Herbert Masslau

Entschädigungsrecht oder eine zunehmend durchgeknallte Rechtsprechung (2. Teil)

(13. März 2020)

 

 

Vorbemerkung

Es wird immer schlimmer.

Nachdem mit dem Geschäfts- und Verteilungsplan (GVP) zum 1. Mai 2019 dem 15. LSG-Senat die Zuständigkeit für Entschädigungsklagen genommen und dem 13. LSG-Senat – neben dem 10. LSG-Senat, welcher die Kontraposition zum 15. LSG-Senat vertritt – zugeschlagen worden war und nachdem die bundesweit einmalige absurde Rechtsprechung des 15. LSG-Senats [1] vom Bundessozialgericht (BSG) aufgehoben und zurückverwiesen worden war [2] und der neu zuständige 13. LSG-Senat der für „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger positiven Rechtsprechung des 10. LSG-Senats folgt [3], führt nun der 11. LSG-Senat die menschenverachtende Rechtsprechung des 15. LSG-Senats gegenüber „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfängern fort.

Da die diametral entgegengesetzte Rechtsprechung des 15. und 10. LSG-Senats nun nicht mehr besteht, da der 13. LSG-Senat sich der Rechtsprechung des 10. LSG-Senats angeschlossen hat, so daß „Hartz IV“-Empgängerinnen und -empfänger in Niedersachsen bei ihren Entschädigungsklagen nicht mehr befürchten müssen, daß ihnen die Klagebefugnis (Aktivlegitimation) abgesprochen wird, weil der Entschädigungsanspruch angeblich gemäß § 33 SGB II auf die „Jobcenter“ überginge, versucht nun der 11. LSG-Senat der absurden Rechtsprechung des 15. LSG-Senats dadurch zum Durchbruch zu verhelfen, indem jetzt die zugesprochene Entschädigungsleistung gemäß § 198 GVG als Einkommen auf die SGB II-Leistungen angerechnet werden soll.

Nachfolgend findet also im Gegensatz zum 1. Teil dieses Artikels von 2017 [4] primär eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des 11. LSG-Senats zu aufgrund von Entschädigungsklagen zugesprochenen Entschädigungsleistungen wegen überlanger Verfahrensdauer für „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger statt.

Dabei steht nicht mehr und nicht weniger zur Disposition, ob „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger, die wegen des Existenz sichernden Charakters besonders unter jahrelang vorenthaltenen SGB II-Leistungen leiden als andere Entschädigungssklägerinnen und -kläger, einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen immaterieller Schäden durch überlange Gerichtsverfahren haben und dieses Geld auch behalten dürfen – zusätzlich zu den SGB II-Leistungen.

Diese Problematik betrifft gleichsam das SGB XII.

Von daher darf gespannt auf die BSG-Entscheidung im Revisionsverfahren B 14 AS 16/20 R gewartet werden.

 

Die Rechtsgrundlagen

Von Interesse sind hier § 11a Abs. 2 SGB II (§ 83 Abs. 2 SGB XII) und § 11a Abs. 3 SGB II (§ 83 Abs. 1 SGBXII).

§ 11a Abs. 2 SGB II (§ 83 Abs. 2 SGB XII) bestimmt, daß Entschädigungen für immaterielle Schäden – „wegen eines Schadens, der kein Vermögensschaden ist“ – gemäß § 253 Abs. 2 BGB nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.

Gemäß § 253 Abs. 2 BGB zählen dazu die „Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung“.

Dazu ist wichtig zu wissen, daß z.B. „seelische Grausamkeit“ zur „Körperverletzung“ im Sinne von § 223 StGB zählt.

Bei § 11a Abs. 3 SGB II (§ 83 Abs. 1 SGB XII) geht es um zweckbestimmte Einnahmen. Diese dürfen nur oder nur insoweit als Einkommen berücksichtigt werden, insoweit sie demselben Zweck dienen wie die Leistungen nach dem SGB II (SGB XII).

