Das unterhaltsrechtliche
Kindergeld im SGB II / SGB XII-Bezug
(15. Februar 2017 / überarb. F. 22. März 2019)
Vorbemerkung
Das hier behandelte Thema des unterhaltsrechtlichen
Kindergeldes beschäftigt immer noch
die Sozialgerichte, auch wenn Glauben gemacht wird, durch die Neuregelung 2008
seinun eine Angleichung von
Unterhaltsrecht (BGB) und Sozialrecht (SGB II, SGB XII) erfolgt.
Hintergrund der unterhaltsrechtlichen Änderung war und ist,
daß durch das Unterhaltsrecht die Regelungen von § 11 Abs. 1 SGB II und § 82
Abs. 1 SGB XII, wonach abweichend von der Einkommenszuordnung beim
kindergeldberechtigten Elternteil das Kindergeld solange und soweit dem
betreffenden Kind zugeordnet werden soll, insoweit es zur Deckung des
sozialhilferechtlichen Bedarfs des Kindes nötig ist, nicht konterkarriert werden sollten.
Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung hat § 64 EStG
(immer schon) bestimmt, daß das Kindergeld nur an einen
Kindergeldberechtigten ausgezahlt wird (Abs. 1), und zwar an denjenigen – in
der Regel – Elternteil, bei dem das Kind im Haushalt lebt (Abs. 2).
Da spätestens mit der Entscheidung BGH, Urteil vom 26.
Oktober 2005, Az.: XII ZR 34/03 klar war, daß bei minderjährigen Kindern und
getrennt lebenden Eltern das Kindergeld dem Betreuungsunterhalt und dem
Barunterhalt leistenden Elternteil jeweils zur Hälfte bzw. bei volljährigen
Kindern ganz dem barunterhaltspflichtigen Elternteil zuzurechnen ist, ergab
sich das Problem des Widerspruchs zwischen zivilem Unterhaltsrecht und der vom
Gesetzgeber gewollten Zuordnung im Sozialrecht.
Denn, der zivilrechtliche Zahlbetrag beim Unterhaltsrecht
(„Düsseldorfer Tabelle“) ist ja schon – der Einfachheit halber sei hier und
nachfolgend nur vom hälftigen Kindergeldbetrag für minderjährige Kinder die
Rede – um den hälftigen Kindergeldbetrag gekürzt, so daß Betroffene zurecht
geltend machten, daß dieser Teil des Kindergeldes in jedem Falle dem Kind
zustehe, also im Falle ganz oder teilweise bedarfsdeckender
Unterhaltsleistungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils nicht als
Einkommen des betreuungsunterhaltspflichtigen („Hartz IV“-)Elternteils
angerechnet werden dürfte.
Obwohl die Sozialgerichte nicht auf diesen Zug aufsprangen,
wurde offensichtlich bei der Bundesregierung das eigentliche Rechtsproblem
erkannt und Handlungsbedarf gesehen.
Die Folge war die Gesetzesänderung des § 1612b BGB zum 1.
Januar 2008.
Diese Gesetzesänderung fand statt, um – zulasten der
Betroffenen, auch der betroffenen Kinder, denen bis heute das hälftige
Kindergeld nicht z.B. zur Ergänzung der viel zu niedrigen Schulbeihilfe zur
Verfügung steht – einen Gleichklang herzustellen zwischen dem Sozialrecht und
dem zivilen Unterhaltsrecht [1].
Merkwürdiger Weise bleibt aber das Grundproblem weiterhin
bestehen, weshalb wohl von den Grundsicherungsträgern immer gerne auf eine
BVerfG-Entscheidung abgehoben wird, die mit dem Problem gar nichts zu tun hat.
Die BVerfG-Entscheidung 1 BvR 3163/09 vom 11. März 2010 ist nicht auf den
vorliegenden Fall anwendbar. Beschwerdeführer war seinerzeit ein Kind, bei dem
nicht nur gemäß § 11 SGB II das Kindergeld in voller Höhe auf das Sozialgeld
angerechnet wurde, sondern auch anteilig Einkommen der Eltern. Hieraus ergibt
sich, daß die Eltern zusammen mit dem Kind in Haushaltsgemeinschaft lebten und
eben kein Fall von getrenntem Betreuungs- und Barunterhalt vorlag. Im Übrigen
wird hier nicht die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen grundlegend
angezweifelt wie in dem Fall der genannten BVerfG-Entscheidung.
