Daß die Geschichte der Ukraїne nicht mit den vor 2400 Jahren
dort eingewanderten und dann 700 Jahre dort lebenden Skythen beginnt, ist
selbstredend. Aber auch die Kiewer Rus, welche grob ein Gebiet von Nowgorod im
Norden bis Kiew im Süden umfaßte, ist noch kein sinnvoller Anfangspunkt.
Erst mit den mongolischen Eroberungszügen gen Westen beginnt
die Geschichte der Ukraїne. Die Goldene Horde eroberte den russischen
Besiedlungsraum im 13. Jahrhundert. Die langfristige Folge davon war eine
Aufsplittung der russischen Bevölkerung in drei Rus: Großrussland, Belarus und Kleinrussland
(Ukraїne). Wenn also in 2022 Russlands Präsident Putin im Zusammenhang mit der
Ukraїne von Kleinrussland spricht, dann ist dies nicht eine Abwertung der
Ukraїne, wie vor allem die deutsche Journaille einseitig behauptet, sondern
entspricht der von Putin genutzten Historienvergleiche, die in diesem Fall den
Zweck haben, die Ukraїne als russisch erscheinen zu lassen, um die Besetzung zu
rechtfertigen im Sinne Iwans I. (14. Jhdt.): die „Sammlung der russischen Erde“.
Wer hier nicht die russische Historie berücksichtigt, versteht nichts, sondern
betreibt westliche Propaganda und Ideologienbildung.
Um aber dennoch nicht im historischen Detail-Streit
unterzugehen und unverständlich zu werden, wird nachfolgend historisch
vergröbert, aber nicht verfälscht.
Eine Rus bezeichnete zunächst das Gebiet, in dem die
entsprechende Bevölkerung sich niedergelassen hatte; später bezeichnete die Rus
auch eine Verwaltungseinheit.
Folge des Eroberungszuges der mongolischen Goldenen Horde (13.-15.
Jhdt.) war nach deren Besiegung durch die Tataren, die als Tribut-Eintreiber
der Goldenen Horde fungierten, die genannte Dreiteilung der russischen
Bevölkerung mit abweichender Sprachbildung. Um ein Bild davon zu vermitteln,
wie gleich und doch unterschiedlich die russischen Sprachen sind, ist in der
Überschrift neben der russischen Schreibweise die ukraїnische gesetzt.
Was ist ein Staat?
Die Ukraїne von heute und auch schon zu Zeiten der
Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg ist nicht identisch mit der historischen
Ukraїne. Ganz grob kann der Fluß Dnjepr als Trennungslinie herhalten. Östlich
(Fließrichtung) des Dnjepr gehörte die Ukraїne zum Königreich Polen-Litauen, westlich
(Fließrichtung) des Dnjepr ist sie auch heute noch überwiegend russisch. Auf
die nicht in die heutige Türkei geflohenen Krim-Tataren sei hier nur
hingewiesen.
Die West-Ukraїne besteht seit dem Ende des Zweiten
Weltkrieges aus einem großen Teil ehemals polnischen Staatsgebietes. Polen
mußte ein Gebiet vom litauischen Wilna über das belarussische Brest-Litowsk bis
zum ukraїnischen Lwiw (Лъвов = Лъвів = Lemberg) abtreten und bekam dafür das
ehemals deutsche ostpreußische Masuren, Hinterpommern und Schlesien als
Ausgleich. Das wirkt insofern bis heute, als daß von den – in den ersten
Kriegswochen – etwa 4,5 Mio. ukraїnischen Flüchtlingen außer Landes etwa 3 Mio.
nach Polen flohen.
Was also ist ein Staat?
