Die Hypo Real Estate [http://www.hyporealestate.com] dürfte mittlerweile durch die flächendeckende Berichterstattung der Medien bundesweit bekannt sein.
Auch bekannt sein dürfte durch das ständige Wiederholen gerade seitens der Politiker, daß es sich bei der Hypo Real Estate um eine „systemische“ Bank handeln soll.
Nun, unter „systemisch“ können sich vielleicht noch viele Leute etwas vorstellen, etwas in Richtung dessen, daß ohne die Hypo Real Estate große Bereiche der Finanz- und Bankenwirtschaft zusammenbrechen würden.
Im Zusammenhang mit der bundesweiten Berichterstattung über die Hypo Real Estate fiel dem Autor dieses Artikels auf, daß in all den Meldungen – eine Ausnahme kommt gleich – aber nie erklärt wurde, warum die Hypo Real Estate eine „systemische“ Bank sein soll.
Aber der Reihe nach.
Zunächst einmal erschien etwas Anderes suspekt: Ab offiziellem Beginn – erst später wurde bekannt, daß die Banken-Krise schon seit Sommer 2007 währte, aber ein Jahr lang nur heimlich von den Zentralbanken Milliardenbeträge in das marode Bankensystem gepumpt wurden – im Oktober 2008 bekam die Hypo Real Estate im Monatsrhythmus etwa 10 Mrd. Euro jeweils zugebuttert [siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Hypo_Real_Estate].
Eigentlich sollte davon auszugehen sein, daß, wenn eine Bank Kreditgarantien aus einem entsprechenden Fonds bekommt, klar ist, wie hoch die Verschuldung der Bank ist. Stattdessen wurden jeden Monat erneut 10 Mrd. Euro zusätzlich zum anfangs ausgehandelten Rettungspaket von 50 Mrd. Euro in ein Schwarzes Loch geschüttet bis 102 Mrd. Euro erreicht waren, davon 87 Mrd. Euro staatliche Gelder.
Alles, weil es sich um eine „systemische“ Bank handelt, die nicht zusammenbrechen darf?
Nachdem die 102 Mrd. Euro Finanzgarantien für die Hypo Real Estate standen, kam die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ mit der Meldung heraus, „die Bank habe hochspekulative Milliarden-Geschäfte getätigt, die nicht in der Bilanz auftauchen. Zusammen mit der offiziellen Bilanzsumme von etwa 400 Millarden Euro ergebe sich eine Summe von knapp einer Billion Euro, die laufend mit neuen Krediten refinanziert werden müsse.“ [http://www.ndrinfo.de/nachrichten/index.html – Meldung vom 20. Februar 2009]
Diese Meldung verpuffte allerdings wie ein Strohfeuer. Dem Autor dieses Artikels ist eine Weiterverfolgung dieser Meldung durch die Medien nicht bekannt.
Alles, weil die Hypo Real Estate eine „systemische“ Bank ist?
Und dann kam die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in ihrem online-Angebot [http://www.faz.net – Im Gespräch: Hannes Rehm: „Schlimmer als die Pleite von Lehman Brothers“] mit einem Interview des Leiters des Finanzmarktstabilisierungsfonds Soffin heraus. Und dieser Soffin-Chef machte eine interessante Bemerkung zu eben jener „systemischen“ Relevanz der Hypo Real Estate, von der zwar alle Medien sprachen, aber niemand bis dahin aufklärte, warum.
Frage: „Der teuerste Patient Ihres Krankenlagers ist die Hypo Real Estate, eine Bank, die vor einem halben Jahr keiner kannte. Was ist da los, und was ist da systemisch?“
Antwort: „Zugleich kontrolliert die Bank mit einem Volumen von rund 150 Milliarden Euro 15 Prozent des deutschen Pfandbriefmarktes. Wenn die HRE in die Insolvenz geschickt würde, wären nicht nur die Zeichner der Pfandbriefe geschädigt, sondern auch der Pfandbrief als Refinanzierungsinstrument nachhaltig gefährdet. Hinzu kommen noch über 100 Milliarden ungesicherte Verbindlichkeiten, die zum überwiegenden Teil bei Renten-, Sozialversicherungen und Kirchenkassen liegen.“
Also, um das mal klar zu haben: weil Rentenversichung und Krankenversicherung und Kirchen Milliardenbeträge in die Finanzspekulation verschoben haben, darf die Hypo Real Estate nicht zusammenbrechen, weil sonst das Sozialversicherungssystem – um die Kirchen tut es mir da nicht leid, die haben genug Grundbesitz – auch zusammenbrechen würde.
Wahrlich, das nenne ich in der Tat „systemisch“.
Die Frage ist nur, warum der deutsche Staat die Milliarden nicht als Verlustausgleich in die Sozialversicherung stopft und die Hypo Real Estate dennoch pleite gehen läßt.
Nun ja, eines Tages werden wir die Wahrheit erfahren, und, vielleicht ist die Wahrheit ganz banal: lieber wenigen Zockern noch Hunderte von Milliarden Euro in Schwarze Löcher hinterherwerfen als einen einzigen Euro zum Wohle der Allgemeinheit ausgeben.
Wie lauteten die beiden ersten Fragen des FAZ-Interviewers so schön: „Herr Rehm, Ihr Haushalt ist mit 500 Milliarden Euro doppelt so groß wie der Bundeshaushalt.“ Und: „Bei einem Hartz-IV-Empfänger wird über jeden Wintermantel gehandelt, Sie fangen bei fünf Milliarden Euro mit dem Geldausgeben überhaupt erst an.“
Wie wahr.
Und um noch einen draufzulegen:
Auf eine „Kleine Anfrage“ der Bundestagsfraktion „Die Linke“ antwortete die Bundesregierung [BTDrs 16/12482 vom 26. März 2009]:
„Um im bestehenden System des Familienleistungsausgleichs auf der Basis der im Jahr 2008 geltenden Beträge für Kindergeld und steuerliche Freibeträge für Kinder mit einem einheitlichen Kindergeldbetrag die maximale steuerliche Entlastung der Freibeträge Kinder in Höhe von 230 Euro monatlich … zu erreichen, hätte man das Kindergeld für die ersten drei Kinder um jeweils 76 Euro pro Monat und das Kindergeld ab dem vierten Kind um 51 Euro pro Monat erhöhen müssen. Dies hätte nach Berechnungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu Steuermindereinnahmen in Höhe von rund 16 Mrd. Euro geführt.“
So gibt es statt je 230 Euro Kindergeld für die ersten beiden Kinder nur je 164 Euro, erhöht von 154 Euro. Dabei würden die Milliardengarantien für die Hypo Real Estate das Kindergeld von 230 Euro je Kind bereits für 6 Jahre decken. Und das wäre noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn die „Hypo Real Estate will weitere Milliarden vom Staat“ [http://www.tagesschau.de/wirtschaft/hre236.html – Meldung vom 31. Mai 2009].