Das hier dargestellte Problem geht weiter. Doch dazu weiter
unten.
Gesetzesänderung § 1612b BGB zum 1.1.2008
Zum 1. Januar 2008 erhielt der hier relevante § 1612b BGB
eine neue Fassung.
Lautete dieser Paragraph bis dahin (Auszug)
„Absatz 1 Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur
Hälfte anzurechnen, wenn an den barunterhaltspflichtigen Elternteil Kindergeld
nicht ausgezahlt wird, weil ein anderer vorrangig berechtigt ist
…
Absatz 5 Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt,
soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135
Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten.“
so erhielt er nun die Fassung (Auszug)
„Absatz 1 Das auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur
Deckung seines Barbedarfs zu verwenden:
1. zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine
Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2);
2. in allen anderen Fällen in voller Höhe.
…“
Damit sollte die insbesondere durch die Entscheidung BGH,
Urteil vom 26. Oktober 2005, Az.: XII ZR 34/03 verschärfte Rechtsproblematik
entschärft und die Sache zulasten der von sozialhilferechtlichen Leistungen
Abhängigen zu einer Angleichung des zivilen Unterhaltsrechtes an das bereits
bestehende Sozialhilferecht (SGB II, SGB XII) angepaßt werden.
Für nicht sozialhilferechtlich Betroffene ändert sich
faktisch nichts. Das heißt das Kindergeld wird weiterhin in voller Höhe an den
die Betreuungsleistung erbringenden Elternteil ausgezahlt (§§ 62, 64 EStG), während
der barunterhaltspflichtige Elternteil weiterhin bei minderjährigen Kindern das
hälftige, bei volljährigen Kindern das volle Kindergeld vom Bruttounterhalt
abgezogen bekommt und nur den so geminderten Geldbetrag als Barunterhalt zu
leisten braucht.
Die Rechtsprechung von Bundesgerichtshof (BGH) und Bundessozialgericht (BSG)
Trotz der erfolgten Gesetzesänderung besteht das
Rechtsproblem unterhaltsrechtliches Kindergeld fort.
„Denn die Angleichung der unterhaltsrechtlichen
Behandlung des Kindergeldes an die sozialrechtliche vermag die grundsätzliche
kindergeldrechtliche Zuordnung nach § 62 EStG nicht außer Kraft zu setzen“ [2].
Es ging dabei darum, daß das LSG wie schon das SG es ablehnte, das hälftige
Kindergeld dem aufgrund eigenen Unterhaltseinkommens nicht hilfebedürftigen
minderjährigen Kind zuzurechnen statt dem hilfebedürftigen Elternteil.
Einen zusätzlichen Rechtsaspekt brachte dabei das LSG
Nordrhein-Westfalen ein, wo es darum ging, daß das Kindergeld nach der
Gesetzesneufassung nun grundsätzlich Einkommen des Kindes sein sollte, so die
Klägerin, und nicht Einkommen des kindergeldberechtigten Elternteils:
„Eine
einschränkende Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass das Kindergeld
grundsätzlich nicht als Einkommen des Kindergeldberechtigten, sondern im
Hinblick auf die Bestimmung § 1612b BGB als Einkommen des Kindes aufzufassen
ist, ist nicht etwa im Hinblick auf eine bestehende Regelungslücke geboten (LSG
Thüringen, Beschluss vom 04.07.2013 - L 9 AS 395/10). Zwar hat der Gesetzgeber
den Kindern durch die Vorschrift des § 1612b BGB das Kindergeld
familienrechtlich bindend und unabhängig vom Außenverhältnis zwischen den
Bezugsberechtigten und der Familienkasse zugewiesen (vgl. hierzu BVerfG
Beschluss vom 14.07.2011 - 1 BvR 932/10). Diese unterhaltsrechtliche Zuweisung
kann ein Kind ggf. auf verschiedenen Wegen (u.a. Antrag auf Abzweigung nach §
74 EStG oder Geltendmachung eines Auskehranspruchs - BGH Urteil vom 26.10.2005
- XII ZR 34/03) durchsetzen. Das Kindergeld hat der Klägerin vorliegend jedoch
als bereites Mittel zur Verfügung gestanden, da dieses von der Familienkasse
nicht an ihren Sohn abgezweigt, sondern an sie ausgezahlt worden ist.
