B. Weiße Ware wie Waschmaschine) (EVS-Positionen 0531 100, 0531
200) oder für Bekleidung und Schuhe (EVS-Positionen 0311-0313, 0321). Hierzu
zählen grob die EVS-Abteilungen 03 (Bekleidung und Schuhe), 05
(Haushaltsgeräte), aber auch 09 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur), welche
Letztere als sozio-kulurelles Existenzminimum besonders stark Streichungen unterworfen
ist.
Nicht ausgleichsfähig sind auch jene EVS-Positionen, die
willkürlich gestrichen wurden wie die für alkoholische Getränke (EVS-Position
0210 000 = € 9,71 abzüglich € 3,21 zusätzlich für Mineralwasser) oder für
Blumensträuße (EVS-Position 0933 901). Hierzu ist anzumerken, daß gerade die
zum sozio-kulturellen Existenzminimumgehörende
Teilhabe am gesellschaftlichen Leben es bedingt, daß bei einem Krankenbesuch
oder zum runden Geburtstag einer Freundin ein Strauß Blumen mitgebracht wird,
daß bei einem Treffen mit Freunden auch mal ein Glas Bier (Norddeutschland),
ein Glas Wein (Süddeutschland) als Beteiligung in der Kneipe oder als Bedienung
in der eigenen Wohnung drinsitzen muß.
Ebenfalls nicht ausgleichsfähig ist die EVS-Position 0942
310 (Gebühren für Rundfunk und Fernsehen), welche zwar wegen der Befreiung von
SGB II- und SGB XII-Haushalten hiervon wegfallen kann und auch gestrichen ist,
damit aber auch nicht als Ausgleichsmasse zur Verfügung steht, zumal diese nur
mit zwei Dritteln des für alle geltenden Monatsbetrages von € 17,50 in die
EVS-Ermittlung Eingang gefunden hat, was ein Fragezeichen hinterläßt.
Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß manche dieser
herausgestrichenen Positionen wie etwa die für Kinderbekleidung und -schuhe
(EVS-Positionen 0312 300, 0321 300) bei der Eckregelleistung (für Erwachsene)
dann bei der Kinder-Regelleistung auftauchen oder wie die EVS-Abteilung 04 als
Unterkunfts- und Heizkosten gemäß § 22 SGB II / § 35 SGB XII gesondert erbracht
werden oder wie die Gebühren für Kabelfernsehen (EVS-Position 0942 330) für den
Fall, daß diese Teil der Miete sind, ebenfalls im Rahmen der Unterkunftskosten
übernommen werden.
ausgleichsfähige
EVS-Positionen
Ausgleichsfähige EVS-Positionen finden sich zunächst ganz
allgemein nur bei den EVS-Positionen, die nicht jeden Monat anfallen oder nicht
in der Höhe. Hier stellt sich aber berechtigt die Frage, wie zum Beispiel eine
Ansparung für die sog. Weiße Ware gelingen soll, wenn dieser Betrag ständig
anderweitig verwendet werden muß.
Werden die EVS-Abteilungen 03 (Bekleidung und Schuhe) und 05
(Haushaltsgeräte) außen vor gelassen, weil sie unerläßlich angespart werden
müssen, so bleiben fast ausschließlich die EVS-Abteilungen 09 (Freizeit,
Unterhaltung und Kultur), 11 (Beherbungs- und Gaststättendienstleistungen)
sowie 12 (andere Waren und Dienstleistungen) für die Ausgleichsfunktion übrig.
Hierbei ist aber Folgendes festzustellen:
Die EVS-Abteilung 11 (Beherbungs- und
Gaststättendienstleistungen) fällt eigentlich unter das sozio-kulturelle Existenzminimum
und könnte nur dann als Ausgleich fungieren, wenn auf soziale Kontakte
verzichtet wird.
Bei der EVS-Abteilung 12 (andere Waren und
Dienstleistungen), zu welcher auch die monatlich anfallenden Kontogebühren
zählen (EVS-Position 1262 900) sind viele Positionen gestrichen [46], so daß,
wenn die EVS-Hauptpositionen 1212 und 1213 (Körperpflege) als notwendiger
Bedarf für jeden Leistungsmonat betrachtet werden, lediglich die
Friseur-Dienstleistungen (EVS-Positionen 1211 101, 1211 200) als Ausgleichsmasse
zur Verfügung stehen, wenn sich jemand aus materieller Not die Haare selbst
schneidet.