Erst mit dem Ende des feudalistischen Mittelalters um 1500 –
Stichworte: Christoph Kolumbus, Johann Gutenberg, Martin Luther – und dem
Beginn der Neuzeit, dem feudalen Absolutismus, entstehen langsam
Nationalstaaten: Spanien und Portugal, Frankreich und England, Schweden,
Norwegen, Dänemark. Manche feudalen Gebilde enden erst mit dem Ersten
Weltkrieg: Osmanisches Reich (1915) aus dem 1921 die Türkei wird, Habsburg und
die k.u.k.-Monarchie (1918), woraus Österreich, Ungarn, die Tscheslowakei und
Yugoslawien werden – beispielhaft. Aber noch sind die Grenzen nicht fest. Das
heutige Hamburg-Altona gehörte zu Zeiten Heinrich Heines im 19. Jahrhundert zu
Dänemark. Der afrikanische Kontinent, der Nationalstaaten im heutigen Sinne
nicht kannte, sondern nur Stammesgebiete, wurde erst 1885 auf der Berliner
Kongo-Konferenz unter den Kolonialstaaten Portugal und Spanien, England und
Frankreich, Italien und Deutschland und Belgien aufgeteilt. Veranlassung boten
dabei die Politik des belgischen Königs, der das Kongo-Becken als
Privateigentum betrachtete, Deutschland, das in den Kreis der Kolonialmächte
aufrücken wollte, sowie die italienischen Ansprüche. Dabei war Italien 1865 erst
selbst durch die Garibaldi-Revolution entstanden und das Deutsche Reich erst
1871. Die heute bekannten afrikanischen Grenzen wurden ohne Rücksicht auf
ethnische Gegebenheiten gezogen.
Was also ist ein Staat?
Und in Europa? Erst mit dem Ende des sogenannten Ostblocks
bildeten sich neue Staaten in den 1990er Jahren. Einzig die Trennung der
Tschecheslowakei in das heutige Tschechien und Slowakien verlief friedlich.
Yugoslawien wurde letztendlich kriegerisch auseinander gerissen, wobei 1999 mit
dem Kosovo-Krieg die USA und die NATO es schafften, das auf russischer Seite
stehende Serbien vom Zugang zum Mittelmeer abzuschneiden. Letztlich wurde
Yugoslawien in die Staaten Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien-Herzegowina
[**], Kosovo (nur vom Westen anerkannt), Montenegro und Mazedonien (heute
Nord-Mazedonien), aufgeteilt, also in sieben Einzelstaaten. Das ist gerademal
20-30 Jahre her.
Was also ist ein Staat?
II. Die Krim
Die russische Annexion [***] der Halbinsel Krim 2014 nach
dem Euromaidan 2013/2014 und der Flucht/Vertreibung des russland-freundlichen
ukraїnischen Präsidenten Janukowitsch läßt die Frage aufkommen: Wem gehört die
Krim? Die Historie beantwortet diese Frage relativ einfach: Immer dem letzten
Sieger.
Und bevor jetzt großes westliches Geschrei aufkommt: Der
Westen hat spätestens mit der auch militärischen Zerschlagung des Staates
Yugoslawien in den 1990er Jahren jegliches Recht auf politische Moralisierung
verloren.
Zum historischen Wechselbad bezogen auf die Krim:
Auch an dieser Stelle soll nicht mit den Skythen oder noch
früher angefangen werden, sondern mit der mongolischen Goldenen Horde um 1400. Ebenso
soll auch an dieser Stelle statt historischer Einzelheiten eine grobe
Darstellung genügen, um den roten Faden nicht aus dem Blick zu verlieren.
Um 1400 gehörte ein Teil der Krim und die Meerenge des
Asowschen Meeres zum italienischen Stadtstaat Genua. Bevor die Goldene Horde 1502
durch ihre Tributeintreiber, die Tataren, besiegt war, gehörte die Krim 1475 den
Krim-Tataren. Mit osmanischen Unterbrechungen dauerte dies etwa bis 1783. 1783
wurde die Krim russisch, aber erst 1792 im Vertrag von Jassy vom Osmanischen
Reich anerkannt. Vorher und nachher kam es zu Kriegen von Habsburg und Russland
gegen das Osmanische Reich. 1806-1812 kam es zum russisch-osmanischen Krieg und
die Krim (wie die Ukraїne) waren bis 1815 russisch. 1853-1856 kam es wieder zu
einem Krim-Krieg, diesmal mit französischer Beteiligung auf osmanischer Seite.
