Ich möchte meine Kritik mit einem banalen Beispiel beginnen
und dieses am Anfang zunächst einfach mal so stehen lassen:
Die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe aus dem Jahre 2013
(EVS 2013) weist für die Eckregelleistung (Alleinstehende und Alleinerziehende,
unterstes 15%-Perzentil der Einkommen) Gesamtausgaben von € 903,55 aus [1].
Hiervon sind abzuziehen € 333,52 (Untergruppen 041, 042, 044) für die Kosten
der Unterkunft (KdU), € 39,47 für Heizkosten (HK) und Warmwasser
(Sonderauswertung Untergruppe 045 ohne Haushaltsstrom), welche über § 22 SGB II
gesondert erbracht werden. Das macht € 530,56. Diese Zahl ist für 2017 mit dem
Faktor 1,0346 [2] zu erhöhen, was für 2017 eine Regelleistung von € 548,92,
gerundet € 549,- ergäbe statt € 409,-.
Für das unterste 20%-Einkommensperzentil würden die Daten
lauten: Gesamtausgaben von € 931,22 abzgl. € 340,76 (KdU) abzgl. € 39,60 (HK u.
Warmwasser ohne Haushaltsstrom) = € 550,86. Für 2017 hochgerechnet ergäbe das €
569,92, gerundet 570,- statt € 409,-.
Das wäre das reine Statistikmodell.
Grundsatzkritik I
Der neuerdings verwendete Euphemismus „Regelbedarf“ im SGB
XII, RBEG und im SGB II soll den Eindruck erwecken, als handele es sich bei
der Regelleistungspauschale um das, wessen der bzw. die Hilfebedürftige im
Monat b e d a r f, unbedingt braucht, um
das physische wie das sozio-kulturelle Existenzminimum zu decken.
Dazu das Bundesstatistikamt:
„Die mit der EVS erfassten Verbrauchsstrukturen spiegeln
das Konsumverhalten der Bevölkerung. Sie geben Auskunft darüber, wohin das Geld
fließt. Inwieweit dieses Verhalten tatsächlich die Bedürfnisse der Menschen
befriedigt, können sie nicht messen.“ [3]
Der Begriff „Regelleistung“ bleibt hingegen der richtige,
denn er bezeichnet das, was tatsächlichg e l e i s t e twird.
Die monatlich regelmäßig zu leistende Hilfe an
die Bedürftigen ist in sich konsistent zu ermitteln, um Willkürfaktoren
auszuschalten.
Zulässig sind nach Bundesverfassungsgericht (BVerfG) – und
insofern spricht zunächst nichts dagegen – die Festsetzung anhand eines
sog. Warenkorbmodells, also als Regelsatz, wie ursprünglich mal
bei der alten Sozialhilfe nach BSHG, oder, die Ermittlung anhand des
sog. Statistikmodells der Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS),
wie sie das Bundesstatistikamt (destatis) alle 5 Jahre ermittelt, also ebenfalls
als Regelsatz, wie schon bei der alten Sozialhilfe BSHG.
Die heutige Regelleistung ist aber weder Regelbedarf
noch Regelsatz.
Schon die für verfassungswidrig erklärte „Regelleistung“
2005 bis 2010 litt darunter, einerseits auf der Basis des Statistikmodells
erhoben worden zu sein (EVS 1998, EVS 2003), andererseits aber bei einzelnen
Positionen Kürzungen aufgewiesen zu haben, ohne daß diese Kürzungen in
irgendeiner Weise nachvollziehbar waren [4].
Real dienten diese Kürzungen dazu, den bereits gegenüber der
alten Sozialhilfe von 30% des EVS-Wertes auf 20% gekürzten Regelsatz
weiter zu kürzen bis auf das vorher ausgekungelte Maß [5], welches schon durch
die Nichterhöhung des Sozialhilfe-Satzes in den Jahren der zweiten
Schröder-Regierung (2002-2005) durch die Inflationsrate entwertet und damit
faktisch zu niedrig war.
Nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom 9. Februar 2010
(Az.: 1 BvL 1/09 u.a.) wurden, eben weil es keine sachliche Begründung gab, die
prozentualen Kürzungen bei einigen EVS-Positionen wieder zurückgenommen, der
100%-Wert in die Position eingesetzt, dafür aber wurde die Regelleistung
für Alleinstehende und Alleinerziehende auf das 15%-Perzentil der untersten
Einkommensbezieherinnen und -bezieher gekürzt.
Hinzu kamen weitere Kürzungen durch Herausnahme einzelner
Bedarfspositionen wie Alkoholische Getränke, Blumen etc. Diese Kürzungen
stellten und stellen heute noch eine Kürzung nach dem Warenkorbmodell
dar.
Grundsatzkritik II
Die Regelleistung geht für Alleinstehende und
Alleinerziehende in Höhe von 15 Prozent und für Kinder in Höhe von 20 Prozent von
dem nach der jeweiligen Verbrauchsstichprobe (EVS) des Bundesstatistikamtes
(destatis) ermittelten Verbrauchs in Deutschland aus.