Näher soll an dieser Stelle nicht darauf eingegangen werden, um dem Nachfolgenden nicht vorzugreifen.

 

LSG Niedersachsen-Bremen, Az.: L 11 AS 1044/18

Nachfolgend wird die Entscheidung LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. November 2019, Az.: L 11 AS 1044/18 besprochen.

Dabei nimmt in dieser Entscheidung die absurde Rechtsauffassung des bis April 2019 für Entschädigungsklagen zuständigen 15. LSG-Senats zum Anspruchsübergang gemäß § 33 SGB II für Entschädigungsleistungen zwar einen großen Raum in der Begründung ein, soll hier aber unter Verweis auf Teil 1 des Artikels [4] nicht weiter betrachtet werden, da es hier um die Anrechnung von Entschädigungsleistungen als Einkommen gemäß § 11 SGB II geht.

zur Vorgeschichte

Die Klägerin erhält eine Rente, die auf ihre SGB II-Leistungen angerechnet wird, ihr zur „Bedarfsgemeinschaft“ gehörender Ehemann zuletzt Leistungen nach dem SGB XII.

Aufgrund einer überlang dauernden Klage vor dem SG Hildesheim, streitig waren Leistungen für Unterkunft (KdU) und Heizung, erhoben die Klägerin und ihr Ehemann Entschädigungsklage wegen überlanger Verfahrensdauer.

Die Klägerin und ihr Ehemann schlossen vor dem 10. LSG-Senat [5] einen Vergleich mit dem beklagten Land Niedersachsen. Hiernach sollten die Klägerin und ihr Ehemann jeweils 2100 Euro Entschädigung wegen immateriellen Schadens erhalten. Die Kosten der Entschädigungsklage trugen die Kläger und das Land Niedersachsen – wie bei Vergleichen üblich – je zur Hälfte.

Das beklagte „Jobcenter“ war beigeladen.

Das „Jobcenter“ bewilligte auf entsprechenden Antrag der Klägerin SGB II-Leistungen für 2017. Aus im August 2017 beim „Jobcenter“ eingegangenen Kontoauszügen der Klägerin ergab sich ein Geldeingang in Höhe von 3000 Euro. Hierzu ist noch anzumerken, daß das Geld aus der Entschädigungsklage zunächst auf das Konto des Rechtsanwalts der Klägerin ging, der dann wohl nach Abzug der Verfahrenskosten für die Klägerin und deren Ehemann die 3000 Euro auf das Konto der Klägerin überwies.

Hieraufhin hob das „Jobcenter“ den Bewilligungsbescheid auf, rechnete das Entschädigungsgeld als Einkommen an und verteilte dies gemäß § 11 Abs. 3 SGG auf sechs Monate. Hiergegen klagte die Klägerin vor dem SG Hildesheim.

SG Hildesheim, Az.: S 37 AS 1530/17

Das SG Hildesheim – hier muß die besondere Rolle der 37. Kammer seit 2016 hervorgehoben werden, welche ja z.B. Klägerinnen die Übernahme von Schulbuchkosten gemäß § 21 Abs. 6 SGB II zugesprochen hat – hob die Bescheide des „Jobcenters“ auf und ließ die Berufung zu.

Die 37. Kammer des SG Hildesheim befand in seinem Urteil ebenfalls, daß die Entschädigung zwar als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II zu werten sei, auch greife die Regelung § 11a Abs. 2 SGB II nicht, aber dieses Einkommen aus Entschädigungszahlungen wegen überlanger Gerichtsverfahren sei gemäß § 11a Abs. 3 SGB II nicht anrechenbar.