Die meisten Streichungen finden innerhalb der EVS-Abteilung
09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) statt, also jener Position, die zentral
für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist. Wer also nicht mehr am
kulturellen Leben teilnimmt, könnte die EVS-Positionen 0951 000 (Bücher), 0952
900 (Zeitungen, Zeitschriften),0954 900
(Schreibwaren), 0941 020 (Musikinstrumente, Hobbykurse), 0911 200(Fernseh- und Videogeräte) als Ausgleichsmasse
„einsparen“.
Hier wird schon deutlich, daß die Bundesregierung die
Regelleistung auf das physische Existenzminimum zusammengekürzt hat, obwohl die
Regelleistung das sozio-kulturelle Existenzminimum sichern soll [47].
Wie sollen also aus der Regelleistung sog. langlebige
Komsumgüter angespart werden können. Es geht einfach nicht. Der auch vom
Bundesverfassungsgericht geforderte mögliche interne Ausgleich innerhalb der
Regelleistung ist perdu.
Fazit:
Die Regelleistung 2021 istevident
unzureichend!
Es gibt nicht nur statistische Probleme bei der Ermittlung
der Regelleistung aus den Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS), wie sie
in Statistische Bundesamt, Berechnung eines regelbedarfsrelevanten
Verbraucherpreisindex für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach SGB
XII, Wirtschaft und Statistik, Dez. 2012, S. 1122-1143 beschrieben sind.
Aber nicht nur die statistische Erhebung hinterläßt Fragen, wie sie am Beispiel
der Kosten für eine Waschmaschine und der Kontogebühren vorstehend beschrieben
wurden. Gerade der politisch gewollte willkürliche Eingriff in die statistische
Ermittlung – selbst gegen positive Akzente des Bundesrates [36] [37] – öffnet
jeglicher Manipulation der Regelleistungshöhe nach unten Tür und Tor.
Gleichzeitig soll mit der Aufrechterhaltung des „Statistikmodells“ gegenüber
der Öffentlichkeit der Anschein mathematisch-statistischer Exaktheit vorgegaukelt
werden, einer Exaktheit, die wie versucht wurde ansatzweise aufzuzeigen schon
auf der statistischen Ebene nicht mehr gegeben ist.
Fußnoten:
[1] Statistische
Bundesamt, Berechnung eines regelbedarfsrelevanten Verbraucherpreisindex für
die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach SGB XII, Wirtschaft und
Statistik, Dez. 2012, S. 1122-1143
[2]
Referentenentwurf vom 14. Juli 2020
[3]
Referentenentwurf vom 17. August
2020
[4] BRatDrs. 486/20, S. 4
[5] BGBl. I, 2020, Nr. 61, S. 2859
[6] § 1 RBSFV 2019, BGBl. I, 2018, Nr. 36, S.
1766
[7] § 1 RBSFV 2020, BGBl. I, 2019, Nr. 36, S.
1452
[8] § 7 Abs. 2 RBEG 2021, BGBl. I, 2020, Nr.
61, S. 2857
[9] DPWV, Stellungnahme, o. Datum [21.
Juli 2020], S. 13 – https://www.der-paritaetische.de/fachinfo/stellungnahmen-und-positionen/paritaetische-stellungnahme-zum-entwurf-eines-regelbedarfsermittlungsgesetzes-2021/
[12] BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010, Az.: 1 BvL 1/09,
3/09, 4/09, Urteilstenor
[13] BVerfG, Beschluß vom 23. Juli 2014, Az.: 1 BvL 10/12, 1
BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rdnr. 116
[14] = [13] Rdnr. 120
[15] anlage-regelbedarfsermittlungsgesetz-mit-Sonderauswertungen-zur-evs-2018.pdf;jsessionid=E8CA686138B7D4F454A8A8D12400C937.pdf
auf der Seite des BMAS https://www.bmas.de/DE/Service/Gesetze/regelbedarfsermittlungsgesetz-2021.html
[16] = [15], ohne Seitenangabe [S. 3]
[17] Warum an dieser Stelle nicht der tatsächliche
Rundfunkbeitrag in Höhe von 17,50 Euro eingetragen ist, sondern nur zwei
Drittel davon, erschließt sich nur, da von dessen Zahlung SGB II und SGB XII
beziehende Personen befreit sind (auf Antrag), weil in die EVS eine höhere Zahl
an Studentinnen und Studenten sowie Menschen mit Behinderung (Merkzeichen RF),
welche Letztere nur ein Drittel des Rundfunkbeitrages bezahlen, in die
Statistik eingegangen sind
[18] Destatis/WZB (Hrsg.), Datenreport 2013, Seite 217
[19] = [12], Rdnr. 171
[20] Bericht über die Höhe des Existenzminimums von
Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2010 (Siebenter Existenzminimumbericht),
Kapitel „Umfang und Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen“, Punkt 4.1.1 zur
Regelleistung 2011 (EVS 2008)
[21] RKI [mit destatis], Gesundheit in Deutschland, Berlin
November 2015, Tabelle 3.8.1., Seite 198
[23] SG Berlin, Vorlagebeschluß vom 25. April 2012, Az.: S
55 AS 29349/11: „Aus dieser Gruppe sind die
Bezieher von Leistungen nach dem BAföG nicht ausgeschieden worden. Dies ist
nach den methodischen Vorgaben des BVerfG unzulässig, weil das BAföG neben
seiner ausbildungsfördernden Funktion eine existenzsichernde Aufgabe zu
erfüllen hat (BSG, Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, RdNr 25). Beide
Funktionen stehen nach der Rechtsprechung des BSG gleichwertig nebeneinander
(BSG ebd). Als existenzsichernde Leistungen mussten sie aber zum Ausschluss der
Empfänger dieser Leistungen aus der Referenzgruppe führen, um die
Bedarfsbestimmung aus einem selbstreferenziellen System heraus zu vermeiden.“ …
„Als monatlichen Höchstbedarf ohne Unterkunftskosten gibt § 13 Abs 1 Nr 2 BAföG
für Studierende an Hochschulen seit der BAföG-Novelle 2010 einen Betrag von 373
EUR vor. Dies scheint zwar dem aktuellen Regelbedarf fast zu entsprechen.