Laut Robert-Koch-Institut (RKI) gelten als für die
Gesundheit förderlich und weshalb die Ernährung „reichlich“ aus ihnen bestehen
sollte, Brot, Getreide, Kartoffeln, Gemüse, Obst [6]. Hier aber liegt eine
extreme Inflationsrate laut destatis vor [7]. Von den Hilfebedürftigen kann
nicht verlangt werden, sich wegen der zu gering bemessenen Regelleistung
ungesund (z.B. fastfood) zu ernähren.
Es ist davon auszugehen, daß sich der Durchschnittsbürger,
die Durchschnittsbürgerin eher von Chips und Schokolade als von Obst und Gemüse
ernährt. Damit ist die Regelleistung schon mal geldlich gesehen der Höhe nach
geringer einzuordnen, als sie es wäre, würde ein Betrag für gesundes Essen
eingestellt.
Das gleiche gilt für Schuhe und Bekleidung. Die
Durchschnittsbevölkerung kauft wohl eher billige Schuhe und Bekleidung aus
Kinderarbeit in Bangladesh – nur als Beispiel. Dies sollte schon aus Gründen
der Menschenwürde politisch nicht auch bei „Hartz IV“-Empfängerinnen und
-empfängern unterstützt und abverlangt werden.
Die Bundesregierung scheut sich ja auch sonst nicht –
inkonsequente Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes unterstützt das –
in das Statistikmodell das alte Warenkorbmodell einzuflechten,
wenn es bestimmte EVS-Positionen für „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger
streicht. Warum also nicht Teile eines Warenkorbmodells im oberen Sinne
begünstigend in die Regelleistung einstellen? Das ist kein politisches
Wunschdenken, sondern Rechtsanspruch aus der Menschenwürde Art. 1 GG, die auch
für arbeitende Kinder in Bangladesh gilt.
Interessant ist ja, daß das Warenkorbmodell nur dort
angewandt wird, wo es um die Kürzung der Regelleistung geht. Korrekter
wie fairer Weise hätten z.B. die Positionen für die Nutzung des Öffentlichen
Personennahverkehrs (ÖPNV) (EVS-Hauptpositionen 0730 und 0733) der Realität
angepaßt und verdoppelt werden müssen, jedenfalls solange nicht bundesweit
einheitlich ein entsprechendes „Sozialticket“ eingeführt ist. Das Gleiche (Verdopplung
des EVS-Wertes) gilt für die Position der sog. Weißen Ware (EVS-Positionen 0531
200 und 0531 901) und die Position der Finanzdiensleistungen (EVS-Position 1262
900); erstere schon immer, letztere seit der Regelleistung 2017 [8].
Aber erst die Mischung macht’s.
Die Kürzungen fänden bei der reinen Anwendung des Statistikmodells
bald ihre Grenze. 10 Prozent und niedriger wäre ein Verstoß gegen mathematische
und naturwissenschaftliche Fehlerberechnung. Der Standardfehler wird bei
Messungen mit 10 % angesetzt. Daß bei den EVS die Lage zunehmend noch
schlechter ist, beweisen die vielen Leerstellen, die Ausdruck nicht
ausreichender Daten sind.
Auch bei der reinen Anwendung des Warenkorbmodells
käme eine Kürzung bald an ihre Grenze, da bei jeder Einzelposition begründet
werden muß, warum diese nicht zum Bedarf gehören soll. Exekutive und
Legislative haben jetzt schon keine ernsthaften Begründungen für die
Herausnahme einzelner EVS-Positionen, und was vermeintlich leichter
herauszunehmen ist, wurde schon 2011 herausgenommen. Außerdem erhöht jede
Herausnahme einer Position die Schwierigkeit des geforderten internen
Ausgleichs [8].
Andere
Kürzungsmöglichkeiten wie der verbotene Zirkelschluß durch die Aufnahme von
z.B. BAföG-Bezieherinnen und -Beziehern in den Kreis der EVS-Haushalte, obwohl
diese auf Sozialhilfe-/„Hartz
IV”-Niveau sind, zur Senkung der Regelleistung sind auch schon
ausgereizt [9].
Grundsatzkritik III
Es gibt etwa 30 Prozent der Bevölkerung derzeit, die
entweder Leistungen nach dem SGB II und SGB XII beziehen oder prekärer
Beschäftigung (working poor) nachgehen.
Von daher sollten für Alleinstehende nicht die untersten 15
Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher, sondern die untersten 30
Prozent für die Ermittlung der Regelleistung herangezogen werden. Wie hoch
diese dann ausfiele, kann vorliegend nicht beantwortet werden, dies könnte nur
das Bundesstatistikamt.
Festgestellt werden kann aber schon Folgendes:
Referenzgruppenfestlegung verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG
§ 4 Nr. 1 RBEG bestimmt für Alleinstehende und
Alleinerziehende die Bemessung der Regelleistung an Hand der untersten 15 % der
Einkommensbezieherinnen und -bezieher der EVS 2008; § 4 Nr. 2 RBEG bestimmt für
Familien, also Haushalte mit Kindern, die untersten 20% der Einkommensbezieherinnen
und -bezieher als Referenzhaushalte zur Bemessung der Höhe der Regelleistung [10;
gilt auch für EVS 2013, H.M.].