Entscheidend ist nicht, ob die Voraussetzungen für eine Abzweigung nach § 74
EStG vorgelegen haben, sondern ob eine solche beantragt und durchgeführt worden
ist.“ [3]
Die Trickserei an dieser Stelle besteht in der Problematik
des „Bedarfs des Kindes“.
Deshalb sei angemerkt, daß der Schulbedarf der Kinder bei
weitem nicht vom BuT (§ 28 SGB II bzw. § 6b BKGG i.V.m. § 28 SGB II, § 34 SGB
XII) gedeckt wird; allein die Schulbeihilfe gemäß § 28 Abs. 3 SGB II beträgt
nur die Hälfte des realistischen Bedarfs. Auch wenn ab 1. August 2019 nach zehn Jahren (!) die
Schulbeihilfe von 100 Euro je Kind und Schuljahr auf dann 150 Euro erhöht wird,
ändert dies nicht an der realen Unterdeckung.
Auf den bestehenden Widerspruch zwischen unterhaltsrechtlichen Kindergeld und sozialrechtlichem Kindergeld verwies ein
anderer Senat des LSG NRW:
„Anders als die
Gesetzesbegründung zur Änderung von § 1612 b BGB dies nahelegt (vgl.
BT-Drucksache 16/1830, S 29), erfolgte damit keine befriedigende Harmonisierung
des Unterhaltsrechts mit dem Sozialrecht. Zwar sieht auch das SGB II eine
Bedarfsdeckung beim Kind durch das Kindergeld vor, wenn es in § 11 Abs. 1 S. 3
SGB II anordnet, dass das Kindergeld als Einkommen des Kindes zu
berücksichtigen ist, soweit es zur Bedarfsdeckung erforderlich ist. Jedoch
nimmt das SGB II genau in den Fällen, in denen ein Teil des Kindergeldes gerade
nicht für die Bedarfsdeckung des Kindes erforderlich ist, eine andere Wertung
vor. Dann zwingt es im Ergebnis den mit dem Kind zusammen lebenden Elternteil
als Elterngeldbezieher dazu, das nach der Grundkonzeption für die Bedürfnisse
des Kindes zu verwendende Kindergeld für seinen eigenen Lebensunterhalt zu
verbrauchen. Hier weicht die unterhaltsrechtliche Regelung mit seiner Annahme,
dass das Kindergeld i.H.v. 92 EUR den Bedürfnissen des Kindes zugutekommt, von
der Regelung im SGB II deutlich erkennbar ab.“ [4]
In diesem Falle kam es nicht zu einer höchstrichterlichen
Entscheidung am 30. März 2017, da das BSG im Verfahren B 14 AS 11/16 R aus
verfahrensrechtlichen Gründen ein Anerkenntnis angeregt hatte, welches das
zuständige „Jobcenter“ abgab. Dies war nach dem 23. März 2010, wo es aufgrund
eines außergerichtlichen Vergleichs nicht mehr zu einer Entscheidung im
Verfahren B 14 AS 3/08 R kam, das zweite Mal, daß es keine Entscheidung in der
Sache gab.