1921 wurde die Krim sowjetisch. 1954 wurde die Krim der ukraїnischen
Sowjetrepublik quasi „geschenkt“, also kein staatlich-gesetzlicher Übergang;
die Sache ist bis heute aus staatsrechtlicher Sicht nicht eindeutig.
Allerdings hat der Westen und die ihn hofierende (deutsche)
Journaille im derzeitigen Stellvertreter-Krieg USA/EU gegen Russland/China kein
Interesse an der Aufklärung in dieser Frage, sondern es geht darum
stimmungstechnisch die westliche Bevölkerung gegen Russland einzunehmen.
III. Asiatischer Despotismus
Der Aspekt des Asiatischen Despotismus soll an dieser
Stelle nur gestreift werden. Gleichwohl ist es zum Verständnis Russlands
wichtig, hierauf kurz einzugehen.
Russland besteht ja aus einem europäischen Teil westlich der
Kontinentalgrenze Ural-Gebirge und einem asiatischen östlichen Teil (Sibirien).
Trotz eines gewissen Versuchs der Öffnung unter Zar Peter I. (1672-1725), der
durch seine Holland-Erfahrungen gewisse „Vorzüge“ des Kapitalismus
„beschnuppern“ konnte, ist insgesamt der zaristische Despotismus als Produkt
des asiatischen Despotismus – heute noch in China, Nord-Korea, aber auch Japan
und Süd-Korea gut zu beobachten – in Russland bis heute wirksam, weil es die
Revolution von 1917 nicht geschafft hat, westliche Freiheitswerte zu etablieren,
während auf der anderen Seite die historischen Folgen der Eroberung durch die
mongolische Goldene Horde, das tatarische Tribut-System und des zaristischen
Steuer-Systems in den Köpfen der Menschen blieben. An die Stelle des asiatischen
Despotismus mit seinem mongolisch-tatarischen Tribut-System trat erst der zaristische
Despotismus mit seinem zentralistischen blutsaugerischen Steuersystem, trat
dann der „demokratische Zentralismus“ Leninscher Prägung, verschlimmert durch
den Stalinismus. Das heute existierende Oligarchen-System mit seiner geldlichen
Blutsaugerei und der staatliche Zentralismus haben in der russischen
Geschichte, und das heißt auch im asiatischen Despotismus, ihre Wurzeln. Es ist
nicht das „System Putin“, wie die westliche, vor allem deutsche Journaille
unisono posaunt. Und, das Pendant für die heutigen russischen Oligarchen sind
die us-amerikanischen Oligopole-CEOs.
Wer sich näher für diesen Aspekt der russischen Geschichte
interessiert, sei auf das Buch Rudi Dutschke, Versuch, Lenin auf die Füße zu
stellen verwiesen.
IV. Truman
Doktrin und Containment-Policy
Im März 1947 trat US-Präsident Truman mit der Forderung nach
wirtschaftlicher Hilfe zur Verhinderung des sowjetischen Einflusses an die
Öffentlichkeit. Die Truman-Doktrin wurde dann konkretisiert durch den
Marshall-Plan (European Recovery Program, ERP), später die Gründung der NATO im
April 1949. Schon die Atombomben-Abwürfe auf die japanischen Städte Hiroshima
und Nagasaki im August 1945 sollten Russland/die Sowjetunion davon abhalten,
vereinbarungsgemäß nach dem Sieg über Nazi-Deutschland im Mai 1945 nun auch
Japan anzugreifen, da Japan zur US-Einflußsphäre gehören sollte.
Damit war schon nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
geplant, einen engen Ländergürtel um das heutige Russland zu ziehen.
Geographisch umfaßte dieser Gürtel von Nord nach Süd in Europa Länder wie
Norwegen, Deutschland (1955), Italien, Griechenland (1952), Türkei (1952). Als
Folge davon wurde dann von der Sowjetunion und ihren osteuropäischen
Satellitenstaaten 1955 der Warschauer Pakt, das Gegenstück zur NATO, gegründet.