Unabhängig davon, daß diese Differenzierung nicht begründet
ist – weil sie außer mit dem Kostenargument auch gar nicht begründbar wäre –,
verstößt diese Ungleichbehandlung ansonsten gleicher SGB II/SGB
XII-Leistungsempfängerinnen und -empfänger gegen das Gleichbehandlungsgebot des
Art. 3 Abs. 1 GG, was hier wegen der Offensichtlichkeit dieses Verstoßes nicht
weiter begründet zu werden braucht.
Aufstocker u.a. sind nicht herausgerechnet, obwohl sie „Hartz
IV“ bekommen
Nach § 3 Abs. 2 RBEG n.F. [11] sind bei der Berücksichtigung
als Referenzhaushalt für die Bestimmung der untersten 15% bzw. 20% nicht
ausgenommen:
„Nicht auszuschließen sind
Haushalte, in denen Leistungsberechtigte leben, die im Erhebungszeitraum
zusätzlich zu den Leistungen nach Absatz 1 Nummer 1 bis 3 Erwerbseinkommen
bezogen haben.“
Damit sind sog. Aufstocker, aber auch nach SGB II
anrechnungsfreie Leistungen beziehende Hilfeempfängerinnen und -empfänger, die
eigentlich „Hartz IV“-identisch sind, nicht aus der Referenzgruppe
ausgeschlossen, so daß es hier eindeutig zu Zirkelschlüssen kommt, die die
Festlegung der Regelleistungshöhe verfälschen.
Andererseits sind laut der EVS 2013 [12]
„Ergebnisse für Haushalte,
deren monatliches Nettoeinkommen 18 000 Euro und mehr beträgt, bleiben
unberücksichtigt, da diese nicht beziehungsweise in viel zu geringer Zahl an
der Erhebung teilnehmen.“
Oder anders ausgedrückt: Sog. Besserverdienende, die keine
Angaben über ihre Ausgaben machen wollen, werden erst gar nicht statistisch
erfaßt, was die Regelleistungshöhe logischerweise noch einmal nach unten
drückt, da das untere Einkommensquantil von 15% bzw. 20% auf diese Weise
geringer ausfällt. Hier kann auch nicht als Ersatz-Argument die
Nichtberücksichtigung von Obdachlosen herangezogen werden, weil diese gar nicht
über einen Haushalt im eigentlichen Sinne verfügen; dies gilt nicht nur bei
sog. Straßenobdachlosigkeit, sondern im geringeren Maße auch bei Bezug von
Notunterkünften.
Quantität der EVS 2013-Haushalte geringer als behauptet
Die Aussage des Statistischen Bundesamtes, „Die
Ergebnisse 2013 basieren auf den Aufzeichnungen von 53 490 Haushalten“, ist
zu bezweifeln. Allerdings ist hierbei anzumerken, daß die noch in Statistisches
Bundesamt, Fachserie 15, Heft 4, S. 9 für die EVS 2008 enthaltene
„Hochrechnung“
„Aus den einzelnen
Erhebungsteilen der EVS 2008 liegen auswertbare Unterlagen über folgende
Haushaltsanzahlen vor: Erhebungsteil Anzahl Haushalte Allgemeine Angaben 58 984
Haushalte Geld- und Sachvermögen 56 274 Haushalte Haushaltsbuch 55 110
Haushalte Feinaufzeichnungsheft noch nicht bekannt“
bei der EVS 2013 [13] völlig fehlt.
Es haben noch weniger Haushalte teilgenommen an der EVS 2013
als an der EVS 2008. Gleichwohl behauptet das Bundesstatistikamt nicht mehr wie
zur EVS 2008, es hätten 60.000 Haushalte über das ganze Jahr teilgenommen [14],
obwohl es nur 55.110 waren; diesmal ist nur von 53.490 die Rede [15].
Aber auch dieses ist mathematisch falsch: es haben nur
13.400 Haushalte teilgenommen, d.h. je Quartal des Jahres waren nur 13.400
Haushalte beteiligt, aber eben immer andere 13.400 Haushalte. Hierzu zum
Verständnis im Einzelnen:
ZUMA-Arbeitsbericht Nr.
2006/01, Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 – Design und Methodik sowie
Veränderungen gegenüber den Vorgängererhebungen von Matthias Fleck, Georgios
Papastefanou, Mai 2006 (ISSN 1437-4110).
Das ergibt aber übers Jahr gerechnet eben nicht nur nicht
53.490 Haushalte, sondern nur 13.400 Haushalte, und, es ermöglicht eine
Datenverfälschung dergestalt, daß ein an der EVS 2013 beteiligter Haushalt im
Grenzfall 3 Quartale „Hartz IV“-Leistungen beziehen kann, im 4.
Untersuchungsquartal seiner Teilnahme an der EVS aber kein „Hartz IV“-Haushalt
ist, z.B. wegen kurzfristiger Beschäftigung, und so die Statistik nach unten
verfälscht.