Wie problematisch die Sache rechtlich ist, wird auch durch
eine vom BGH aufgehobene Entscheidung des OLG Köln deutlich:
„Nach Auffassung des
Oberlandesgerichts ist das Kindergeld nicht als Einkommen der Antragsgegnerin
zu berücksichtigen. Zwar habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass
Kindergeld, das die um Prozesskostenhilfe nachsuchende Partei beziehe, als
deren Einkommen zu berücksichtigen sei, soweit es nicht zur Bestreitung des
notwendigen Lebensunterhalts eines minderjährigen Kindes zu verwenden sei. Eine
Anrechnung des Kindergelds als Einkommen des Elternteils verbiete aber nunmehr
§ 1612 b BGB in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung. Mit der Neuregelung
habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass das Kind einen Anspruch auf
die Auszahlung des Kindergelds oder die Erbringung entsprechender
Naturalleistungen gegen den Elternteil habe, der das Kindergeld ausgezahlt
erhalte. Damit wäre es unvereinbar, das Kindergeld im Rahmen der
Verfahrenskostenhilfe ganz oder anteilig als Einkommen der antragstellenden
Partei zu berücksichtigen und sie auf diese Weise dazu zu zwingen, das
Kindergeld wider die vom Gesetzgeber getroffene Zweckbestimmung nicht für das
Kind, sondern zur Deckung der eigenen Ver-fahrenskosten zu verwenden.“ [5]
Gleichwohl haben mittlerweile der BGH für die
sozialhilfegleiche Prozeßkostenhilfe wie auch das BSG für das SGB II anders
entschieden.
Da die Prozeßkostenhilfe § 115 Abs. 1 ZPO sich an § 82 Abs. 1
SGB XII anlehnt [6], kann daß zur Prozeßkostenhilfe (PKH) Gesagte auch auf die
Sozialhilfe (SGB XII) übertragen werden. Der BGH:
„Das Sozialhilferecht
bzw. das Prozesskostenhilferecht einerseits und das Unterhaltsrecht
andererseits folgen unterschiedlichen Regeln (Senatsbeschluss vom 26. Januar
2005 XII ZB 234/03 ...). Die Zweckbindung in § 1612 b Abs. 1 BGB kann mithin
nicht dazu führen, eine ausdrückliche sozialhilferechtliche bzw.
prozesskostenhilferechtliche Regelung der Bedarfs- und Einkommensermittlung,
wie sie in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 b ZPO und § 82 Abs. 1 Satz 3 SGB XII
bezüglich des Bedarfs des Kindes und des Kindergelds vom Gesetzgeber getroffen
worden ist, durch eine abweichende familienrechtliche Wertung zu ersetzen.“ [7]
In die gleiche Kerbe schlägt nun auch das BSG.
Auch wenn die aktuelle Entscheidung BSG, Urteil vom 21. März
2019, Az.: B 14 AS 42/17 R, in der es genau um die hier behandelte Problematik
des unterhaltsrechtlichen Kindergeldes
ging, noch nicht schriftlich vorliegt, so nimmt der Terminsbericht Bezug auf
eine Entscheidung vom 14. Juni 2018 im Verfahren B 14 AS 37/17 R, wo es
eigentlich um das sog. Kinderwohngeld ging. Obwohl das BSG in dieser
Entscheidung feststellt:
„Danach soll das Kindergeld dem betreuenden und dem
barunterhaltspflichtigen Elternteil entsprechend dem Grundsatz der
Gleichwertigkeit von Betreuungs- und Barunterhalt nach § 1606 Abs 3 Satz 2 BGB
jeweils zur Hälfte zu Gute kommen. Demgemäß soll der betreuende Elternteil mit
der einen Hälfte des Kindergelds bei der Erbringung seiner Betreuungsleistung
unterstützt und die andere Hälfte von ihm für den Barunterhalt des Kindes
verwandt werden (vgl BT-Drucks 16/1830 S 30). Insoweit soll die Wendung ‚Das
auf das Kind entfallende Kindergeld ist zur Deckung seines Barbedarfs zu
verwenden ...’ (§ 1612b Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 BGB) zum Ausdruck bringen, dass
das Kind Anspruch auf die Auszahlung des Kindergelds oder die Erbringung
entsprechender Naturalleistungen gegenüber demjenigen hat, der das Kindergeld
ausgezahlt erhält (vgl BT-Drucks 16/1830 S 30).“ [8]
„Anders als vom Gesetzgeber vorausgesetzt ist dem
betreuenden Elternteil eine vollständige Verwendung des hälftigen Kindergelds
für den Barunterhalt des Kindes nicht möglich, wenn das Kind - wie hier - wegen
seiner weiteren Einnahmen weniger als die Hälfte des Kindergelds zur Deckung
seines Bedarfs benötigt und der bezugsberechtigte Elternteil deshalb zur
Deckung seines eigenen Lebensunterhalts auf einen Kindergeldanteil verwiesen
ist, der nach der unterhaltsrechtlichen Konzeption für den Barbedarf des Kindes
eingesetzt werden soll (kritisch insoweit auch etwa LSG Nordrhein-Westfalen vom
12.11.2015 - L 6 AS 415/14 - ...).“
[9 – Hervorh. H.M.]
