Herbert Masslau

Warmwasser-Abzug bei „Hartz IV“ verfassungswidrig!

(5. Februar 2011)

 

 

Die Rechtsfrage der Zulässigkeit des Warmwasser-Abzugs von den Heizkosten wegen angeblicher Doppelleistung, weil die Kosten für Warmwasserbereitung bereits in der Regelleistung enthalten sein sollen, ist mit der BVerfG-Entscheidung 1 BvL 1/09 u.A. vom 9. Februar 2010 gegen den bisherigen Warmwasser-Abzug entschieden.

Die Grundsatzentscheidung des BSG in dieser Frage (Urteil vom 27. Februar 2008, Az.: B 14/11b AS 15/07 R) ist damit nicht mehr relevant.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung 1 BvL 1/09 u.A. gefordert:

„Das Bundesverfassungsgericht prüft deshalb, ob der Gesetzgeber das Ziel, ein menschenwürdiges Dasein zu sichern, in einer Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gerecht werdenden Weise erfasst und umschrieben hat, ob er im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ein zur Bemessung des Existenzminimums im Grundsatz taugliches Berechnungsverfahren gewählt hat, ob er die erforderlichen Tatsachen im Wesentlichen vollständig und zutreffend ermittelt und schließlich, ob er sich in allen Berechnungsschritten mit einem nachvollziehbaren Zahlenwerk innerhalb dieses gewählten Verfahrens und dessen Strukturprinzipien im Rahmen des Vertretbaren bewegt hat.“ [Rdnr. 143]

„Zur Ermöglichung dieser verfassungsgerichtlichen Kontrolle besteht für den Gesetzgeber die Obliegenheit, die zur Bestimmung des Existenzminimums im Gesetzgebungsverfahren eingesetzten Methoden und Berechnungsschritte nachvollziehbar offenzulegen. Kommt er ihr nicht hinreichend nach, steht die Ermittlung des Existenzminimums bereits wegen dieser Mängel nicht mehr mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang.“ [Rdnr. 144]

Dieses Transparenzgebot ist nicht erfüllt beim Warmwasser-Abzug, dessen Quellen der Schätzung 20 Jahre zurückreichen.

Dieses Problem bestand schon zu Zeiten der alten Sozialhilfe (BSHG) und wurde dort so gelöst, daß nach Ermittlungen des Deutschen Vereins von 1991 für Warmwasser 30% des in der Regelleistung enthaltenen Anteils für Haushaltsenergie anzusetzen seien.

Da in den Energieanteilen ein fester Grundpreis und ein variabler, verbrauchsabhängiger Arbeitspreis enthalten ist, hatte schon zu BSHG-Zeiten das OVG Lüneburg einschlägig entschieden, daß vom Energiepreis nur der Arbeitspreis zu berücksichtigen sei, so daß als Warmwasser-Abzug 30% vom Arbeitspreis des für Haushaltsenergie veranschlagten Betrages zu berücksichtigen seien.

So berücksichtigte das OVG Lüneburg zunächst 35% als Anteil für den Grundpreis und 65% als Anteil für den Arbeitspreis, änderte diese Rechtsprechung von 1991 aber schon 1994 ab:

„Aufgrund neuerer Erhebungen des Niedersächsischen Landesamtes für Statistik nimmt er allerdings an, daß von diesem Betrag ab 1. Juli 1992 nur noch 22 v. H. (statt 35 v. H.) auf den ‚Grundpreis’ und dementsprechend 78 v. H. (statt 65 v. H.) auf den ‚Arbeitspreis’ entfallen.“ [Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Oktober 1994, Az.: 4 M 1618/93, Leitsatz].

Diese Rechtsprechung hat das OVG Lüneburg dann 2001 nochmal bestätigt (OVG Lüneburg, Beschluß vom 28. November 2001, Az.: 4 PA 3693/01).

Die BVerfG-Entscheidung 1 BvL 1/09 u.A. bedeutet nicht, daß einerseits die betroffenen Hilfebedürftigen eine nicht enthaltene und nicht bezifferte Leistung für Schulbedarf bis 31. Dezember 2010 hinzunehmen haben, dies andererseits aber für die Kommunen, die für die Unterkunfts- und Heizkosten zuständig sind, hinsichtlich des ebenfalls nicht in der Regelleistung (EVS 1998 und EVS 2003) enthaltenen und nicht bezifferten Betrages für Warmwasser nicht gelten soll.

Daß der Warmwasser-Abzug in der Regelleistung enthalten sein soll, basiert auf Schätzungen aus den 1990er Jahren und ist seinerzeit in Entscheidungen des OVG Lüneburg zum BSHG entsprechend berücksichtigt worden; eine Ermittlung des Warmwasserbedarfs wie jetzt mit der EVS 2008 vorgenommen, existiert für Zeiten zwischen dem 1. Januar 2005 und dem 31. Dezember 2010 nicht.

Allein die Tatsache, daß die Position 0455 010 (EVS 2008) einen Betrag von € 3,08 für den Warmwasser-Anteil bei Fernwärme-Heizung (Eckregelleistung unterste 15 Prozent) ausweist, belegt schon, daß die vom BSG augurierten € 6,22 als Berechnungsbasis für 2005 an den Haaren herbeigezogen sind.

Soll laut BVerfG-Entscheidung vom 9. Februar 2010 einerseits hingenommen werden, daß es für die fehlende Transparenz keinen Aufschlag für Schulbedarf u.A. gibt bis einschließlich 31. Dezember 2010, dann kann andererseits nicht ein genauso intransparenter nicht genannter Betrag für Warmwasser der Regelleistung als Abzug in konkreter Höhe entnommen werden. Hier dürfte also kein Warmwasser-Abzug erfolgen analog der Nichtgewährung des fehlenden schulischen Bedarfs.

Ferner ist der Betrag für Warmwasser bei der Fernwärme mitsamt der Heizkosten aus der entsprechenden Position der Regelleistung herausgenommen worden, weil die Heizkosten wie die Unterkunftskosten (KdU) gesondert erbracht werden nach § 22 SGB II.

Mithin ist in der Regelleistung überhaupt kein Betrag für Warmwasserbereitung enthalten, so daß ein solcher über die Heizkosten auch nicht doppelt geleistet wird. Entsprechend darf es keinen Warmwasser-Abzug geben.

Unter den gegebenen Umständen ist der Warmwasser-Abzug verfassungswidrig, weil er jeden Monat bei allen betroffenen Haushaltsmitgliedern – auch bei nicht hilfebedürftigen Minderjährigen und erwachsene Kinder bis 25 Jahren bei deren fiktiver Berechnung – die existenzsichernde Leistung mindert, ohne daß die bisher behauptete doppelte Position nachgewiesen ist.

Die behauptete Doppelleistung existiert nicht. Sie ist lediglich ein politisches finanzielles Zugeständnis an die – egal ob BSHG, SGB II oder SGB XII – die Unterkunfts- und Heizkosten tragenden Kommunen. Und, eine Kommune wie der Landkreis Göttingen mit etwa 15000 „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfängern [Göttinger Tageblatt, online-Ausgabe vom 27. Januar 2011] spart – rechnen wir einmal wegen der unterschiedlichen Betragshöhe für Alleinstehende, Paare und Kinder durchschnittlich mit 5,50 Euro pro Person und Monat – pro Jahr gut und gerne 1 Million Euro an Heizkosten durch den Warmwasser-Abzug. Darum geht es in Wirklichkeit.

 

 

 

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