Verfassungswidriger Fortschreibungsmodus
In der Bundesratsdrucksache 541/16 heißt es im
Begründungsteil [16]:
„Die Veränderungsrate des
Mischindexes berechnet sich folgendermaßen: VMI2017 = (0,7 * VRPI2017) + (0,3 *
VNLG2017). Dabei sind: VRPI2017 = Veränderungsrate des regelbedarfsrelevanten
Preisindexes VNLG2017 = Veränderungsrate der Nettolöhne und -gehälter je
beschäftigten Arbeitnehmer“.
Damit wird die zukünftige Entwicklung der Höhe der
Regelleistung nicht nur weiter nach unten verfälscht im Angesicht prekärer
Beschäftigungsverhältnisse, sondern diese Festlegung ist auch
verfassungswidrig, weil das Existenzminimum kein variabler Wert ist, sondern
einen unteren Limes darstellt, der sich in einem absoluten Betrag bemißt.
Allein die große und zunehmende Anzahl der sog. Aufstocker beweist, daß es
heute für viele Menschen Arbeit nicht zum existenzsichernden Lohn gibt. Eine
Legislative und Exekutive, die in die Berechnung des Existenzminimums
Lohnelemente hineinbringt, beabsichtigt im Profitinteresse des Kapitals
sinkende Löhne mit einem zunehmenden Anteil an von allen Steuerzahlern
bezahlten Lohnanteilen in Form aufstockender Sozialhilfe – und zwar über die
Regelung § 16e Abs. 2 SGB II hinaus.
Dies ist verfassungswidrig. Zur Regelleistung 2008 mit Bezug
zum Rentenwert:
„Dies rechtfertigt es
jedoch nicht, auf die zur Bestimmung des Existenzminimums nicht geeignete
Entwicklung des aktuellen Rentenwerts abzustellen. Vielmehr stehen andere,
sachgerechtere Anpassungsmechanismen zur Verfügung, welche die
Bedarfsentwicklung zwischen zwei Einkommens- und Verbrauchsstichproben in
größerer Nähe zu den Kriterien der Regelleistungsfestlegung nachzeichnen
können.“ … „Mit dem Statistikmodell eher vereinbar wäre beispielsweise eine
Hochrechnung anhand der Preisentwicklung in den Ausgabepositionen, aus denen
sich der regelleistungsrelevante Verbrauch zusammensetzt.“ [17]
Die an der Lohnentwicklung, aber auch
politisch-wahltaktischen Vorgaben orientierte Festlegung des Rentenwertes wurde
richtigerweise vom BVerfG als ungeeignet für die Fortschreibung der Regelleistung
SGB II beurteilt. Damit stellt aber auch die Lohnentwicklung selber, und sei es
nur zu einem Anteil von 30 Prozent, keinen geeigneten und keinen
verfassungskonformen Maßstab für die Regelleistung-Fortentwicklung dar.
Damit wirken sich die hier kritisierten Aspekte auch auf die
Regelleistung 2018 ff. aus.
Die Ausgleichsfunktion der Regelleistung
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) fordert, daß der
interne Ausgleich zwischen den einzelnen Positionen der Regelleistung möglich
sein muß [18]. Dies bezieht sich selbstverständlich auf die kleinste Einheit,
den Leistungsmonat (z.B. § 41 Abs. 1 SGB II).
Es gibt viele EVS-Positionen, die eine Ansparung erfordern,
und zwar über den sogenannten Ansparbetrag von 16 Prozent der Regelleistung –
2017 entspricht das € 65,44 monatlich – hinaus. So muß nicht nur für eine
Waschmaschine monatlich über Jahre angespart werden, sondern schon der ganze
Bereich Schuhe und Bekleidung erfordert eine solche Ansparung.
Das dem so ist, davon geht ja gerade die Regelung § 24 Abs.
1 SGB II aus. Deshalb ist auch ein Betrag von € 750,- gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 4
SGB II als zusätzlicher Vermögensfreibetrag vom sofortigen Verbrauch
ausgenommen, was etwa der Ansparung für ein Jahr entspricht, mit negativer
Tendenz, da die Regelleistung jährlich steigt, der Vermögensfreibetrag von €
750,- aber seit 2005 gleichgeblieben ist.
Hinzu kommt ein weiteres, viel gravierenderes Problem: der
Ansparbetrag § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Das heißt,
werden die KdU abgesenkt und wird ein Eilrechtsverfahren geführt, so ist ein
Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) für das Eilrechtsverfahren erst zu bejahen,
wenn der Ansparbetrag aufgebraucht ist. Da werden Schonvermögen (§ 12 Abs. 1
SGB II) und Ansparbetrag zusammen betrachtet. Ist kein Schonvermögen vorhanden,
geht es an den Ansparbetrag.
Bedarf es für die Anschaffung einer neuen Waschmaschine
(Ersatzbeschaffung) mindestens einer Ansparung von 5 Jahren – aus Sicht der
garantierten technischen Haltbarkeit bei Billigmodellen [8] – und bei der Höhe
des in die Regelleistung (EVS-Positionen 0531 200 und
0531 901) eingestellten Betrages immer noch von 10 Jahren, so ist klar,
daß es im Wesentlichen auf die interne Ausgleichsfunktion [19] ankommt, damit
dieses überhaupt gelingen kann.