Allerdings enthält dieser Wert in deutlich größerem Umfang einen
ausbildungsbezogenen Bedarf (Semester-/Prüfungsgebühren, Lehrbücher,
Studienmaterial etc). Dieser ausbildungsspezifische Bedarf besteht nach der
Rechtsprechung des BSG in einem Umfang von 20 Prozent der BAföG-Gesamtleistung
(BSG Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, RdNr 30), aktuell 119,40 EUR.
Damit können die BAföG-Leistungen praktisch nicht als existenzsichernd angesehen
werden. Sofern auf die Möglichkeit der Abzweigung des Kindergeldes, das auf die
Leistungshöhe wegen des Freibetrages nach § 23 Abs 1 Nr 1 BAföG nicht
anzurechnen ist, verwiesen wird, ist zu beachten, dass Kindergeld nur bis zum
25. Lebensjahr gewährt wird (§§ 2 Abs 2 Nr 2 BKGG, 62, 63 Abs 1 Nr 1, 32 Abs 4
Nr 2 EStG). Diese Möglichkeit ist einem Großteil der Studierenden, insbesondere
solchen im zweiten Bildungsweg und im Masterstudium daher verschlossen.“Dieser Position hat der Kirchhof-Senat in
seiner Entscheidung vom 23. Juli 2014 nichts Inhaltliches entgegengesetzt: „Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht
gehalten, all diejenigen Haushalte aus der Erfassung auszuschließen, die
Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhielten. Solche
Personen haben an der EVS 2008 ohnehin nur teilgenommen, wenn sie gemäß § 2 Nr.
1 RBEG im Erhebungszeitraum einen eigenen Haushalt führten (BTDrucks 17/3404,
S. 88) und wenn nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 RBEG ein nicht
ausbildungsbedingter Bedarf bestand, der nicht aus eigenen Mitteln gedeckt
werden konnte, denn dann greift ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Im Übrigen ist nicht
ersichtlich, dass die Einbeziehung dieser Haushalte die Höhe des Regelbedarfs
erheblich verzerrt.“ [BVerfG,
Senatsbeschluß vom 23. Juli 2014, Az.: 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13,
Rdnr. 106]
[30] interessanter Weise ab Juli 2021 mit 4,3% statt 1-2% – https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Konjunkturindikatoren/Basisdaten/vpi041j.html
[31] = [13], Rdnr. 144
[32] § 5 Abs. 1 RBEG 2021, BGBl. I, 2020, Nr. 61, S. 2856
[33] Statistisches Bundesamt, WISTA Nr. 2/2018, S. 103-131,
Preisentwicklung 2017
[34]
https://www.swrfernsehen.de/marktcheck/lebensmittelpreise-explorieren-wegen-corona-pandemie-100.html
vom 23. März 2020
[35] Statistisches Bundesamt, corona-vpi-hvpi.pdf vom 10.