1950-1953 Korea-Krieg durch die USA, der bis heute zur
Spaltung des Landes in Nord- und Süd-Korea führte. 1960-1973 Vietnam-Krieg
durch die USA, der am Ende aber zum Sieg des Viet-Cong und aufgrund des finanziellen
Desasters zur Aufkündigung des Bretton Woods-Abkommens von 1944 führte, mit der
Folge, daß der Dollar nicht mehr an den Goldpreis gebunden war, da die
Goldreserven der USA in Fort Knox wegen der Kriegskosten geschwunden waren. Die
anderen Währungen der Welt waren dadurch frei am floaten, was aber für die USA
aufgrund der Dollar-Bindung des weltweit gehandelten Rohöls von Vorteil war.
Nur zur Vermeidung von Einseitigkeit sei noch die Cuba-Krise von 1962 erwähnt,
wo aufgrund des russischen Rückzugs der atomaren Raketensysteme vor der Küste
der USA der Dritte Weltkrieg verhindert wurde. Zwar führte dann die
militärische Aufrüstung nach dem Motto ‚Wer zuerst schießt, stirbt als zweiter’
zur Verhinderung eines Dritten Weltkrieges, der alles zerstört hätte, auf
längere Sicht, dafür wurden aber weltweit Stellvertreter-Kriege von den USA auf
der einen Seite und Sowjet-Russland auf der anderen Seite geführt und zwar rund
um den Globus. In Anlehnung an die Monroe-Doktrin (1823), die Lateinamerika als
Hinterhof der USA betrachtete und sich gegen jedwede Einmischung europäischer
Kolonialstaaten verwahrte, wurden von der US-Demokratie Militär-Diktaturen
eingerichtet: Brasilien (1954) bis Chile (1973) und Argentinien (1976). Das aus
us-amerikanischer Sicht Desaster von Cuba 1959 sollte sich nicht wiederholen.
Die Einkesselung Russlands/Sowjetunion, welches seit 1953
wie die USA die Wasserstoff-Bombe (Plutonium) besaß und mit dem
Sputnik-Satelliten 1957 auch über Interkontinentalraketen verfügte, blieb
us-amerikanisches Ziel bis heute.
Es würde diesen Artikel sprengen, weiter in die Details zu
gehen. Nur noch ein Detail: Griechenland war 1974 wegen der Zypern-Krise
(Besetzung des Nordteils der Insel durch die Türkei) aus der NATO ausgetreten.
Der Konflikt mit dem NATO-Staat Türkei, welcher für die USA an der Südflanke
Russlands/Sowjetunion und als Kontrolleur der Meerenge Bosperus zwischen
Mittelmeer (6. US-Flotte) und Schwarzem Meer (sowjetische Schwarzmeerflotte)
militärstrategisch sehr wichtig war, verschärfte sich. Am Ende mußte auf Druck
der USA die griechische Militärjunta abdanken; Griechenland trat 1980 wieder in
die NATO ein.
Im Interesse des Westens entstanden die gegen Russland
gerichteten sogenannten Farben- oder Blumen-Revolutionen, die Farben-Revolution
2000 gegen Serbien, die Rosa-Revolution gegen Georgien 2003, die
Orange-Revolution 2004 gegen die seinerzeit Russland orientierte Ukraїne, die
Tulpen-Revolution 2005 gegen Kirgisistan (Kirgisien) und weitere. Organisiert
wurden diese „Revolutionen“, die mit der Entmachtung der pro-russischen
Regierungschefs endeten, durch die internet-affine serbische Gruppe junger
Leute, Otpor, welche Flashmobs über Social-Media-Kanäle organisierte.