Laut Statistischem Bundesamt (destatis) konnten sich 2012
ein Drittel der Gesamtbevölkerung keine größeren Anschaffungen leisten, bei den
Armutsgefährdeten (= weniger als 60% des mittleren Einkommens der
Gesamtbevölkerung) waren es sogar drei Viertel [20]. Damit ist offensichtlich,
daß nicht nur der hierfür in der Regelleistung vorgesehene Ansparbetrag bei
weitem nicht ausreichend ist, sondern auch die Kürzung der Regelleistung –
ohnehin dann über einen längeren Zeitraum – über die Darlehensaufrechnung § 24
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 42a Abs. 2 SGB II gegen Art. 3 GG in seiner Ausformung
als Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt. Nicht umsonst hat das BVerfG eine
solche Aufrechnung in solchen Fällen untersagt [21].
Damit dieser interne Ausgleich möglich ist, muß ersteinmal
das Problem der ausgleichsfähigen und nicht ausgleichsfähigen EVS-Positionen
betrachtet werden:
nicht ausgleichsfähige
EVS-Positionen
Als nicht ausgleichsfähige EVS-Positionen dürfen sicherlich
diejenigen gelten, die Monat für Monat verbraucht werden wie die Positionen für
Nahrungsmittel und Getränke (EVS-Positionen 0110 000, 0120 000),
ÖPNV-Busfahrkarte (EVS-Hauptpositionen 0730, 0733) oder für Kontogebühren
(EVS-Position 1262 900).
Weiter sind nicht ausgleichsfähig diejenigen EVS-Positionen,
die längerfristig angespart werden müssen für die Anschaffung langfristiger,
teurer Güter (z.B. Weiße Ware wie Waschmaschine) (EVS-Positionen 0531 100, 0531
200) oder für Bekleidung und Schuhe (EVS-Positionen 0311-0313, 0321). Hierzu
zählen grob die EVS-Abteilungen 03 (Bekleidung und Schuhe), 05
(Haushaltsgeräte), aber auch 09 (Freizeit, Unterhaltung, Kultur), welche
Letztere als sozio-kulurelles Existenzminimum besonders stark Streichungen
unterworfen ist.
Nicht ausgleichsfähig sind auch jene EVS-Positionen, die
willkürlich gestrichen wurden wie die für alkoholische Getränke (EVS-Position 0210
000 = € 9,90 abzüglich € 3,63 zusätzlich für Mineralwasser) oder für
Blumensträuße (EVS-Position 0933 901). Hierzu ist anzumerken, daß gerade die
zum sozio-kulturellen Existenzminimum gehörende Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben es bedingt, daß bei einem Krankenbesuch oder zum runden Geburtstag einer
Freundin ein Strauß Blumen mitgebracht wird, daß bei einem Treffen mit Freunden
auch mal ein Glas Bier (Norddeutschland), ein Glas Wein (Süddeutschland) als
Beteiligung in der Kneipe oder als Bedienung in der eigenen Wohnung drinsitzen
muß.
Ebenfalls nicht ausgleichsfähig ist die EVS-Position 0942
310 (Gebühren für Rundfunk und Fernsehen), welche zwar wegen der Befreiung von
SGB II- und SGB XII-Haushalten hiervon wegfallen kann und auch gestrichen ist,
damit aber auch nicht als Ausgleichsmasse zur Verfügung steht, zumal diese nur
mit zwei Dritteln des für alle geltenden Monatsbetrages von € 17,50 in die
EVS-Ermittlung Eingang gefunden hat, was ein Fragezeichen hinterläßt, da die
neue haushaltsbezogene statt bisher gerätebezogene Regelung seit 1. Januar 2013
gilt [22] und folglich Eingang in die EVS 2013 hätte finden müssen
Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß manche dieser
herausgestrichenen Positionen wie etwa die für Kinderbekleidung und -schuhe
(EVS-Positionen 0312 300, 0321 300) bei der Eckregelleistung (für Erwachsene)
dann bei der Kinder-Regelleistung auftauchen oder wie die EVS-Abteilung 04 als
Unterkunfts- und Heizkosten gemäß § 22 SGB II gesondert erbracht werden oder
wie die Gebühren für Kabelfernsehen (EVS-Position 0942 330) für den Fall, daß
diese Teil der Miete sind, ebenfalls im Rahmen des § 22 SGB II übernommen
werden.
ausgleichsfähige
EVS-Positionen
Ausgleichsfähige EVS-Positionen finden sich zunächst ganz
allgemein nur bei den EVS-Positionen, die nicht jeden Monat anfallen oder nicht
in der Höhe. Hier stellt sich aber berechtigt die Frage, wie zum Beispiel eine
Ansparung für die sog. Weiße Ware gelingen soll, wenn dieser Betrag ständig
anderweitig verwendet werden muß.
Werden die EVS-Abteilungen 03 (Bekleidung und Schuhe) und 05
(Haushaltsgeräte) außen vor gelassen, weil sie unerläßlich angespart werden
müssen, so bleiben fast ausschließlich die EVS-Abteilungen 09 (Freizeit,
Unterhaltung und Kultur), 11 (Beherbungs- und Gaststättendienstleistungen)
sowie 12 (andere Waren und Dienstleistungen) für die Ausgleichsfunktion übrig.
