Herbert Masslau

Kritik an der KdU-Fortschreibung von „Analyse&Konzepte“ für 2015 für Göttingen

(22. Dezember 2014)

 

 

Vorbemerkung

Für das Nachfolgende ist meine Kritik am A&K-Gutachten 2013 [http://www.herbertmasslau.de/kritik-a-k-gutachten.html] vorausgesetzt.

Der Einfachheit halber habe ich nachfolgend meine Kritik am A&K-Fortschreibungsgutachten für Göttingen so übernommen, wie ich sie als Anlage in meine eigenen „Hartz IV“-Klagen einbringe.

 

 

Kritik am A&K-Gutachten

(Die Seitenangaben in den eckigen Klammern beziehen sich auf die Seiten des A&K-Gutachtens)

 

Das A&K-Gutachten – Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen für die Kosten der Unterkunft im Landkreis Göttingen (Stand Februar 2013) – der „Analyse&Konzepte“, Hamburg, im Auftrag des Landkreises Göttingen erstellt, welches der gemäß §§ 6, 6a SGB II zuständige LK Göttingen für die Ermittlung der KdU-„Angemessenheitsgrenze“ gemäß § 22 SGB II ist, war schon nicht als  Grundlage für die Bestimmung der „angemessenen“ KdU verwertbar. Hierzu hat der Autor dieser Zeilen bereits im Mai 2013 eine 14-seitige Kritik verfaßt.

Nun liegt die Fortschreibung jenes A&K-Gutachtens – KdU-Richtwerte 2014. Indexfortschreibung des schlüssigen Konzepts 2012 (Stand November 2014) – vor.

Die bereits in der Kritik vom Mai 2013 dargestellte Nichtanwendbarkeit des A&K-Gutachtens setzt sich zunächst dem Grunde nach fort, da die Fortschreibung auf dem Gutachten von 2013 basiert. Die Differenz der Jahreszahlen resultiert daraus, daß für das Ausgangsgutachten die Daten 2012 erhoben wurden, das Gutachten selber aber erst Februar 2013 herausgegeben wurde. Die Daten für das Fortschreibungs- gutachten stammen vom Juni 2014, also demselben Jahr wie dem der Herausgabe.


1.

Tab. 13 [S. 17] weist z.B. für einen 2-Personen-Haushalt in Göttingen (Stadt) eine Bruttokaltmiete von neu € 402,00 aus. Wird von Tab. 2 [S. 6] ausgegangen, so ergibt sich als Nettokaltmiete ein Quadratmeterpreis von € 7,00. Dieser zugrunde gelegt, ergäbe eine Nettokaltmiete bei zulässigen max. 60 m² Wohnfläche für 2 Prsonen von € 420,00. Hierzu die „kalten“ Betriebskosten, also ohne Heizung und Warmwasser, in Höhe von neu € 1,46 aus Tab. 7 [S. 9], also bei 60 m² € 87,60,  addiert, ergibt eine Bruttokaltmiete von € 507,60, einen mithin um über 100 Euro je Monat höheren KdU-Wert.

Welches „Schwarze Loch“ zwischen Tab. 2 und Tab. 7 den Reduktionssog beim Quadratmeterpreis bewirkt hat, geht aus der A&K-Fortschreibung nicht hervor. Wissenschaftliches Arbeiten ist halt nicht jedermanns und -fraus Sache. Es könnte auch von einem Gefälligkeitsgutachten gesprochen werden.

Zunächst ist nichts dagegen einzuwenden, wenn eine Überprüfung des bisherigen Konzeptes nach zwei Jahren analog der Regelung für qualifizierte Mietspiegel (§ 558d Abs. 2 Satz 1 BGB) erfolgt. Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, wenn eine Indexfortschreibung vorgenommen wird. Allerdings, wenn dies geschieht, so sollte im Gegensatz zur A&K-Fortschreibung eine Indexfortschreibung anhand des Verbraucherpreisindices erfolgen, und dort anhand des viel höheren Mietpreisindices als anhand der allgemeinen Inflationsrate.