Wer sich die Einkesselung Russlands (und Chinas) plastisch
vorstellen will, mag einen Atlas oder Globus zur Hilfe nehmen: Im Norden über
den kurzen Weg über den Nordpol Kanada und die USA (Alaska), im Westen, wenn
Finnland der NATO beitritt, von Norwegen (1949) und Finnland im Norden über die
baltischen Staaten (2004), Polen (1999), Rumänien (2004) und Bulgarien (2004)
am Schwarzen Meer bis Griechenland (1952/1980) und die Türkei (1952) im Süden
Europas, im Osten von Alaska (USA) über Japan und Süd-Korea. Im Süden von der
Türkei bis zu den Philippinen ist die Lage nicht so eindeutig: So gehören China
und Russland, Kasachstan und Kirgisistan (Kirgisien) u.a. zu einem gemeinsamen (militärischen)
Beistandspakt (SCO), dessen volles Mitglied seit September 2021 auch der Iran ist;
Indien hat sowohl Kontakte zu den USA, als auch zu Russland und ist mit
Pakistan Mitglied des SCO-Beistandspaktes; der Versuch, die chinesischen
Handelswege an der Meerenge bei Myanmar (Burma) zu stören, scheiterte mit der
Niederlage der Buddhisten-Revolte 2007; andererseits gelten Thailand, Malaysia,
Singapur, Indonesien und die Philippinen als (eher) pro-westlich eingestellt,
mit Australien im Rücken (oder im Nacken?).
V. Ukraїne-Krieg 2022
Kritik gebührt zunächst der deutschen Journaille, die den
Ukraїne-Krieg als den ersten Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg so darstellt,
als hätte es den Kosovo-Krieg 1999 und die in den 1990er Jahren vorhergehenden
militärischen Auseinandersetzungen zur Aufspaltung Yugoslawiens nicht gegeben.
Den USA, der EU und der NATO ist es im Fall der Ukraїne gelungen,
Russland geostrategisch zu einem pre-emptive strike zu zwingen und in
einem Landkrieg militärisch zu binden.
Die Konstruktion des pre-emptive strike stammt
übrigens von den USA der Ära George W. Bush und wurde 2002 öffentlich
breitgetreten. Zuvor hatte US-Präsident Bush jun. den seit 1972 bestehenden
ABM-Vertrag einseitig aufgekündigt.
Bei den heute existierenden Aufklärungs- und Waffensystemen
sind Landkriege eigentlich anachronistisch, aber notwendig, soll ein fremdes
Land ganz oder teilweise besetzt werden. Das Mittel der Wahl sind seit dem
Kosovo-Krieg 1999 gegen Serbien, 2001 gegen Afghanistan, 2003 gegen den Irak
Militärschläge mit Kampfbombern und Drohnen und von Kriegsschiffen
abgeschossene Marschflugkörper (Cruise Missile).
Nicht erst mit Beginn der Kriegshandlungen am 24. Februar
2022, sondern schon Wochen und Monate im Vorfeld, war es mal wieder die
selbsternannte „Friedenspartei“ DIE GRÜNEN, welche sich auf höchster Ebene in
kriegstreiberischer Rhetorik verging. Dies erinnert an 1995 und folgende Jahre,
als der Westen das ehemalige Yugoslawien militärisch angriff und zerschlug
[****].
Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch des
Ostblocks sowie der Auflösung des Warschauer Paktes hätte eigentlich auch die
Auflösung des westlichen Militärbündnisses NATO angestanden. Aber nicht nur daß
dieses nicht erfolgte, 1992 wurde die Rechtfertigung sogenannter Out-of-Area-Einsätze
begründet, welche es der NATO, die nachwievor ein Verteidigungsbündnis ihrer
Mitgliedsstaaten ist, seitdem erlaubt, Krieg gegen andere Länder zu führen,
ohne daß diese einen NATO-Staat angegriffen hätten (1999 gegen Serbien).