Hierbei ist aber Folgendes festzustellen:
Die EVS-Abteilung 11 (Beherbungs- und
Gaststättendienstleistungen) fällt eigentlich unter das sozio-kulturelle
Existenzminimum und könnte nur dann als Ausgleich fungieren, wenn auf soziale
Kontakte verzichtet wird.
Bei der EVS-Abteilung 12 (andere Waren und
Dienstleistungen), zu welcher auch die monatlich anfallenden Kontogebühren
zählen (EVS-Position 1262 900) sind viele Positionen gestrichen, so daß, wenn
die EVS-Hauptpositionen 1212 und 1213 (Körperpflege) als notwendiger Bedarf für
jeden Leistungsmonat betrachtet werden, lediglich die Friseur-Dienstleistungen (EVS-Positionen
1211 101, 1211 200) als Ausgleichsmasse zur Verfügung stehen, wenn sich jemand
aus materieller Not die Haare selbst schneidet.
Die meisten Streichungen finden innerhalb der EVS-Abteilung
09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur) statt, also jener Position, die zentral
für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist. Wer also nicht mehr am
kulturellen Leben teilnimmt, könnte die EVS-Positionen 0951 000 (Bücher), 0952
900 (Zeitungen, Zeitschriften), 0954 900 (Schreibwaren), 0941 000
(Musikinstrumente, Hobbykurse), 0911 200 (Fernseh- und Videogeräte) als
Ausgleichsmasse „einsparen“. Hier wird schon deutlich, daß die Bundesregierung
mit Deckung durch den Kirchhof-Senat des Bundesverfassungsgerichtes die
Regelleistung auf das physische Existenzminimum zusammengekürzt hat, obwohl die
Regelleistung das sozio-kulturelle Existenzminimum sichern soll [23].
Wird dieses exzessiv betrieben, so ließen sich über die EVS-Abteilungen
09 (Freizeit, Unterhaltung und Kultur), 10 (Bildungswesen), 11 (Beherbungs- und
Gaststättendienstleistungen) sowie 12 (andere Waren und Dienstleistungen) im
Falle des best-case ca. 26 Euro einsparen Monat für Monat. Das reicht
bei vielen gerade als Ausgleich für das ÖPNV-Monatskarte-Defizit.
Zwar könnte dieser Betrag monatlich auf ca. 60 Euro
gesteigert werden, aber nur unter der Bedingung, daß die notwendigen
Ansparbeträge aus den EVS-Abteilungen 03 (Bekleidung und Schuhe), aber ohne
Wäsche, und 05 (Haushaltsgeräte), aber ohne Geschirr, und 07 (Verkehr), hier
aber nur Ersatzteile, als Ausgleichsmasse verwendet würden.
Da aber die Ansparbeträge nicht als Ausgleichsmasse zur
Verfügung stehen, da sie sonst entgegen ihrer Funktion nicht ansparbar wären,
bleibt es bei einer monatlichen Ausgleichsmasse von ca. 26 Euro.
Wertung
Es ist immer wieder zu beobachten, wie die Sozialgerichte
(SG) und Landessozialgerichte (LSG) einerseits sagen, daß es nicht auf die
einzelnen EVS-Positionen ankäme, sondern auf die Regelleistung als Ganzes,
wobei nur der interne Ausgleich gewährleistet sein müsse. Andererseits werden
aber einzelne EVS-Positionen zur Entscheidungsbegründung personalisiert
herangezogen. So hat das Bayerisches LSG [24] gemeint, der Kläger könnte in
seiner Wohngemeinde alle wichtigen Einrichtungen vorfinden und müßte nicht mit
dem Bus in Nachbargemeinden, so daß für ihn die ÖPNV-Kosten nicht anfielen.
Nicht nur, daß in dem genannten Fall das LSG gegen seine
eigene Rechtsauffassung verstoßen hat – „Dabei ist nicht auf die Teilbeträge
für die einzelnen Abteilungen allein abzustellen.“ –, sondern für die
Gesamtbetrachtung sind die einzelnen EVS-Positionen nicht unbedeutend:
„Die Herausnahme einzelner
Positionen der EVS aus der Berechnung des Regelbedarfs ist nicht deshalb
verfassungsrechtlich angreifbar, weil ihr Überlegungen zugrunde liegen, die das
Warenkorbmodell prägen, also eine Mischung der Berechnungsmethoden als ‚Methoden-Mix’
entsteht. Die Berechnung ist damit nicht verfassungswidrig. Die Modifikationen
des Statistikmodells dürfen allerdings insgesamt kein Ausmaß erreichen, das die
Tauglichkeit des Modells für die Ermittlung der Höhe existenzsichernder
Regelbedarfe in Frage stellt. Soweit es erforderlich ist, die mittels des
Statistikmodells gewonnenen Ergebnisse etwa aufgrund offensichtlich
bedarfsrelevanter Entwicklungen zu überprüfen, kann der Gesetzgeber mit Hilfe
der Warenkorbmethode vielmehr auch kontrollierend sicherstellen, dass der
existentielle Bedarf tatsächlich gedeckt ist. Desgleichen kann er auf einzelne
Waren bezogene Überlegungen nutzen, um die Verbrauchsdaten der EVS an die
Ermittlung der Bedarfe anzupassen.“ [25].
