Vorläufige Bewilligungsbescheide und Klagemöglichkeiten
(29. September 2017)
Vorbemerkung
Die Vorläufigkeit von Bewilligungsbescheiden ist im
SGB II seit Einführung des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches
Sozialgesetzbuch zum 1. August 2016 [1] in § 41a SGB II manifestiert. Diese
war vorher in § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II a.F. geregelt und 2006 eingeführt
worden [2], ab 2011 als § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. [3]. Die Vorläufigkeit
nach § 40 SGB II greift dabei auf die Regelung nach § 338 SGB III a.F./n.F.
zurück.
Offensichtlich bezog sich die Vorläufigkeit sowohl in
der Handhabung durch die „Hartz IV“-Behörden als auch durch die Sozialgerichte
zunächst nur auf Einkommen aus selbständiger Arbeit bzw. sonstigen ungeklärten
Einkommensverhältnissen. Erst mit der Einführung des Neunten Gesetzes zur
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zum 1. August 2016 [1] wird
die Möglichkeit eröffnet, Bewilligungsbescheide mithilfe willkürlicher
KdU-Kürzungen als vorläufig zu titulieren und den Bewilligungszeitraum
gemäß § 41 Abs. 3 SGB II n.F. zu kürzen.
So greift nachfolgend dieser Artikel auf Rechtsprechung des
Bundessozialgerichtes (BSG) aus den Jahren 2011 bis 2015 zurück, die aber Zeiträume
von 2007 bis 2014 betrifft. Soweit bis 2005 zurückliegende Sachverhalte
vorkommen, so unterlagen diese §§ 45, 48 SGB X [4] und nicht § 40 Abs. 1 Nr. 1a
SGB II a.F.
Hieran knüpft sich der hier behandelte Fragenkomplex über
die Zulässigkeit von Klagen gegen vorläufige Entscheidungen an. So
könnte z.B. jemand auf die Idee kommen, daß nur gegen endgültige
Bescheide geklagt werden könne, weil in der Vorläufigkeit ja die
jederzeitige Abänderung noch enthalten ist.
Die Praxis zeigt, daß selbst „Hartz IV“-Behörden „keine
Ahnung“ davon haben, wie sie formal die Bescheide auszugestalten haben. So
findet sich in den nachfolgend genannten BSG-Entscheidungen immer wieder der
Hinweis des BSG, daß die als Änderungsbescheide titulierten Bescheide in
Wirklichkeit endültig die Leistung festsetzen.
Nachfolgend sind die verschiedenen Aspekte des Themas in
Unterteilungen dargestellt.
Klagevoraussetzungen bei vorläufiger
Bescheidung
Pflicht zur vorläufigen Bescheidung
Schon vor der Einführung des Neunten Gesetzes zur Änderung
des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zum 1. August 2016 [1] hat das BSG eine
Pflicht zur vorläufigen Bescheidung gesehen:
„Wie das
Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden hat, ist der Erlass
eines endgültigen Bescheides kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in
denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere
der Einkommenssituation besteht. Dies ist Folge der grundsätzlichen
Verpflichtung der Verwaltung, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig
aufzuklären, um die objektiven Verhältnisse festzustellen (…).“ [5].
Und:
„Der Erlass eines
endgültigen Bescheides ist damit kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in
denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere
der Einkommenssituation besteht. Wenn das zu erwartende Arbeitsentgelt etwa als
Leistungsentlohnung (…) oder als Zeitlohn ohne von vornherein fest vereinbarte
Stundenzahl vertraglich geregelt ist, ist typischerweise der Anwendungsbereich
des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II (seit 1.1.2011 § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II) iVm §
328 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eröffnet. Der Erlass eines
endgültigen Bescheides statt eines vorläufigen Bescheides ist dann von Anfang
an rechtswidrig…“ [6].
Pflicht zur endgültigen Bescheidung
Das, was seit der Einführung des Neunten Gesetzes zur
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zum 1. August 2016 [1] in §
41a Abs. 3 u. 5 SGB II n.F. geregelt ist, nämlich die Pflicht zur endgültigen
Festsetzung der SGB II-Leistungen bzw. bei Untätigkeit der „Hartz IV“-Behörde
deren Verendgültigung qua lege, war zuvor Gegenstand von
BSG-Entscheidungen mit dem Tenor zur Pflicht, die vorläufig bewilligten
SGB II-Leistungen endgültig festzusetzen:
„[H]atte der Beklagte
jedoch anstelle des auf § 48 SGB X gestützten Änderungsbescheids eine
endgültige Bewilligungsentscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm
§ 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen“ [7].