Aktuell werfen gerade deutsche Politiker Russland einen
völkerrechtswidrigen Angriffskrieg vor (Bundeskanzler Scholz: „eklatanter Bruch
des Völkerrechts“ [1]). Ein eklatanter Bruch des Völkerrechts war nicht nur
2003 der Angriffskrieg der USA gegen den Irak, sondern schon 1999 der Einsatz
der NATO, um das Kosovo aus Serbien herauszubrechen. Das, was Russland jetzt
mit der Anerkennung der ukraїnischen Teilrepubliken Donezk und Luhansk vorhat,
hatten die westlichen Staaten schon vorher mit dem Kosovo gemacht. Soviel zur
Verlogenheit westlicher Politiker und zur einseitigen pro-westlichen
Darstellung durch die Journaille.
1997 wurde zwischen der NATO und Russland eine Grundakte
vereinbart (schriftlich ratifiziert), nach der die Osterweiterung der NATO
(z.B. Polen und die baltischen Länder) eine Stationierung von Atomwaffen in
diesen Ländern ausschloß. Eine Truppenstationierung anderer NATO-Länder in
diesen Staaten Osteuropas war zwar möglich, aber unter der Bedingung ihrer
zahlenmäßigen Begrenzung und der Rotation, damit keine feste
Truppenstationierung stattfindet.
Gegen die ebenfalls in dieser Grundakte anerkannte
Souveränität von Staaten verstieß Russland 2008 im Georgien-Krieg durch die
Anerkennung und Abspaltung der Teilrepubliken Abchasien und Südossetien, ebenso
2014 durch die Annexion der Krim [***].
Die westlichen Staaten der NATO und der EU haben jahrelang
versucht, die Ukraїne nicht nur in die EU zu holen, sondern auch als
NATO-Mitgliedsstaat zu etablieren. Letzteres hätte im Sinne der oben genannten
Containment-Policy, unter ebenfalls geplantem Einschluß Georgiens, geopolitisch
bedeutet, daß der europäische Teil Russlands vom Nordmeer bis zum Kaspischen
Meer eingeschlossen gewesen wäre.
Militärstragetisch betrachtet würde für Russland ein
Fortbestehen der Ukraїne in seinen Grenzen vor dem 24. Februar 2022 und
angesichts der britischen Flotte im Schwarzen Meer, welches früher mal der
russischen Schwarzmeerflotte alleine „gehörte“, nicht nur ein Kontrollverlust
über das Schwarze Meer bedeuten, sondern würde die russische Kriegsmarine im
syrischen Tartus – vertragliche Überlassung für 49 Jahre mit
Verlängerungsoption und Ausbauerlaubnis – von jedweder Versorgung, von Wechsel
und Aufstockung im Krisenfall abschneiden.
Sicherlich hat sich die russische Führung verkalkuliert, als
sie militärisch neben ihrem eigentlichen Ziel, der Anbindung des Donbas (Donezk
und Luhansk) an Russland zur Sicherung der militärisch für die
Schwarzmeer-Flotte wichtigen Krim, auch die Hauptstadt Kiew angriff, wohl in
der Erwartung, der Schauspieler-Präsident werde fluchtartig das Land verlassen
und somit Russland die Möglichkeit eröffnen, eine ihnen genehme Regierung zu
installieren. Nachdem es dem ukraїnischen Präsidenten Selenskyj gelungen ist, mit
Waffen- und Geheimdiensthilfe aus den USA und Großbritannien nicht nur das Flaggschiff
der russischen Schwarzmeerflotte zu vernichten (Kronenzeitung: Moskwa mithilfe
von US-Informationen versenkt), sondern überhaupt militärisch zu widerstehen,
hat sich die russische Führung militärisch auf den Donbas konzentriert.
VI. Fazit
Der Kapitalismus ist am Ende. Oligopole und Oligarchen
bestimmen die Welt im Westen wie im Osten.
Wie lange der Ukraїne-Krieg dauert, ist nicht absehbar und
hängt in erster Linie von den quantitativen und qualitativen Lieferungen
schwerer Waffensysteme durch NATO-Staaten ab.