Hier stellt sich eine Grundsatzfrage:
Wenn die Regelleistung eine Pauschale ist, die sich zwar aus
einzelnen EVS-Positionen zusammensetzt – statistisch –, aber nur als Ganzes in
Betracht kommt, weil es sich um eine Pauschale handelt, dann müssen gleichwohl
die dort eingestellten EVS-Positionen der Höhe nach gewährleisten, daß das
Existenzminimum gesichert ist. Entgegen der Behauptung, es handele sich bei der
Regelleistung um eine aufgrund des Statistikmodells errechnete Leistung,
hat der Gesetzgeber mit Duldung des BVerfG [25] ja das alte Warenkorbmodell
immer wieder dort einfließen lassen, wo es darum ging, einzelne EVS-Positionen
aus der Regelleistung herauszustreichen – real, um die Regelleistung niedrig zu
halten, offiziell und damit ideologisch damit begründet, daß die
herausgestrichenen EVS-Positionen nicht zum Existenzminimum gehörten. Bei einer
grundsätzlich prozentualen (15%, 20%) Ableitung von den statistisch ermittelten
Verbrauchsausgaben ist ein zusätzlich punktuell inhaltlich bestimmter Warenkorb
nicht erlaubt, es ist ein Widerspruch.
Die interne Ausgleichsmöglichkeit muß sich aber realisieren
lassen, was nur möglich ist, wenn nicht alle einzelnen EVS-Positionen schon
aufgrund der prozentualen Vorfestlegung (15%, 20%) unrealistisch niedrig sind.
Um dies zu belegen, bedarf es sehrwohl einer an den einzelnen EVS-Positionen
ausgerichteten Betrachtung und Abgleichung. Denn, wenn alle oder fast alle oder
die der Höhe nach größten EVS-Positionen unrealistisch zu niedrig bemessen
sind, dann ist nicht nur der geforderte interne Ausgleich [19] nicht möglich,
sondern auch der gesetzlich vorgeschriebene Ansparbetrag illusorisch.
Wenn für den ÖPNV 25 Euro in die Regelleistungspositionen
eingestellt sind, real aber z.B. 50 Euro zu zahlen sind, dann geht dieses nur,
wenn das Defizit von 25 Euro jeden Monat über andere EVS-Positionen
ausgleichbar ist.
Da aufgrund des teilweisen, weil für die Kürzung der
Regelleistung genutzten Warenkorbmodells die verbliebenen EVS-Positionen
nicht nur als „regelleistungsrelevant“, sondern als unangreifbarer Teil des
Existenzminimums zu betrachten sind, kommt es wegen des gleichzeitigen
Charakters als Pauschale nicht darauf an, ob jemand tatsächlich Ausgaben für
die einzelnen EVS-Positionen tätigt. Entscheidend ist, daß er einen Anspruch
auf diese Positionen innerhalb der Regelleistung hat. Folglich dient der
Rückbezug auf die einzelnen EVS-Positionen, die in der Regelleistung als
Pauschale enthalten sind, auch lediglich der statistischen Überprüfung, ob die
Regelleistung insgesamt überhaupt die Gewähr dafür bietet, mit dieser Pauschale
auskommen zu können.
Die Bundesregierung weigert sich aber penetrant selbst die
horrenden Preissteigerungen bei Obst und Gemüse 2015/2016 und bei
Molkereiprodukten 2017 [7] zu berücksichtigen. Ein Hohn sind die jährlichen
Erhöhungen der Regelleistung in diesen Jahren um 5 bis 8 Euro. Die
Bundesregierung arbeitet hier damit, daß die Regelleistung nur noch ein
reduziertes physisches Existenzminimum abdecken soll; das vom
Bundesverfassungsgericht geforderte sozio-kulturelle Existenzminimum [26] wird
ignoriert, wie die Forderung des Bundesverfassungsgerichtes, den internen
Ausgleich zu ermöglichen [21].
Fußnoten:
[1] BRatDrs. 541/16,
Seite 1 <7> ff.
[2] § 7 Abs. 2 RBEG,
BGBl. I, 2016, Nr. 65, S. 3161
[3] Destatis/WZB
(Hrsg.), Datenreport 2013, Seite 217
[4] BVerfG, Urteil
vom 9. Februar 2010, Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rdnr. 171
[5] Bericht über die
Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern für das Jahr 2010
(Siebenter Existenzminimumbericht), Kapitel „Umfang und Höhe des
Existenzminimums von Erwachsenen“, Punkt 4.1.1 zur Regelleistung 2011 (EVS
2008)
[6] RKI [mit
destatis], Gesundheit in Deutschland, Berlin November 2015, Tabelle 3.8.1.,
Seite 198
[7] destatis,
Verbraucherpreise zu ausgewählten Waren und Dienstleistungen, www.destatis.de/DE/Startseite.html
[9] SG Berlin,
Vorlagebeschluß vom 25. April 2012, Az.: S 55 AS 29349/11: „Aus dieser
Gruppe sind die Bezieher von Leistungen nach dem BAföG nicht ausgeschieden
worden. Dies ist nach den methodischen Vorgaben des BVerfG unzulässig, weil das
BAföG neben seiner ausbildungsfördernden Funktion eine existenzsichernde
Aufgabe zu erfüllen hat (BSG, Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, RdNr 25).