Und:
„Keine Grundlage findet
sie dagegen in den für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei
Änderung der Verhältnisse einschlägigen Bestimmungen von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1
SGB II (…) iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III (…) sowie § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X“ [8].
Aufgepaßt. Nicht der Titel eines Bescheides ist maßgeblich,
sondern das, was mit dem Bescheid geregelt wird:
„Durch diesen hat der
Beklagte ungeachtet der Bezeichnung als ‚Änderungsbescheid’ der Sache nach
gemäß § 40 Abs 2 Nr 1 SGB II (…) iVm § 328 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch
Drittes Buch (SGB III) endgültig über den Leistungsanspruch der Klägerin für
Dezember 2011 entschieden und hierdurch die ursprünglich nur vorläufige
Leistungsbewilligung vom 12.10.2011 ersetzt,…“ [9].
Vorläufiger wie endültiger
Bescheid beklagbar
Vorläufige Bescheide sind wie endgültige
Bescheide beklagbar.
„Die Klage auf endgültige
Leistungen ist im Gegensatz zur Auffassung des LSG gleichwohl nicht unzulässig.
Zwar ist die vorläufige Leistung - wie vom LSG zutreffend ausgeführt - eine
Leistung sui generis und ein aliud gegenüber der endgültigen Leistung (stRspr,
…). Materiell-rechtlich handelt es sich mithin um zwei verschiedene Ansprüche.
Soweit das LSG die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen eine die
vorläufige Bewilligung von Leistungen verfügende Entscheidung der Verwaltung
jedoch in Ermangelung einer Klagebefugnis für unzulässig hält, verkennt es die
Grenzen der Rechtsschutzgewährung gegen vorläufige Entscheidungen. Unabhängig
von der jeweils zutreffenden Klageart ist auch gegen vorläufige Entscheidungen
grundsätzlich gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren.“ … „Der eine vorläufige Leistung bewilligende
Bescheid ist mithin ebenso wie ein solcher über die Bewilligung von endgültigen
Leistungen mit der Begründung anfechtbar, die Verwaltung habe rechtswidrig
gehandelt,…“ … „Die zutreffende Klageart ist dann zu förderst die
Anfechtungsklage (…).“ [10].
„Gleichwohl ist ein auf
endgültige Leistungen gerichtetes Begehren in Gestalt der Leistungsklage nicht
grundsätzlich unzulässig (§ 54 Abs 2 SGG - …) - ein Kläger ist wegen der
Vorläufigkeit der Leistungsbewilligung nicht ausschließlich gehalten, ebenfalls
nur Leistungen in vorläufiger Höhe zu beantragen, wenn die Verwaltung eine
endgültige Leistungsgewährung durch gesonderten Verfügungssatz zumindest
konkludent ablehnt. Die Entscheidung der vorläufigen Bewilligung einer Leistung
ist nach § 328 Abs 1 SGB III eine Ermessensentscheidung, wobei der
Verwaltungsträger einen Entscheidungsfreiraum im Sinne von Entschließungs- und
Auswahlermessen hat (…). Die grundsätzlich richtige Klageart im Falle nicht
gebundener Entscheidungen ist damit zwar die Verpflichtungsklage (…). Sie hält
auch der erkennende Senat für die zutreffende Klageart im Falle der vorläufigen
Bewilligung von Leistungen nach § 328 Abs 1 SGB III, um der Einebnung der
Verschiedenartigkeit der Ansprüche auf endgültige und vorläufige Leistungen
entgegenzuwirken. Geht der Kläger jedoch davon aus, dass die Voraussetzungen
für eine vorläufige Entscheidung nicht vorliegen oder das Ermessen der Behörde
sowohl im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entscheidung selbst,
als auch der Höhe der zu bewilligenden Leistungen auf Null reduziert sei, ist
die Beantragung der Leistung selbst (… kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage) und hilfsweise die Verpflichtung zum Erlass eines neuen
Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig. Die
Verpflichtungsklage ist dann jedoch ggf als ein Minus (Hilfsantrag) in der
Leistungsklage enthalten (…).“ [11]
„Die vom Kläger erhobene
und mit seinem Antrag weiter verfolgte kombinierte Anfechtungs- und
Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 SGG) ist trotz der von dem Beklagten erlassenen
vorläufigen Bewilligung zulässig, weil diese Klageart als Minus eine
Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) einschließt (…).“ [12]
Zum Verständnis:
Mit „Leistungsklage“ ist hiermit die Verpflichtungsklage als
allgemeine Leistungsklage gemeint, nicht die reine Leistungsklage auf einen
bestimmten Betrag oder eine bestimmte Handlungsweise gemäß § 54 Abs. 5 SGG.