Als Begründung laut LSG führte das SG Hildesheim an: „Die aufgrund der öffentlich-rechtlichen Vorschrift des § 198 GVG erbrachten Entschädigungszahlungen dienten dem Zweck der Entschädigung der Betroffenen für den Verlust von Lebensqualität wegen überlanger Verfahrensdauer im Sinne eines immateriellen Schadens.“ [6]

Gegen dieses Urteil des SG Hildesheim legte das beklagte „Jobcenter“ die zugelassene Berufung ein.

Die LSG-Entscheidung

Der 11. LSG-Senat gab in seinem hier besprochenen Urteil dem „Jobcenter“ recht und hob die Entscheidung des SG Hildesheim auf.

Immerhin muß dem 11. LSG-Senat zugute gehalten werden, daß er im Gegensatz zum rechtswidrigen Vorgehen des 15. LSG-Senats (bis April 2019 [7]) die Revision zugelassen hat, weil es noch keine höchstrichterliche Entscheidung hierzu gibt und die Rechtsprechung des 15. und 10. LSG-Senats zu Entschädigungsklagen nicht einheitlich ist [8].

Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, daß der 11. LSG-Senat an dieser Stelle unterschlägt, daß die Auffassung des 15. LSG-Senats durch die Änderung des GVP des LSG Niedersachsen-Bremen [7] und der Übereinstimmung der Rechtsauffassungen des neu zuständigen 13. LSG-Senats und des 10. LSG-Senats wie auch der Aufhebung von Urteilen des 15. LSG-Senats durch das BSG und deren Zurückverweisung [2] nicht mehr zu halten waren.

Laut 11. LSG-Senat hätte das „Jobcenter“ die Entschädigungsleistung zu recht gemäß § 11 Abs. 1 SGB II als Einkommen angerechnet und gemäß § 11 Abs. 3 SGB II auf mehrere Monate verteilt. Auch sei die Entschädigungszahlung nicht gemäß § 11a SGB II von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen.

– § 11a Abs. 2 SGB II i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB

Nach Rechtsauffassung des 11. LSG-Senats handelt es sich bei der Entschädigung wegen überlanger Gerichtsverfahren nicht um Schmerzensgeld im Sinne von § 11a Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 253 Abs. 2 BGB, „[d]enn sie wird nicht wegen einer Verletzung eines der in § 253 Abs 2 BGB abschließend aufgeführten Rechtsgüter Körper, Gesundheit, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung gewährt“ [9]. Grundlage der Entschädigung nach § 198 GVG sei vielmehr eine Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs aus Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG [9]. Bei den in § 253 Abs. 2 BGB aufgeführten Fällen handele es sich um eine abschließende Aufzählung, die auch keiner Analogie zugänglich sei [10]. Hierbei bezieht sich der 11. LSG-Senat wiederum auf eine Entscheidung des 15. LSG-Senats [11], wobei er durch den BSG-Zusatz [12] den Eindruck zu erwecken sucht, als sei dies durch das BSG bestätigt worden. Bei dem betreffenden BSG-Beschluß [13] handelt es sich allerdings um ein reines Prozeßurteil und keine in der Sache ergangenen Entscheidung. Wie das BSG detailliert darlegt, haben die (dortigen) Kläger im Rahmen ihrer Nichtzulassungsbeschwerde sich nicht im Sinne der Klärungsfähigkeit und Klärungsbedürftigkeit mit BSG-Entscheidungen zum Entschädigungsrecht und mit den Vorschriften §§ 11 und 33 SGB II ordnungsgemäß auseinandergesetzt [14].Aus der BSG-Entscheidung läßt sich also nichts herleiten, was die Rechtsauffassung des 11. LSG-Senats stützen würde. Gleichwohl erweckt der 11. LSG-Senat den gegenteiligen Eindruck durch bloße Erwähnung dieser BSG-Entscheidung, ohne zu erwähnen, daß der besagte BSG-Beschluß in der Sache nichts hergibt, sondern lediglich im Sinne eines reinen Prozeßurteils die Nichtzulassungsbeschwerde wegen formaler Mängel als unzulässig abweist.