Nun hat „Analyse&Konzepte“ als Basis einerseits die Daten der sechsmonatigen Beobachtung der Angebotsmieten der weiteren Berechnung zugrunde gelegt. Grund hierfür ist nach Auffassung von A&K, daß die Neuvertragsmieten nicht den Angebotsmieten entsprechen [S. 3]. „Da aber Neuvertragsmieten nur im Rahmen einer Bestandsmietenerhebung ermittelbar sind, können ohne eine entsprechende umfangreiche Neuerhebung keine Neuvertragsmieten als bessere Alternative ver-wendet werden.“ [S. 4]

Andererseits – was sie für die Nettokaltmiete verschweigen, hingegen für die „kalten“ Betriebskosten zugeben [S. 4/5, Tab. 1] – wurde die Fortschreibung anhand der Verbraucherpreisindices für Niedersachsen von Juni 2012 und Juni 2014 vorgenommen.

Was dann geschieht, entzieht sich dem Verstand:

Gemäß Tab. 7, Seite 9 erhöht sich z.B. für einen 2-Personen-Haushalt der Quadratmeterpreis bei der Nettokaltmiete von € 4,64 (2012) auf € 5,24 (2014). Bei zulässigen max. 60 m² Wohnfläche wäre dies ein Differenzbetrag von (€ 5,24 x 60 = € 314,40 ./. € 4,64 x 60 = € 278,40 =) € 36,00. Wie bei zusätzlich gestiegenen „kalten“ Betriebskosten, nämlich von € 1,44/m² auf € 1,46/m², mithin bei max. 60 m² um einen weiteren Euro [(€ 1,46 x 60 = € 87,60 ./. € 1,44 x 60 = € 86,40 =) € 1,00], bei also einer Differenz von insgesamt € 37,00 die „angemessene“ Bruttokaltmiete [Tab. 13, S. 17] nur von € 381,- auf € 402,-, mithin um nur € 21,- steigt, ist nicht schlüssig.

Als Erklärungsversuch bietet A&K [Tab. 12 , S. 14] den fehlenden Sicherheitsaufschlag von 10 Prozent an, der für die 2013er KdU-Werte zugrunde gelegt wurde.

Danach hätte 2012 die Bruttokaltmiete nur € 364,80 statt der tatsächlichen € 381,00 betragen, mithin € 16,20 weniger. Werden dann von den o.g. € 37,- Differenz 2012/2014 € 16,- abgezogen, so ergeben sich jene € 21,-, die die Differenz zwischen den KdU bruttokalt von 2014 zu 2012 darstellen.

Das heißt aber auch, daß für 2014 kein Sicherheitsaufschlag mehr gewährt wurde! Dies stellt eindeutig einen Paradigmenwechsel zum Ausgangsgutachten dar, ohne daß dieser Paradigmenwechsel irgendwo im Fortschreibungsgutachten begründet wird. Allein aus diesem Grunde ist das Fortschreibungsgutachten von A&K rechtswidrig und damit für die Bestimmung der „Angemessenheitsgrenze“ der KdU nicht geeignet.

Hinzu kommen noch weitere Ereignisse:

– Der Immobilienreport 2014 von „ImmobilienScout24“, veröffentlicht am 29. Oktober 2014 [http://www.immobilienscout24.de/content/dam/is24/documents/anbieten/gewerbliche-anbieter/is24-immobilienreport-2014.pdf], weist die Stadt Göttingen mit einer Mietpreissteigerung 2009-2014 von 27,7 % aus und damit Platz 5 der stärksten Mietpreissteigerungen in Deutschland und einem Durchschnittspreis von € 7,17/m².

– Laut „Göttinger Tageblatt“, online-Ausgabe vom 3. Dezember 2014 [http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/Uebersicht/Mieten-in-Goettingen-steigen-weiter], haben Studenten eines Forschungsseminars am Geographischen Institut der Uni Göttingen die Mietpreisentwicklung 2013-2014 beobachtet und kamen dabei auf eine durchschnittliche Kaltmiete, also Nettokaltmiete, von € 8,01/m² (2013) bzw. € 8,88/m² (2014). Die unterste Kategorie ist dabei die Preisgruppe € 5,25 bis € 7,00 je m², also oberhalb der € 5,24/m², welche die A&K-Fortschreibung zugrunde legt. Hinzu kommt, daß die niedrigste Mietpreiskategorie im Stadtkerngebiet nur zu finden ist in den Stadtteilen Grone und Holtensen, also dort, wo ohnehin schon die Hälfte aller „Hartz IV“-Empfänger und -empfängerinnen wohnen.