Soll nur Klage auf endgültige Bescheidung erhoben werden, dann ist es
eine Verpflichtungsklage, weil dann neben der Aufhebung des vorläufigen
Bescheides (Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG) eine bestimmte
Handlungsweise gefordert wird (eigentlich reine Leistungsklage gemäß § 54 Abs.
5 SGG), aber der unterlassene Verwaltungsakt der endgültigen Bewilligung
(Gegenstand der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 2 SGG) auch die
verwaltungsseitige Prüfung des Gesamtanspruchs (Leistung) auf Rechtmäßigkeit
und Richtigkeit beinhaltet (§ 54 Abs. 4 SGG).
„Im Hinblick auf die
Verpflichtung des Richters nach § 106 Abs 1, § 112 Abs 2 Satz 2 SGG, den
erhobenen Anspruch festzustellen und auf eine entsprechende Antragstellung
hinzuwirken (…), hätte sich das LSG in dieser Hinsicht mit dem klägerischen
Vortrag auseinandersetzen und seinen prozessualen Hinweispflichten nachkommen …
müssen.“ [13]
Leider fabuliert das BSG gerne viel herum statt präzise auf
den Punkt zu kommen entgegen den anderen Bundesgerichten [14], so daß jemand
nach dem Lesen eines BSG-Urteils oft nicht schlauer ist als vorher.
Auch wer nur abtrennbare Verfügungen des vorläufigen
Bewilligungsbescheides beklagen will, was auch nach 2011 weiterhin möglich ist,
kann dies tun, etwa hinsichtlich einer Klage, die nur gegen die bewilligten
Unterkunfts- und Heizkosten gerichtet ist:
„Eine Beschränkung des
Streitgegenstandes auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist bei einer
vorläufigen Bewilligung grundsätzlich zulässig, weil für eine vorläufige
Bewilligung hinsichtlich der Art und Höhe der Leistungen keine anderen Regeln
als für eine endgültige gelten und die Vorläufigkeit sich nicht auf alle
Verwaltungsakte in dem angefochtenen Bescheid beziehen muss (…);…“ [15]
Weiterhin wird auch ein während des Klageverfahrens auf
Antrag des Klägers, der Klägerin an den Sozialleistungsträger auf endgültige
Bescheidung erlassener endgültiger Bescheid gemäß § 96 SGG Gegenstand
des laufenden Klageverfahrens:
„Dass zum Zeitpunkt der
Entscheidung des LSG … und damit gut sechs Jahre nach Ablauf des strittigen
Bewilligungsabschnitts … die Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung
mangels unklarer damaliger Einkommensverhältnisse des Klägers erfüllt sind, mag
zwar möglich sein, bedarf indes schon angesichts der Länge des Zeitablaufs der
Überprüfung und entsprechender Feststellungen.“ [16] „Sind die spezifischen Voraussetzungen für
eine vorläufige Bewilligung nicht erfüllt, liegt kein Grund für eine
gerichtliche Entscheidung über vorläufige Leistungen anstelle einer endgültigen
Klärung des Streits vor. Dies folgt schon aus allgemeinen Gründen der
Prozessökonomie sowie den Interessen der Beteiligten an einer möglichst
baldigen, endgültigen Klärung ihrer Rechtsbeziehung, die auch in § 328 Abs 2
SGB III deutlich wird: Beim Vorliegen der Voraussetzungen kann der Kläger den
Erlass eines endgültigen Bescheides beantragen, der dann nach § 96 SGG
Gegenstand des Verfahrens über den Bescheid wegen der vorläufigen Leistungen
wird (…). Eine vorläufige Bewilligung ist nur eine Zwischenlösung, die auf eine
Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach dem Wegfall der
Voraussetzungen für die Vorläufigkeit angelegt ist (…).“ [17]
Dieses Problem könnte mittlerweile gelöst sein, da seit der Einführung
des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
zum 1. August 2016 [1] gemäß § 41a Abs. 5 SGB II ein vorläufiger
Bescheid nach Ablauf eines Jahres als endgültig festgesetzt gilt, also
ein endgültiger Bescheid fingiert wird. Zur Problematik hinsichtlich
einer Klage siehe nächsten Abschnitt.