„Solange der Gesetzgeber unter Wahrung der
verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Existenzsicherung im Rahmen seiner
Gestaltungsfreiheit für solche Fälle grundsicherungsrechtlich gleichwohl an der
allgemeinen Zuordnungsregelung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II festhält, kann dies
im Wege gerichtlicher Auslegung indessen nicht korrigiert werden (ebenso BGH
vom 14.12.2016 - XII ZB 207/15 - ...). Im Übrigen kann nach der
Rechtsprechung des BGH aus § 1612b BGB in bestimmten Fällen ebenso ein
Auskehrungsanspruch des Kindes folgen (BGH vom 14.12.2016 - XII ZB 207/15 - ...)
wie nach § 74 Abs 1 EStG ein Anspruch auf Auszahlung des für ein Kind
festgesetzten Kindergelds bestehen kann (...).“ [10 – Hervorh. H.M.]
Weder das BSG noch der BGH haben sich in ihren
Entscheidungen mit verfassungsrechtlichen Argumenten auseinander gesetzt. Daß
im Sozialrecht das Kindergeld solange und in solchem Umfange zur Deckung des
Bedarfs des Kindes einzusetzen ist wie nötig, auch um Hilfebedürftigkeit im
Sinne von SGB II und SGB XII zu vermeiden, ist eine Banalität, die der
rechtlichen Problematik hinsichtlich des unterhaltsrechtlichen
Kindergeldes in keiner Weise gerecht wird.
Die verfassungsrechtliche Problematik bleibt damit weiterhin
offen.
Also, auch wenn die Grundsicherungsträger und die weit
überwiegende Mehrheit der Sozialgerichte die Rechtsfrage des unterhaltsrechtlichen
Kindergeldes als gelöst – in Wirklichkeit als nie problematisierte –
ansehen, so ist sie eben doch noch nicht gelöst. Denn, der Gesetzgeber hat mit
der Rechtsänderung 2008 zwar dem barunterhaltspflichtigen Elternteil das Recht auf das
hälftige Kindergeld entzogen, was allerdings faktisch bezüglich der
Abziehbarkeit vom Unterhaltsbetrag keinerlei Auswirkungen hat, damit ist aber
weiterhin nicht die Rechtsfrage geklärt, ob das hälftige Kindergeld, welches
der betreuende Elternteil erhält, nun „sein“ Einkommen ist oder doch das des
Kindes.
Das Bundesverfassungsgericht
„Der Grundsatz der Gleichwertigkeit des Betreuungs- und
Barunterhalts nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB sollte in der Neufassung des §
1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB Ausdruck finden. Werde ein minderjähriges Kind
von einem Elternteil betreut, bedeute dies für den anderen Elternteil, dass der
Barunterhaltsbedarf seines Kindes nur um das halbe Kindergeld gemindert werde.
In diesem Umfange habe der betreuende Elternteil das regelmäßig an ihn
ausgezahlte Kindergeld für den Barunterhalt des Kindes zu verwenden. Die andere
Hälfte des Kindergeldes wiederum unterstütze ihn bei der Erbringung seiner
Betreuungsleistung (vgl. BTDrucks 16/1830, S. 30).“ [11]
„Mit der Neufassung des § 1612b BGB wollte der
Gesetzgeber zudem die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur
bedarfsdeckenden Anrechnung von Kindergeld beim Volljährigenunterhalt auf die
Kindergeldanrechnung bei minderjährigen Kindern übertragen. Der
Bundesgerichtshof hatte festgestellt, dass Kindergeld zum Einkommen
volljähriger Kinder zähle und diese daher gegen ihre Eltern einen
unterhaltsrechtlichen Anspruch auf Auskehr des Kindergeldes oder auf
Verrechnung mit erbrachten Naturalleistungen hätten (…).“ [12]
„An dieser Zuweisung hat der Gesetzgeber anlässlich der
Unterhaltsrechtsreform von 2007 nicht festgehalten. Im Rahmen seiner
Gesetzgebungskompetenz hat er § 1612b BGB neu ausgestaltet und einen
Systemwechsel bei der Zuweisung des Kindergeldes vollzogen. In § 1612b BGB n.F.
