Herbert Masslau

Beratungshilfe (für Rechtsberatung): Kostenübernahme bei Alg II

(22. April 2007)

 

 

So mache Leistungsempfängerin bzw. mancher Leistungsempfänger nach dem SGB II bedarf juristischer Beratung durch einen Rechtsanwalt. Dies hat nicht nur etwas damit zu tun, daß sich viele überfordert fühlen, einen Leistungsbescheid mit den gesetzlichen Bestimmungen abgleichen zu können, sondern es hat auch etwas damit zu tun, daß die Sozialleistungsbehörden, um Kosten zu sparen, sich so mancher Tricks bedienen, wie sie SGB II-Leistungen beziehenden Personen diese Leistungen vorenthalten können – ganz entgegen ihrer eigentlichen Auskunfts- und Beratungspflicht nach §§ 13, 14 SGB I.

Nun sind Alg II beziehende Menschen nicht gerade wohlhabend und können sich folglich nicht einmal die Kosten für eine anwaltliche Beratung leisten, selbst, wenn diese sich am unteren Rand bewegen sollten.

Um aber dem Verfassungsauftrag aus Artikel 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) und Art. 20 GG (Rechtsstaatsprinzip) gerecht zu werden, müssen auch arme Menschen, sog. nicht Leistungsfähige, den Rechtsweg beschreiten können, wozu bei einem gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) auch dieses gehört.

Dabei muß mindestens gewährleistet sein, daß sich die Betroffenen wenigstens von einem Rechtsanwalt beraten lassen können müssen, ob die Einlegung eines Widerspruchs oder gar einer Klage sinnvoll und/oder geboten ist.

Wie es dem allgemeinen Verständnis entsprechen dürfte und von den Gerichten (s.u.) auch so gesehen wird, wird unter Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz nicht eine Hilfestellung bei der Antragstellung auf soziale staatliche Leistungen verstanden, sondern die beratende Hilfe, wenn bereits ein ablehnender Bescheid ins Haus geflattert ist.

Ein Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Rechtsberatung ist grundsätzlich beim örtlich zuständigen Amtsgericht zu stellen unter Beifügung der notwendigen Belege über Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Dabei ist die Beratungshilfe von der Prozeßkostenhilfe (PKH) zu unterscheiden, welche Letztere erst bei Führung eines Gerichtsverfahrens beantragt wird. Die Beratungshilfe ist also, wie das Widerspruchsverfahren (juristisch: Vorverfahren) einer Klage vorgelagert ist, der Prozeßkostenhilfe vorgelagert.

Trotz der Rechtsansprüche der Betroffenen scheint bei manchem Rechtspfleger bzw. mancher Rechtspflegerin – die Bearbeitung der Anträge auf Bewilligung von Beratungshilfe beim Amtsgericht obliegt der Rechtspflege – eher eine der einer Sozialleistungsbehörde denn der einem Gericht affinen Mentalität vorzuliegen. Jedenfalls scheint es öfter vorzukommen, daß Anträge auf Bewilligung von Beratungshilfe aus puren Kostengründen und einer bürgerfeindlichen Einstellung abgelehnt werden, mit dem Argument, man/frau könne sich ja an die zuständige Behörde wenden.

Gegen eine Ablehnung der Bewilligung von Beratungshilfe ist die sog. Erinnerung beim zuständigen Amtsgericht einzulegen, über die dann das Gericht entscheidet.

 

Im Nachfolgenden sind ein paar solcher Gerichtsentscheidungen mit den wesentlichen Rechtsargumenten genannt als Argumentationshilfe für Betroffene:

 

„Die sich z.B. aus § 25 VwVfG, 13 bis 16 SGB I ergebende Pflicht der Verwaltungsbehörden, Bürger im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu beraten und ihnen Hilfestellung zu leisten, erstreckt sich zwar auch darauf, die Empfänger eines Verwaltungsaktes über Möglichkeiten der Rechtsmittelbelehrung zu informieren und ihnen bei der Formulierung eines Widerspruchs zu helfen. Weder aus Sicht der den Bescheid erlassenden Behörde noch aus Sicht des Adressaten eines Verwaltungsaktes ist jedoch zu erwarten, dass die Behörde hierbei die möglicherweise gegen die eigene Entscheidung sprechenden Umstände objektiv würdigen kann und dem Widerspruchsführer diese nennt (…).“ [AG Wiesbaden, Beschluß vom 2. März 2006, Az.: 91 UR 413/05, zit.n. der Rechtsprechungsdatenbank auf www.tacheles-sozialhilfe.de]

 

„Zwar stellt die Beratung durch die Mitarbeiter des Jobcenters selbst grundsätzlich eine andere Möglichkeit der Hilfe im Sinne des § 1 Abs. 1 BerHG dar (…), die vorrangig in Anspruch zu nehmen ist, dar, allerdings besteht aber auch kein Anspruch des Betroffenen auf umfassende Beratung (…).

Da es hier nicht um die erste Antragstellung, sondern um die Anfechtung bzw. Überprüfung einer bereits ergangenen Entscheidung ging, wäre es dem Antragsteller nicht zumutbar gewesen, das Jobcenter selber um Hilfe zu bitten, welches die anzufechtende bzw. zu überprüfende Entscheidung selbst erlassen hat.“ [AG Essen, Beschluß vom 28. April 2006, Az.: 141 II 2113/05, zit.n. Rechtsprechungsdatenbank auf www.tacheles-sozialhilfe.de]

 

„Die Hilfe durch eine Behörde kann jedoch dann von zweifelhaftem Wert sein, wenn der Rechtssuchende gerade vor dieser Schutz sucht (…). In diesem Fall verspricht kostenfreie, geeignete und erlaubte Inanspruchnahme staatlicher Hilfe keine gegenüber der kostenverursachenden Beratungshilfe gleichwertige Hilfe. Sie ist nicht zumutbar. Jemand, der nicht beratungshilfeberechtigt ist, würde sich vernünftigerweise zunächst nicht an die Behörde wenden. … Es besteht ein Interessenkonflikt, da der Antragsteller die Wahrnehmung seiner Rechte gegen die Behörde betreibt.“ [AG Dillenburg, Beschluß vom 25. September 2006, Az.: 10 UR II 238/06, zit.n. Rechtsprechungsdatenbank auf www.tacheles-sozialhilfe.de]

 

 

 

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