Welchen Bescheid
beklagen, den vorläufigen oder
den endgültigen?
Diese Frage muß zunächst jeder Leistungsempfänger, jede
Leistungsempfängerin für sich beantworten. Aus zeitökonomischen Gründen ist
vorzuschlagen, schon den vorläufigen Bescheid mit der kombinierten
Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 u. 4 SGG
(Verpflichtungsklage) zu beklagen.
Grundsätzlich ist es zwar unschädlich, nicht gegen den vorläufigen
Bewilligungsbescheid vorzugehen, sondern erst gegen die endgültige
Festsetzung, angesichts der sozialgerichtlichen Praxis, Hauptsacheverfahren
jahrelang liegenzulassen, gleichzeitig häufig keinen Eilrechtsschutz zu
gewähren, bietet es sich allerdings an, innerhalb der Monatsfrist den
Widerspruchsbescheid zum vorläufigen Bescheid zu beklagen.
Weiterhin ist es seit der Einführung des Neunten Gesetzes
zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zum 1. August 2016 [1]
ratsam, gleich den vorläufigen Bescheid zu beklagen, da sonst aufgrund
der Regelung § 41a Abs. 5 SGB II (Fingierung der endgültigen Festsetzung
nach einem Jahr) ein Problem mit der Klagefrist erwachsen könnte. So ergeben
sich eventuell Probleme hinsichtlich des Zuganges des vorläufigen Bewilligungsbescheides,
also der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes gemäß § 37 SGB X (Zugangsfiktion § 37
Abs. 2 SGB X). Hinzu kommt das Problem, daß jemand sich nach einem Jahr an die
Bekanntgabe des vorläufigen Bescheides erinnern müßte, und zwar zum
richtigen Zeitpunkt.
Ergeht zwischen vorläufigem Bescheid und
Widerspruchsbescheid der endültige Bescheid (Festsetzungsbescheid mit
oder ohne Erstattungsforderung), so wird der endgültige Bescheid gemäß §
86 SGG zwingend Gegenstand des noch zu ergehenden Widerspruchsbescheides.
„Dies steht indes der
Einbeziehung des Bescheids vom 12.12.2013 [endültige Festsetzung, H.M.] in das laufende
Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 25.9.2013 [vorläufiger
Bescheid, H.M.] nicht entgegen. Denn eine Abänderung iS des § 86 SGG ist
auch die Ersetzung eines mit Widerspruch angefochtenen Bescheids - wie hier die
Ersetzung der vorläufigen durch die abschließende Entscheidung über Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II … . Die für das
Widerspruchsverfahren geltende Vorschrift des § 86 SGG ist insoweit in
Entsprechung zu der für das gerichtliche Verfahren geltenden Vorschrift des §
96 Abs 1 SGG dahin auszulegen, dass jene ebenso wie diese nicht nur abändernde,
sondern auch ersetzende Verwaltungsakte in das laufende Verfahren einbezieht.“ [18]
„Vor diesem Hintergrund
ist prägend für die Auslegung des § 86 SGG nicht, ob und ggf wie sich die
Bedeutung der Wörter ‚abändern’ und ‚ersetzen’ voneinander abgrenzen lässt,
sondern dessen Ziel der Verfahrensökonomie: Wird zu der mit einem Widerspruch
angefochtenen Regelung - …- im
laufenden Widerspruchsverfahren eine weitere Regelung getroffen - ob abändernd,
ändernd, anpassend, aufhebend oder ersetzend -, ist im laufenden Widerspruchsverfahren
auch über diese weitere Regelung zu entscheiden, wenn sie die Beschwer nicht
beseitigt. Zu diesem Ziel stände es in Widerspruch, wenn ein gegen eine
vorläufige Entscheidung über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
geführtes Widerspruchsverfahren durch den Erlass der abschließenden
Entscheidung unzulässig würde und ein neues Widerspruchsverfahren gegen die
abschließende Entscheidung über diese Leistungen eingeleitet werden müsste,
obwohl im bereits laufenden Widerspruchsverfahren zwischen denselben
Beteiligten für denselben Zeitraum über den Anspruch auf Leistungen gestritten
wird und das Jobcenter ohne Weiteres alle in diesem Rechtsverhältnis bis zum
Erlass des Widerspruchsbescheids ergangenen Entscheidungen über Leistungen
überprüfen kann und muss (…).“ [19]
Der vorläufige Bescheid ist bei der dann gegen den
Widerspruchsbescheid zu erhebenden Klage nicht mehr Gegenstand des
Klageverfahrens, weil er durch den während des Widerpsruchsverfahrens
ergangenen endgültigen Bescheid ersetzt wurde (§ 39 SGB X).