hat der Gesetzgeber das Kindergeld nicht mehr den Eltern, sondern den Kindern
selbst als deren eigenes Einkommen familienrechtlich bindend und unabhängig vom
Außenverhältnis zwischen dem Bezugsberechtigten und der Familienkasse
zugewiesen (vgl. BTDrucks 16/1830, S. 29 f.). Kindergeld wird zwar nach wie vor
den Eltern zur Auszahlung gebracht und soll diese auch nach wie vor bei der
Erfüllung ihrer jeweiligen Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind entlasten. Doch
haben Eltern das Kindergeld nach § 1612b BGB n.F. alsEinkommen des
Kindes zu verwenden und für das Kind einzusetzen. Da das Kindergeld beide
Elternteile, also den barunterhaltspflichtigen ebenso wie den betreuenden
Elternteil entlasten soll, ist es jeweils zur Hälfte für den Bar- und den
Betreuungsunterhalt des Kindes zu verwenden (vgl. BTDrucks 16/1830, S. 30).“
[13 – Hervorh. H.M.]
„Nach § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. ist Kindergeld zur
Hälfte auf den Barunterhaltsbedarf des Kindes anzurechnen, wenn es vom anderen
Elternteil betreut wird. Damit hat der Gesetzgeber den Eltern in diesem Falle
das Kindergeld zu gleichen Teilen zugewiesen. Allerdings hat er beide
Elternteile verpflichtet, das Kindergeld als Einkommen des Kindes zu behandeln
und es in voller Höhe für das Kind einzusetzen. In den Gesetzesmaterialien
ist unmissverständlich die Vorstellung zum Ausdruck gebracht, dass der
betreuende Elternteil den an ihn von der Familienkasse ausgezahlten, auf den
barunterhaltspflichtigen Elternteil entfallenden Kindergeldanteil
vollumfänglich für den Barunterhalt des Kindes zu verwenden hat, während
der ihm zugewiesene Kindergeldanteil ihn bei der Erbringung der
Betreuungsleistung unterstützen soll (vgl. BTDrucks 16/1830, S. 30). … Danach
ist die frühere Bestimmung des Kindergeldes entfallen, nach der es den Eltern
für deren eigene Zwecke zugute kam.“ [14 – Hervorh. H.M.]
Klarer kann es doch nicht ausgedrückt werden: das unterhaltsrechtliche
Kindergeld gehört dem Kind!
Fazit:
Weder inhaltlich noch rechtlich ist die Begrifflichkeit des unterhaltsrechtlichen Kindergeldes zu
einem rein „sozial(hilfe)rechtlichen“ mutiert.
Für die Betroffenen – vorwiegend Alleinerziehende und ihre
Kinder mit Bezug zu den Sozialleistungssystemen SGB II und SGB XII – ist die
Frage nach dem rechtmäßigen Umgang mit dem unterhaltsrechtlichen Kindergeld
nachwievor aktuell.
[Fußnoten; Quellen:]
[1] BTDrs.
16/1830, S. 29
[2] Sächsisches
Landessozialgericht, Urteil vom 27. Oktober 2016, Az.: L 8 AS 1512/13]
[3] LSG NRW,
Urteil vom 24. Februar 2014, Az.: L 19 AS 2286/13
[4] LSG NRW,
Urteil vom 12. November 2015, Az.: L 6 AS 415/14, Rdnr. 25
[5] BGH, Beschluß vom 14. Dezember 2016, Az.: XII ZB
207/15, Rdnr. 4
[6] BGH, a.a.O.,
Rdnr. 7
[7] BGH, a.a.O.,
Rdnr. 12
[8] BSG, Urteil vom
14. Juni 2018, Az.: B 14 AS 37/17 R, Rdnr. 31
[9] BSG, a.a.O.,
Rdnr. 33
[10] BSG, a.a.O., Rdnr. 34
[11] BVerfG,
Beschluß vom 14. Juli 2011, Az.: 1 BvR 932/10, Rdnr. 20