Der 11. LSG-Senat hat es aber auch unterlassen, sich mit der sich aufdrängenden Frage auseinanderzusetzen, ob nicht § 253 Abs. 2 BGB doch anwendbar wäre, da ja schließlich „seelische Grausamkeit“ strafrechtlich unter den Begriff der „Körperverletzung“ fällt (§ 223 StGB). Oder sollen bei rechtswidrig vorenthaltenen KdU etwa die Unbill, also die Rechtsverletzung durch den Rechtsstaat, welche zudem mit unzureichenden, die Existenz sichern sollenden Leistungen verbunden ist, sowie die Angst vor einem möglichen Wohnungsverlust und drohender Obdachlosigkeit keine „seelische Grausamkeit“ darstellen?

Hierzu wird auch die Frage gehören, wieso Geldleistungen wegen einer Benachteiligung bei der Einstellung durch einen Arbeitgeber gemäß § 15 Abs. 2 AGG gemäß der Fachlichen Weisungen der Bundesanstalt für Arbeit (Nr. 11.82 zu § 253 Abs. 2 BGB) anrechnungsfrei sind, hingegen die Gefährdung des Existenzminimums durch überlange Gerichtsverfahren nicht. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Entschädigung gemäß § 844 Abs. 3 BGB für das zugefügte seelische Leid bei Tötung. Das seelische Leid Alleinerziehender, denen rechtswidrig ihnen zustehende KdU vom „Jobcenter“ vorenthalten werden und deren nachträgliche Zusprechung die Sozialgerichte jahrelang verschleppen, sollen im Angesicht der Angst um die eigenen Kinder kein „seelisches Leid“ darstellen?

– § 11a Abs. 3 SGB II

Entgegen der Auffassung des SG Hildesheim sei die Entschädigung gemäß § 198 GVG keine nach § 11a Abs. 3 SGB II zweckgebundene Leistung [15].

An einem ausdrücklichen Zweck fehle es dann, „wenn der Einkommensbezieher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert ist, die Leistungen zur Deckung von Bedarfen nach dem SGB II einzusetzen“ [16].

Zur Begründung wird die Angleichungsabsicht des Gesetzgebers bezüglich SGB II und SGB XII angeführt und diesbezüglich auf eine ältere BSG-Entscheidung [17] zur Sozialhilfe (SGB XII) verwiesen. Dabei mißversteht der 11. LSG-Senat – wie nicht anders zu erwarten – die Entscheidung des 8. BSG-Senats. Zum Einen ging es in der besagten Entscheidung um die Anrechnung von Ausbildungsgeld als Einkommen gemäß § 82 SGB XII, zum Anderen handelte es sich beim Ausschluß der Anwendbarkeit von § 83 SGB XII (zweckbestimmte Einnahme) um eine allgemeine Äußerung des BSG, die keine tiefere Begründung für die Auseinandersetzung mit der hier im Raume stehenden Rechtsfrage hergibt: „Daher ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob in den öffentlich-rechtlichen Vorschriften - ggf aber auch in dem Bescheid, der die Leistung bewilligt, oder auch nur in der Gesetzesbegründung - ein über die Sicherung des Lebensunterhalts hinausgehender Zweck der Leistung ausdrücklich genannt ist“ [17].

In § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG heißt es: „Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat.“ Hierbei geht es also um die seelische Belastung, die mit einem überlangen Gerichtsverfahren verbunden ist. Mir ist nicht bekannt, daß das SGB II oder das SGB XII hierfür entweder in der Regelleistung oder im Bereich zusätzlicher Leistungen einen Geldbetrag vorsehen.