Was aber in jedem Fall heute schon gilt, ist, daß nach dem
gescheiterten Versuch, eine Achse Paris-Berlin-Moskau zu bilden, sich Russland
und China näher verbunden haben. China hat das Geld, Russland das
Atomwaffenpotential, um dem Atomwaffenpotential der USA und den
Wirtschaftsmächten USA und EU Paroli bieten zu können.
Der Krieg in der Ukraїne ist ein Stellvertreter-Krieg, nur
dieses Mal nach den NATO-Angriffen auf Ex-Yugoslawien Ende der 1990er Jahre mal
wieder in Europa.
Anmerkungen:
[*] Zunächst einmal spricht sich das Land nicht U-krai-ne,
sondern Ukra–i-ne aus. Die internationale Ausspracheregelung, wonach ein
Doppelpunkt über einem Vokal bedeutet, daß dieser gesondert zu betonen ist,
gilt auch im Land der Diphthonge, in Deutschland.
[**] Bosnien ist eine alte Landschaftsbezeichnung und
Herzegowina bedeutet Herzogenland, also kein Staat. Die heute so bezeichneten
Bosniaken sind auch keine Ethnie, sondern Bosnien-Herzegowina bestand/besteht
aus drei Ethnien: den christlichen südslawischen Kroaten, den orthodoxen
südslawischen Serben und muslimischen Südslawen, wie auch in anderen Gebieten
des Balkan (teilweise) religiöse Überbleibsel der ehemals osmanischen
Besetzung.
[***] Der Begriff der Annexion bleibt zumindest aus einer
punktuell historischen Betrachtung richtig, solange nicht aus staatsrechtlicher
Sicht geklärt ist, ob die Krim tatsächlich 1954/1991 ukraїnisch geworden ist
oder eigentlich nachwievor russisch geblieben ist.
[****] Gemeint ist vor allem das GRÜNEN-Gefasel vom
Militäreinsatz zur Vermeidung einer „humanitären Katastrophe“. Dies erinnert
zum Einen an Luthers Schrift Ob Kriegsleute auch in seligem Stande sein
können von 1526 [in Hochdeutsch von H.M.]: „Deshalb ist ein solcher Krieg
nichts anderes als ein kleiner kurzer Unfrieden, der einen ewigen unermeßlichen
Unfrieden abwehrt. Ein kleines Unglück, das ein großes Unglück abwehrt.“ [2]
Zum Anderen haben diese „gerechten“ Kriege gezeigt, daß sie noch mehr Tod und
Elend unter die Zivilbevölkerung bringen als die „humanitäre Katastrophe“.
[2] CLEMEN, Otto (Hrsg.), Luthers Werke in Auswahl Dritter
Band, Verlag Walther de Gruyter, Berlin 1966, S. 320
Literatur:
AFRIKA, Von der Vorgeschichte bis zu den Staaten der
Gegenwart, Fischer Taschebuch Verlag, Frankfurt a. M. 1966, 66.-70. Tsd. 1983
CLEMEN, Otto (Hrsg.), Luthers Werke in Auswahl Dritter Band,
Verlag Walther de Gruyter, Berlin 1966, S. 317-351
DER GROSSE PLÖTZ, Verlag Herder, Freiburg i. Br. 1998, 32.
Aufl.
DUTSCHKE, Rudi, Versuch, Lenin auf die Füße zu stellen,
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1974, 15.-26. Tsd.
FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 28. September 2002, Dokumentation
„Wir dürfen unsere Feinde nicht zuerst zuschlagen lassen“
FRANKFURTER RUNDSCHAU vom 24. September 1999, Dokumentation
„Wenn schon das Vetorecht nicht abzuschaffen ist ...“ (Rede von
Bundesaußenminister Joschka Fischer vor der UN-Vollversammlung)
HOROWITZ, David, Kalter Krieg, Verlag Klaus Wagenbach,
Berlin 1969, 12.-15. Tsd. 1976
HUSTER, KRAIKER, SCHERER, SCHLOTMANN, WELTEKE, Determinanten
der westdeutschen Restauration 1945-1949, Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M.
1972, 4. Aufl. 1976