Werden diese beiden Untersuchungen mit der A&K-Fortschreibung in Verbindung gesetzt, dann ergibt sich Folgendes:

Der Wert für die Angebotsmieten von € 7,00/m² für die Nettokaltmiete [Tab. 2, S. 6] entspricht in etwa dem derzeitigen Durchschnittswert laut „ImmobilienScout24“. Da allerdings nach der Untersuchung der Studentengruppe von der Uni Göttingen die teuersten Mietwohnungen im Uni-Nordbereich, im Stadtteil Weende und im Innenstadtbereich liegen, ist vorstellbar, daß ein Großteil dieser Wohnungen „unter der Hand“ weggeht, d.h. die Vermieter von den bisherigen Studenten als Nachmieter neue Studenten benannt bekommen oder über „Schwarze Bretter“ die Wohnungen angeboten werden, nicht aber über den regulären Wohnungsmarkt, so daß der Wert aus der Portalauswertung von „ImmobilienScout24“ zu niedrig ausfallen dürfte.

Dies wiederum läßt vermuten, daß sich „Analyse&Konzepte“ bei der Ermittlung der Angebotsmieten de facto vorwiegend auf den „Hartz IV“-Wohnungsmarkt konzentriert hat, dies auch, weil in Zeitungsannoncen fast nur noch Wohnungen der unteren Preisklassen angeboten werden. Somit dürfte Zirkelschluß vorliegen, der rechtlich nicht erlaubt ist.

Hinzu kommt insbesondere in der Stadt Göttingen, daß die Bruttokaltmieten für städtische Notunterkünfte mit € 9,30/m² – bei Zentralheizung; € 6,00/m² bei Ofenheizung, welche nach Bundessozialgericht [BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az.: B 14 AS 2/10 R, Rdnr. 24] nicht zulässig ist – immer noch erheblich über den Werten auch der A&K-Fortschreibung liegen und, vorallem (!), gar kein ausreichender Wohnraum vorhanden ist, welcher zudem von den Vermietern noch lieber an Studenten als an „Hartz IV“-Empfänger vermietet wird.

Zu diesem nicht ausreichenden Wohnungsangebot hat sich Kreisrat Marcel Riethig, welcher der SPD angehört und gerade Karriere beim Grundsicherungsträger Landkreis Göttingen macht [http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/ Themen/Adventskalender/Tageblatt-Adventskalender-Marcel-Riethig-oeffnet-Tuer-Nummer-24], laut Protokoll vom 22. Oktober 2014 vor dem Sozial- und Gesundheitsausschuß des LK Göttingen wie folgt geäußert:

„Herr Riethig … weist darauf hin, dass es bei der Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze nicht entscheidend ist, ob tatsächlich verfügbarer Wohnraum vorhanden ist.“ [a.a.O., TOP 10, Sachstandsbericht zur Umsetzung des schlüssigen Konzepts für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten im SGB II und SGB XII].

Hierzu das Bundessozialgericht:

„Abschließend ist zu prüfen, ob der Hilfesuchende eine solchermaßen abstrakt angemessene Wohnung auch tatsächlich hätte anmieten können, ob also eine konkrete Unterkunftsalternative bestanden hat. Diese Prüfung haben weder die Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.“ [BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 73/08 R, Rdnr. 21]

Die Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise der Optionskommune Göttingen mithilfe von A&K-Gutachten ist offensichtlich.