Die Gegenposition zu seiner Rechtsauffassung hätte der 11. LSG-Senat übrigens bei einer Entscheidung des 10. LSG-Senats finden können [18]. Zumindest hätte es zu einer seriösen Rechtsprechung gehört, sich seitens des 11. LSG-Senats mit dieser bereits 2 ½ Jahre alten Rechtsprechung des 10. LSG-Senats auseianderzusetzen: „Der von dem Gesetzgeber gewollte Zweck der Entschädigungsleistungen nach § 198 Abs. 3 iVm Abs. 2 GVG unterscheidet sich deutlich von dem Zweck der Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II“ [19]. Zweck der Entschädigungsleistung sei es, „dem in seinen Rechten Verletzten durch das Zurverfügungstellen von Geld die Möglichkeit zu eröffnen, durch die Verwendung des Geldes seine Lebensqualität wieder zu steigern und damit den Mangel möglichst auszugleichen. Eine derartige Steigerung der Lebensqualität durch solches Geld ist nur dadurch möglich, dass es für solche Dinge oder Dienstleistungen verwendet wird, die an sich nicht oder jedenfalls nicht in dieser Menge oder in dieser Qualität zur normalen Lebensgestaltung des Verletzten gehören.“ [20]

Zwar verweist der 11. LSG-Senat auf die anderslautende Rechtsprechung des 10. LSG-Senats ganz allgemein [21] hält aber die Rechtsauffassung des 15. LSG-Senats [11] und eine Entscheidung des Sächsischen LSG [22] für „überzeugender“ [21].

Der 11. LSG-Senat führt zwar selbst an: „Zu diesen Nachteilen gehören nach der Gesetzesbegründung auch sämtliche immateriellen Folgen eines überlangen Verfahrens. Als Beispiele sind genannt neben der ‚seelischen Unbill’ körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen oder im Sorgerechtsstreit die Entfremdung eines Kindes vom Elternteil“ [23], zieht hieraus aber keinerlei Konsequenzen: „Eine ausdrückliche Zweckbestimmung, also eine Bestimmung, dass die Leistung final ‚zu etwas’ geleistet wird (...), enthält aber die Gesetzesbegründung dagegen ebenso wenig wie das Gesetz. Die Klägerin ist frei darin, wofür sie den Geldbetrag einsetzt.“ [24]

Und dann kommt noch der Hammer:

Die Klägerin hatte dem beklagten „Jobcenter“ den Zufluß der Entschädigungszahlung „nicht unverzüglich oder auch nur zeitnah mitgeteilt“ [25], weshalb sie sich auch nicht gemäß § 45 Abs. 2 SGB X auf Vertrauensschutz berufen könne. „Dem kann die Klägerin nicht entgegenhalten, dass sie nicht wusste oder wissen konnte, dass die Entschädigung als Einkommen anzurechnen war. Denn von der Klägerin wird keine rechtliche Bewertung erwartet, sondern eine bloße Mitteilung von Tatsachen“ [26].Und noch dreister: „Die Klägerin kann dem auch nicht entgegenhalten, der Beklagte habe – infolge der Beiladung zum Verfahren L 10 SF 7/16 EK AS – von der Entschädigungszahlung gewusst und daher sei ihre fehlende Mitteilung nicht ursächlich geworden. Denn auch wenn der Beklagte eine Abschrift des den Vergleich feststellenden Beschlusses erhalten hat, wusste er nicht, wann und in welcher Höhe (nach Abzug der Prozesskosten) der Klägerin der ihr zustehende Anteil zufließen würde.“ [27] So als gäbe es keine Pflicht des beklagten „Jobcenters“, in Kenntnis der Tatsache des Zuspruchs von Entschädigungsleistungen, bei der Klägerin anzufragen, ob die Zahlung inzwischen erfolgt sei.

Dies spielt allerdings keine Rolle, wenn Entschädigungsleistungen kein Einkommen sind und nicht auf SGB II/SGB XII-Leistungen angerechnet werden.