Beide Funktionen stehen nach der Rechtsprechung des BSG gleichwertig
nebeneinander (BSG ebd). Als existenzsichernde Leistungen mussten sie aber zum
Ausschluss der Empfänger dieser Leistungen aus der Referenzgruppe führen, um
die Bedarfsbestimmung aus einem selbstreferenziellen System heraus zu
vermeiden.“ … „Als monatlichen Höchstbedarf ohne Unterkunftskosten gibt § 13
Abs 1 Nr 2 BAföG für Studierende an Hochschulen seit der BAföG-Novelle 2010
einen Betrag von 373 EUR vor. Dies scheint zwar dem aktuellen Regelbedarf fast
zu entsprechen. Allerdings enthält dieser Wert in deutlich größerem Umfang
einen ausbildungsbezogenen Bedarf (Semester-/Prüfungsgebühren, Lehrbücher,
Studienmaterial etc). Dieser ausbildungsspezifische Bedarf besteht nach der
Rechtsprechung des BSG in einem Umfang von 20 Prozent der BAföG-Gesamtleistung
(BSG Urteil vom 17.03.2009, B 14 AS 63/07 R, RdNr 30), aktuell 119,40 EUR. Damit
können die BAföG-Leistungen praktisch nicht als existenzsichernd angesehen
werden. Sofern auf die Möglichkeit der Abzweigung des Kindergeldes, das auf die
Leistungshöhe wegen des Freibetrages nach § 23 Abs 1 Nr 1 BAföG nicht
anzurechnen ist, verwiesen wird, ist zu beachten, dass Kindergeld nur bis zum
25. Lebensjahr gewährt wird (§§ 2 Abs 2 Nr 2 BKGG, 62, 63 Abs 1 Nr 1, 32 Abs 4
Nr 2 EStG). Diese Möglichkeit ist einem Großteil der Studierenden, insbesondere
solchen im zweiten Bildungsweg und im Masterstudium daher verschlossen.“
Dieser Position hat der Kirchhof-Senat in seiner Entscheidung vom 23. Juli 2014
nichts Inhaltliches entgegengesetzt: „Der Gesetzgeber war von Verfassungs
wegen nicht gehalten, all diejenigen Haushalte aus der Erfassung auszuschließen,
die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhielten. Solche
Personen haben an der EVS 2008 ohnehin nur teilgenommen, wenn sie gemäß § 2 Nr.
1 RBEG im Erhebungszeitraum einen eigenen Haushalt führten (BTDrucks 17/3404,
S. 88) und wenn nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 RBEG ein nicht
ausbildungsbedingter Bedarf bestand, der nicht aus eigenen Mitteln gedeckt
werden konnte, denn dann greift ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Im Übrigen ist nicht
ersichtlich, dass die Einbeziehung dieser Haushalte die Höhe des Regelbedarfs
erheblich verzerrt.“ [BVerfG, Senatsbeschluß vom 23. Juli 2014, Az.: 1 BvL
10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rdnr. 106]
[14] Statistisches Bundesamt, Fachserie 15, Heft 4 (2008),
S. 7
[15] = [12], S. 7
[16] = [1], Seite 79 <85>
[17] = [4], Rdnrn. 185 u. 186
[18] zuletzt: BVerfG, Senatsbeschluß vom 23. Juli 2014, Az.:
1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13, Rdnr. 115: „Der Gesetzgeber kann im
Rahmen seiner Ausgestaltungsfreiheit entscheiden, ob dieser Ausgleich durch
zusätzliche Ansprüche auf Zuschüsse neben dem Regelbedarf erfolgen soll (aa).
Er kann auch einen internen Ausgleich vorsehen, muss aber sicherstellen, dass
dafür finanzieller Spielraum vorhanden ist (bb). Entscheidend ist aus verfassungsrechtlicher
Sicht nur, dass existenzsichernde Bedarfe insgesamt tatsächlich gedeckt sind.“
[21] = [18], Rdnr. 116: „Fehlt die Möglichkeit
entsprechender Auslegung geltenden Rechts, muss der Gesetzgeber einen Anspruch
auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf schaffen. Auf ein nach § 24 Abs. 1 SGB
II mögliches Anschaffungsdarlehen, mit dem zwingend eine Reduzierung der
Fürsorgeleistung um 10 % durch Aufrechnung nach § 42a Abs. 2 Satz 1 in
Verbindung mit § 24 Abs. 1 SGB II ab dem Folgemonat der Auszahlung verbunden
ist, kann nur verwiesen werden, wenn die Regelbedarfsleistung so hoch bemessen
ist, dass entsprechende Spielräume für Rückzahlungen bestehen.“