Februar 2021
[36] BRatDrs. 541/16 (Beschluß), S. 26: daß „geprüft wird, ob mit Blick auf die Grenzen des
Statistikmodells, aber auch unter Berücksichtigung lebenspraktischer
Erwägungen, die Verbrauchspositionen ‚Weiße Ware’ künftig als gesonderte Leistungen
zu erbringen sind.“
[37] BTDrs. 18/10349, S. 53: „Soweit
der Bundesrat der Auffassung ist, dass der Regelbedarf nicht auskömmlich ist,
um auf die Anschaffung oder Ersatzbeschaffung bestimmter Gebrauchsgüter
anzusparen, beispielsweise für sog. Weiße Ware, hält die Bundesregierung die
bestehenden Möglichkeiten zur Gewährung eines Darlehens zur kurzfristigen
Bedarfsdeckung für ausreichend.“
[38] Verkehrsdienstleistungen Bahn, Bus; Neugliederung
gegenüber EVS 2013
[42] 2007:
„EC-Karten-Betrüger buchen täglich 1000 Euro ab“ [Postbank; Göttinger
Tageblatt, online-Ausgabe vom 22. Juni 2007]; 2007: „Erneuter Betrug am
Automaten“ [Postbank; Göttinger Tageblatt, online-Ausgabe vom 9. Oktober 2007];
„Vom Aufsatz zur High-Tech-Folie“
[http://www.goettinger-tageblatt.de/gt-lokal/280256.html]; 2008: „Göttinger
Postbank-Geldautomat zum dritten Mal innerhalb von 13 Monaten manipuliert“ [HNA
online-Ausgabe vom 31. Juli 2008]; 2008: „Raubzug per Lastschrift - Banken
helfen Kriminellen“ [ARD, „Panorama“ vom 28. August 2008]; 2008: „Daten-Diebe
bei Göttinger Sparkasse“ [http://www.goettinger-tageblatt.de/newsroom/regional/dezentral/goettingenregio/art4264,764310
vom 19. Dezember 2008]; 2010: „Mehr als 3000 Geldautomaten manipuliert“
[http://www.tagesschau.de/inland/datendiebstahl100.html vom 10. Mai 2011];
2011: „Datendiebe in Göttingen: Schon 200 Anzeigen“ [HNA online-Ausgabe vom 13.
November 2011]; 2012: „LKA Hamburg warnt vor manipulierten Kartenterminals“
[heise online vom 18. Dezember 2012 – http://www.heise.de/newsticker/meldung/LKA-Hamburg-warnt-vor-manipulierten-Kartenterminals-1771601.html];
2015: Forscher demontieren App-TANs der Sparkasse“ [heise online vom 23.
Oktober 2015 – http://www.heise.de/newsticker/meldung/Forscher-demontieren-App-TANs-der-Sparkasse-2853492.html];
2016: „Kaspersky: Fast alle Geldautomaten unsicher“ [heise online vom 1. Mai
2016 – http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kaspersky-Fast-alle-Geldautomaten-unsicher-3194773.html];
2017: „Kartendatenklau: Hiesiger Schaden sinkt trotz mehr Skimming“ [heise
online vom 9. Dezember 2017 – http://www.heise.de/newsticker/meldung/Kartendatenklau-Hiesiger-Schaden-sinkt-trotz-mehr-Skimming-3914735.html]
[43] = [13], Rdnr. 115
[44] = [37], S. 5
[45] = [37], S. 35
[46] BTDrs. 19/22750, S. 33
[47] =
[12], Rdnr. 165
Ergänzung 4. Dezember
2021
[48] Zur Erläuterung:
Gemeint ist hier der Vormonat, nicht der Vorjahresmonat. Im Januar 2021 stieg
die allgemeine Inflationsrate gegenüber Dezember 2020, dem letzten Monat der Corona
bedingten Mehrwertsteuerabsenkung, laut Statistischem Bundesamt [https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/02/PD21_057_611.html]
um 0,8%, nicht um 4,5%, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, daß viele
Unternehmen aufgrund der Verluste durch die Corona-shutdowns in 2020 die Mehrwertsteuerabsenkung nicht weitergaben,
sondern als finanziellen Verlustausgleich behielten. Bei den Nahrungsmitteln lag
die Veränderung mit 2,6% bei gut der Hälfte, was daran liegen dürfte, daß die
großen Supermarktketten und Discounter ihre elektronischen Kassen umstellten
und so die Mehrwertsteuerabsenkung an die Kundinnen und Kunden weitergaben. Werden
die Nahrungsmittel, die eigentlich immer steigen, und die exorbitant steigenden
Energiepreise (Gas, Heizöl) ausgenommen, dann ist die Inflationsrate im Januar
2021 gegenüber der Inflationsrate im Dezember 2020 gar nicht gestiegen (0,0%),
unter Hinzurechnung der Nahrungsmittel nur um 0,2%. Damit erklärt die
Mehrwertsteuerabsenkung im 2. Halbjahr 2020 nicht den exorbitanten Anstieg der
Inflationsrate ab Juli 2021.