Ergeht der endgültige Bescheid erst nach dem
Widerpsruchsbescheid zum vorläufigen Bescheid und erst während der
bereits erhobenen Klage, so wird der endgültige Bescheid gemäß § 96 Abs.
1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens anstelle des vorläufigen
Bescheides, da dieser sich durch die endgültige Festsetzung der Leistung
erledigt hat (§ 39 SGB X). Voraussetzung ist einzig und allein, daß die Beschwer,
die der Kläger, die Klägerin geltend macht weiterhin gegeben ist, also der endgültige
Bescheid den Kläger, die Klägerin hinsichtlich des klägerischen Begehrens nicht
oder nicht vollständig befriedigt hat.
„Entgegen der Auffassung
des LSG sind die ausdrücklich als vorläufig bezeichneten Bescheide … nicht mehr
Gegenstand des Rechtsstreits. Sie haben sich mit Erlass der endgültigen Bescheide
… erledigt (vgl § 39 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch <SGB X>). Die zuletzt
genannten Bescheide haben die vorläufigen Bescheide ersetzt, ohne dass es einer
Aufhebung oder Änderung der vorläufigen Entscheidung bedurft hätte (…). Die
endgültigen Bescheide haben die von den Klägern geltend gemachte Beschwer nicht
beseitigt und sind damit nach § 96 SGG Gegenstand des sozialgerichtlichen
Verfahrens geworden (…).“ [20]
Fußnoten:
[1] BRatDrs. 66/16
[2] Diese Regelung taucht seit 2006 auf. Der
Versuch des Autors, nachträglich eine Quelle dafür zu finden via BTDrs.,
BRatDrs., BGBl. und einem Standardkommentar scheiterten bzw. wurden
nach gut einer Stunde abgebrochen. Insoweit in der Kommentierung von Münder
(Hrsg.), SGB II-Kommentar, Nomos-Verlag Angaben gemacht werden, beziehen diese
sich auf § 40 Abs. 2 SGB II und finden sich hierunter auch im Bundesgesetzblatt
wieder. Es wäre zuviel Zeit- und Arbeitsaufwand, die Quellensuche für diesen
Artikel fortzusetzen, zumal dies für das Thema nicht von Belang ist.
[3] BGBl. I, 2011, Nr. 12, Seite 474
[4] vgl. BSG, Urteil vom 21. Juni 2011, Az.:
B 4 AS 21/10 R
[5] BSG, Urteil vom 29. April 2015, Az.: B 14
AS 31/14 R, Rdnr. 19
[6] BSG, Urteil vom 29. November 2012, Az.: B
14 AS 6/12 R, Rdnr. 18
[7] = [5], Rdnr. 11
[8] = [5], Rdnr. 17
[9] BSG, Urteil vom 19. August 2015, Az.: B
14 AS 43/14 R, Rdnr. 9; ebenso: BSG, Urteil vom 5. Juli 2017, Az.: B 14 AS
36/16 R, Rdnr. 14
[10] BSG, Urteil vom 6. April
2011, Az.: B 4 AS 119/10 R, Rdnr. 20
[11] = [10], Rdnr. 21
[12] BSG, Urteil vom 19.
August 2015, Az.: B 14 AS 13/14 R, Rndr. 10
[13] = [11]
[14] Der Autor kann dies
zumindest für den Bundesfinanzhof (BFH), den Bundesgerichtshof (BGH) und das
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) aus eigener Anschauung bestätigen.
[15] = [12], Rdnr. 11
[16] = [12], Rdnr. 17
[17] = [12], Rdnr. 16
[18] BSG, Urteil vom 5. Juli
2017, Az.: B 14 AS 36/16 R, Rdnr. 19
[19] = [18], Rdnr. 21
[20] BSG, Urteil vom 22.
August 2012, Az.: B 14 AS 13/12 R, Rdnr. 12; ebenso: BSG, Urteil vom 10. Mai
2011, Az.: B 4 AS 139/10 R, Rdnr. 13