 

Schlußbemerkung:

Das Ergebnis des Revisionsverfahrens vor dem BSG dürfte spannend werden, entscheidet das BSG doch über nicht mehr und nicht weniger als darüber, ob derjenige Personenkreis, welcher am meisten unter der Verfahrensverzögerung zu leiden hat, überhaupt den Ausgleich hierfür behalten darf als Ausgleich für die „seelische Unbill“ vorenthaltener existenzsichernder Leistungen. Über die gerade in Niedersachsen häufigen Entschädigungsklagen hatte ich schon 2014 an anderer Stelle geschrieben [28]. Das gerade hinsichtlich des Entschädigungsrechts „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger benachteiligt werden sollten – Sozialrassismus läßt grüßen –, steht außer Zweifel.

 

 

Fußnoten:

  [1] z.B. Urteil vom 22. September 2016, Az.: L 15 SF 21/15 EK AS; Urteil vom 27. April 2017, Az.: L 15 SF 18/16 EK AS

  [2] BSG, Az.: B 10 ÜG 9/13 R, B 10 ÜG 11/13 R; „Die auf § 198 GVG gestützte Entschädigungsklage ist zulässig“: BSG, Az.: B 10 ÜG 3/16 R, Rdnr. 12; zum 15. LSG-Senat (Az.: L 15 SF 4/12 EK AS): BSG, Az.: B 10 ÜG 8/13 R mit Aufhebung und Zurückverweisung

  [3] Beschluß vom 24. Juli 2019, Az.: L 13/15 SF 12/17 EK (AS)

  [4] http://www.HerbertMasslau.de/entschaedigungsrecht.html

  [5] LSG Niedersachsen-Bremen, Az.: L 10 SF 7/16 EK AS

  [6] LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 26. November 2019, Az.: L 11 AS 1044/18, Rdnr. 9

  [7] Anlage 1 (Sachliche Zuständigkeit der Senate) zum GVP vom 1. Mai 2019

  [8] = [6], Rdnr. 45; dazu: BVerfG, Kammerbeschluß vom 4. Juli 2017, Az.: 2 BvR 2157/15, Rdnr. 16: „Grundsätzliche Bedeutung … kommt einer Sache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden oder die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (…).“ – Zur Revisionszulassungspflicht bei unterschiedlichen obergerichtlichen Entscheidungen zum selben Sachverhalt: BVerfG, Kammerbeschluß vom 7. September 2015, Az.: 1 BvR 1863/12 (Verletzung des Rechts aus Art. 101 Abs. 1 GG).

  [9] = [6], Rdnr. 30

[10] = [6], Rdnr. 31

[11] LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27. April 2017, Az.: L 15 SF 18/16 EK AS

[12] „nachfolgend: Beschluss des BSG vom 12. Oktober 2017 - B 10 ÜG 13/17 B“ – = [10]

[13] BSG, Beschluß vom 12. Oktober 2017, Az.: B 10 ÜG 13/17 B

[14] = [13], Rdnr. 5

[15] = [6], Rdnrn. 32 ff.

[16] = [6], Rdnr. 32

[17] BSG, Urteil vom 23. März 2010, Az.: B 8 SO 17/09 R, Rdnr. 24

[18] LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. März 2017, Az.: L 10 SF 35/16 EK AS, Rdnrn. 20-22

[19] = [18], Rdnr. 22

[20] = [18], Rdnr. 21

[21] = [6], Rdnr. 33 zu LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10. August 2017, Az.: L 10 SF 10/17 EK U

[22] Sächsisches LSG, Urteil vom 29. März 2017, Az.: L 11 SF 17/16 EK

[23] = [6], Rdnr. 34

[24] = [6], Rdnr. 35

[25] = [6], Rdnr. 41

[26] = [6], Rdnr. 42

[27] = [6], Rdnr. 43

[28] http://www.HerbertMasslau.de/entschaedigungsklagen.html (dort unter „Statistik des Entschädigungsrechts“)

 

 

 

URL: http://www.HerbertMasslau.de/entschaedigung-2.html

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