Die nachfolgenden Zitate von Herbert Marcuse, deutscher Philosoph, Mitglied der „Frankfurter Schule“ mit Adorno u.a., vor den Nazis in die USA immigriert und spiritus rector der weltweiten „Studentenrevolte“ in den 1960er Jahren, entstammen einem Interview, das zuerst 1970 in „Kursbuch Nr.22“ erschienen ist, hier zitiert nach Herbert Marcuse, Zeitmessungen, Suhrkamp Verlag, edition suhrkamp 770, Frankfurt am Main 1975, Seite 51 ff.
Diese Zitate haben angesichts des global war der USA nach außen und des durch das Patriot Act II als Krieg gegen die eigene Bevölkerung nach innen nach einem Dritteljahrhundert eine fürchterliche Aktualität erlangt.
Ein Beweis dafür, daß es möglich ist, die Dinge vorherzusehen, so wie viele der Intellektuellen, die 1932/1933 aus Deutschland emigrierten vorhersahen, was dann folgte.
„Die Frage ist, ob in den USA der Faschismus herrscht. Wenn man darunter die allmähliche oder rasche Abschaffung der Reste des Rechtsstaats, ... , die Ausstattung der Polizei mit außerordentlichen Vollmachten versteht ... ; wenn man sich die beinahe schon direkte Zensur der Presse, des Fernsehens und des Rundfunks ansieht: dann kann man meiner Meinung nach mit voller Berechtigung von einem beginnenden Faschismus sprechen. – Dagegen wird immer wieder eingewandt, daß in Amerika immer noch viel mehr Spielraum für radikale Kritik existiert ... . Das ist richtig; es ist dies aber darauf zurückzuführen, daß die amerikanische Gesellschaft sich diese Kritik vorläufig noch gefallen lassen kann, weil sie wirkungslos bleibt.“
„Ich glaube nicht, daß ein charismatischer Führer heute notwendig zum Faschismus gehört. Wie jede andere Bewegung, jede andere Form der Unterdrückung ist auch der Faschismus abhängig von den Tendenzen der Gesamtgesellschaft. ... . Ein charismatischer Führer ist nicht mehr nötig. Ich erinnere Sie an eine ausgezeichnete Formulierung von Shirer, der weiß Gott kein Sozialist ist. Dieser Mann hat kürzlich gesagt, der amerikanische Faschismus werde wahrscheinlich der erste sein, der auf demokratischem Wege und mit demokratischer Rückendeckung zur Macht kommt.“
„Ich glaube, daß es so etwas wie einen Präventiv-Faschismus gibt. ... Die allmähliche Austrocknung des Rechtsstaats in den USA rührt von den wachsenden Widersprüchen des amerikanischen Imperialismus her. Diese Widersprüche sind zwar im Augenblick noch ‚manageable‘, sie drohen aber selbst in das Bewußtsein der Indoktrinierten einzudringen: der Widerspruch zwischen dem ungeheuren gesellschaftlichen Reichtum und dem miserablen und destruktiven Gebrauch, der davon gemacht wird; der Widerspruch zwischen der Möglichkeit, die entfremdete Arbeit zu reduzieren, und ihrer systematischen Aufrechterhaltung; der Widerspruch zwischen der Möglichkeit Armut und Elend in der kürzesten Zeit abzuschaffen, und der ungeheuren Verschwendung. Diese Widersprüche lassen sich auf die Dauer nur mit Gewalt unterdrücken. ... Deswegen greift das System zu Maßnahmen, die der Opposition zeigen sollen: Sobald ihr gefährlich werdet, sperren wir euch ein, schlagen wir euch zusammen.“
Die Möglichkeiten des Patriot Act II mit der totalen Bespitzelung, mit den Gestapo-Methoden der Verhaftung ohne Anklage, ohne Gericht, ohne Benachrichtigung der Familie; die totale Kontrolle via ECHELON, via Internet-Provider, um Telefonate, Fax, E-Mails (weltweit) abzuhören, via GPS und des geplanten Urban Serveillance System, um die Verkehrsströme (weltweit) zu orten; die Befragung von Schülern über Aussagen von Lehrern zum Irak-Krieg, die Bestrafung von Anti-Kriegs-Demonstranten; die patriotische Gleichschaltung der Medien und der Hurra-Patriotismus des Rupert Murdock’schen Meinungsoligopols, während mit Hilfe der Geheimdienste kritische Internet-Portale wie "YellowTimes.org" weggehackt werden, wie während des Irak-Krieges geschehen, weil die US-Regierung die Parole ausgegeben hatte an die Presse: keine Fotos von toten US-Soldaten; und allenthalben der Fähnchen schwingende Patriot, der ohne zu murren die Totalerfassung über sich ergehen läßt, während er schon mal einen Inder totschlägt, weil er ihn ob seines Turban für einen islamistischen Araber hielt; all dies macht den neuen Faschismus sehr konkret.
Der Faschismus ist eben doch immanente Entwicklungsmöglichkeit des Kapitalismus, und eben nicht jenes historische ach so „einmalige“ Ereignis, welches man uns glauben machen will.