Schließlich kommt eine Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen hinzu, die sich speziell auf die Stadt Göttingen bezieht:

„Maßgeblicher Vergleichsraum ist aufgrund seiner Infrastruktur allein das Stadtgebiet K. [i.e. Stadt Göttingen, H.M.] ohne Berücksichtigung von angrenzenden Gemeinden,… .“ … „Das Stadtgebiet K. hat einen eigenständigen von den angrenzenden Gemeinden zu unterscheidenden Charakter schon durch eine die Stadt prägende universitäre Struktur. Allein der Umstand, dass angrenzende Gemeinden über Busverbindungen zu  erreichen sind, rechtfertigt daher nicht, einen weiteren Vergleichsraum zu ziehen.“ [LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. April 2014, Az.: L 7 AS 330/13, S. 12 UA]

Da durch die ebenfalls der Wohngeldverordnung [WoGV; BGBl. I, Nr. 59, S. 2503 f.] widersprechenden Ausdehnung des Vergleichsraums auf die Umlandgemeinden Bovenden und Rosdorf schon das A&K-Gutachten 2013 die KdU-Werte für Göttingen (Stadt) um durchschnittlich 10 Prozent abgesenkt hat, wären auf den für Göttingen (Stadt) o.g. KdU-Wert von € 507,60 bruttokalt noch 10 % draufzuschlagen, was etwa einen KdU-Wert für die Bruttokaltmiete von € 560,- ergäbe. Weiter käme wegen des in der A&K-Fortschreibung  gegenüber dem A&K-Gutachten fehlenden Sicherheitsaufschlages von 10 Prozent nochmals 10 % hinzu, so daß für einen 2-Personen-Haushalt eine Bruttokaltmiete von ca. € 615,- noch als „angemessen“ anzusehen ist.


2.

Die Fortschreibung der „kalten“ Betriebskosten begründet „Analyse&Konzepte“ wie folgt: „Um dennoch die Entwicklung bei den kalten Betriebskosten berechnen zu können, erfolgt eine Aktualisierung der kalten Betriebskosten auf der Basis der durchschnittlichen Entwicklung in Niedersachsen. Als Subindex für den Verbraucherpreisindex wird dieser vom statistischen Landesamt Niedersachsen monatlich berechnet.“ [S. 4]

Grund für diese Vorgehensweise ist die uneinheitliche Darstellung bei den Angebotsmieten [S. 4].

Nach Tab. 1, Seite 5 ergibt sich eine Steigerungsrate von 1,27 % von 2012 auf 2014 bei den „kalten“ Betriebskosten.

Schon in meiner Kritik am Ausgangsgutachten (Februar 2013) hatte ich zu den „kalten“ Betriebskosten angemerkt:

„Zwar übernimmt das A&K-Gutachten zugunsten der Leistungsempfänger die Daten des Landkreises Göttingen [S. 26], allerdings handelt es sich hierbei a) nur um Werte aus dem Rechtskreis SGB II/SGB XII, so daß ein Zirkelschluß vorliegt, b) abweichend von der sonstigen Erhebung um den Mittelwert und c) sind die Daten nicht den einzelnen Vergleichsräumen zugeordnet, sondern über den gesamten Landkreis Göttingen erfaßt, was mit der Erhebung und Zuordnung der Kaltmieten-Daten nicht korreliert. Eine solche Vorgehensweise ist wissenschaftlich nicht zulässig, da so Daten aus den Vergleichsräumen mit Daten des gesamten Kreisgebietes vermengt werden, was insbesondere beim Vergleichsraum I mit der Stadt Göttingen zu einer weiteren Senkung der Bruttokaltmiete führt, zusätzlich zu deren Absenkung für Göttingen (Stadt) duch den Einbezug von Rosdorf und Bovenden, die einer anderen Mietenstufe nach WoGV angehören.“

Wenn nun diese bereits falschen und rechtswidrigen Ausgangsdaten mit einem Index multipliziert werden, dann kommt wieder nur ein falscher, rechtswidriger Wert heraus.

Weiteren Vortrags hierzu bedarf es nicht.


Göttingen, im Dezember 2014                                           Herbert Masslau

 


 

URL: http://www.HerbertMasslau.de/

Copyright Herbert Masslau 2014. Frei zum nicht-kommerziellen Gebrauch.

 

Top