Herbert Masslau

Entschädigungsklagen – kein Recht für „Hartz IV“-Empfängerinnen und -empfänger

(31. Dezember 2014)

 

 

Vorbemerkung I

Zunächst einmal möchte der Autor dieser Zeilen auf seinen Artikel Entschädigungsgesetz wegen überlanger Gerichtsverfahren zum Entschädigungsrecht hinweisen.

Deshalb soll an dieser Stelle auch nur kurz erwähnt werden, daß der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Bundesrepublik Deutschland seit Jahren immer wieder verurteilt hatte wegen überlanger Dauer von Gerichtsverfahren und damit Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 u. Art.13 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention). Insbesondere seit dem Fall Sürmeli gegen Deutschland (Beschwerdenummer 75529/01) mit Urteil vom 8. Juni 2006 wurde Deutschland immer wieder vom EGMR verurteilt. Zuletzt, aufgemacht am Fall Rumpf gegen Deutschland (Beschwerdenummer 46344/06), mit Urteil vom 2. September 2010, reichte es dem EGMR und er schob in das eigentliche Urteil eine zehnseitige Auseinandersetzung mit dem Verhalten der BRD ein, und, der EGMR versah dieses Urteil mit Art. 46 EMRK, dessen Absatz 2 bestimmt, daß das Europäische Ministerkomitée die Überwachung der Durchführung des EGMR-Urteils übernimmt.

Diese Blamage für einen europäische Rechtsstaat führte dann zum am 3. Dezember 2011 in Kraft getretenen Entschädigungsrecht.

Eigentlich sah die langjährige Rechtsprechung des EGMR nicht nur ein Entschädigungsrecht (Art. 41 EMRK - Recht auf gerechte Entschädigung) vor, sondern auch ein Beschleunigungsgesetz (Art. 6 EMRK - Recht auf ein faires Verfahren u. Art. 13 EMRK – Recht auf wirksame Beschwerde), welches es aber bis heute nicht gibt. Dieser Aspekt ist nicht unwichtig, wenn immer wieder die sogenannte richterliche Unabhängigkeit gemäß Art. 97 GG gegen das Entschädigungsrecht ins Feld geführt wird.

Übrigens: Die vom Autor gewonnene Verfassungsbeschwerde BVerfG, 1 BvR 232/11 (27. September 2011) ist, nachdem alle anderen vorhergehenden diesbezüglichen Verfassungsbeschwerden in anderen sozialgerichtlichen Klagen des Autors und seiner Kinder ohne Nennung eines Grundes abgelehnt wurden, auch dem EGMR und der sogenannten Pilotentscheidung im Fall Rumpf gegen Deutschland zu verdanken. Auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu akzeptieren. Was in anderem Zusammenhang berechtigt bedauert werden mag, daß nämlich supranationales Recht nationales Recht bricht, gereicht hier ausnahmsweise mal zum Vorteil der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. D.h., anders ausgedrückt, im Falle der gewonnenen Verfassungsbeschwerde des Autors dieser Zeilen wurden „die Roten Roben zum Jagen getragen“.

Das Entschädigungsrecht wurde schließlich als §§ 198-201 GVG ins Gerichtsverfassungsgesetz eingefügt durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 [1], einem sog. Artikelgesetz, dessen Art. 23 Übergangsvorschriften für bereits beim EGMR anhängige Menschenrechtsbeschwerden enthält – nicht mehr relevant, da am 3. Juni 2012 ausgelaufen – und dessen Art. 24 das Inkrafttreten auf den Tag nach der Verkündigung, also auf den 3. Dezember 2011, festlegt.

Gemäß § 201 GVG sind für das Entschädigungsrecht erstinstanzlich die Oberlandesgerichte zuständig. Artikel 7 des Gesetzes bestimmt dann für den Bereich des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), daß die Kostenfreiheit des § 183 SGG für Entschädigungsklagen entfällt und daß § 202 SGG neu gefaßt wird, mit der Maßgabe, daß im Bereich des SGG an die Stelle der Oberlandesgerichte die Landessozialgerichte treten; deren Entscheidungen können nur vor dem BSG im Rahmen des Revisionsrechtes überprüft werden.

Das führt dazu, daß die Gerichte, die als Berufungsinstanz in Hauptsacheverfahren „Hartz IV“ betreffend tätig werden, auch über die Entschädigung entscheiden, wenn auch andere Senate, was z.B. beim LSG Niedersachsen-Bremen keinen Unterschied macht.

Generell gilt, sind die Bundesländer betroffen (SG, LSG), dann ist das LSG Entschädigungsgericht und das jeweilige Bundesland Beklagter und möglicher Kostenträger, ist der Bund betroffen, so sind die Bundesgerichte (hier: BSG) zuständiges Entschädigungsgericht. Für das Bundesverfassungsgericht gilt eine eigene Entschädigungsregelung.

 

Vorbemerkung II

Nachfolgend soll es in diesem Artikel nicht um bereits vorliegende Urteile von Landessozialgerichten gehen, zumal ein wesentlicher, inhaltlich wesentlicher Teil dieser Urteile durch die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. September 2014 obsolet geworden ist.

Vielmehr setzt sich dieser Artikel mit eben dieser BSG-Rechtsprechung vom 3. September 2014 auseinander, da das BSG hier Grundlegendes für das Entschädigungsrecht entschieden hat. Die wesentlichen Aspekte werden hier erläutert und kritisiert.

Weiterhin wird am Schluß auf die erste statistische Erhebung der Bundesregierung zum Entschädigungsrecht betreffend die Jahre 2012 und 2013 kritisch eingegangen.

Der Übersichtlichkeit halber sind die Fußnoten im Text mit einer Nummer in eckigen Klammern [ ] versehen und am Schluß des Artikels aufgelistet.

 

 

Das BSG zum Entschädigungsrecht

Nachfolgend geht es nur um die grundlegenden Entscheidungen vom 3. September 2014. Da das BSG mit diesen BSG-Entscheidungen zum Teil von seinen ersten Entscheidungen zum Entschädigungsrecht (Az.: B 10 ÜG 1/12 KL u. B 10 ÜG 2/12 KL) abwich, sind die ersten Entscheidungen auch nicht mehr so bedeutend.

Gegenstand waren LSG-Entscheidungen u.a. des 37. Senats des LSG Berlin-Brandenburg, welcher in seinen Entscheidungen durch eine gewisse Häme immer wieder auffällt, als auch die einzig interessante, auch weil positive Entscheidung des LSG Mecklenburg-Vorpommern.

Neben dem Terminsbericht wurden bisher frei zugänglich vom BSG nur die Entscheidungen Az.: B 10 ÜG 2/13 R und B 10 ÜG 12/13 R veröffentlicht.

Von den vier am 3. September 2014 vom BSG entschiedenen Entschädigungsverfahren betreffen drei auch die Übergangsregelung des Art. 23 ÜGG [Überlange Gerichtsverfahren Gesetz], was nachfolgend als Aspekt, insbesondere auch wegen der spezifischen Einzelfälle diesbezüglich, keine Rolle spielen soll.

 

1. überlange Verfahrensdauer weiterhin ungeklärt

a) Vorverfahren / Widerspruchsverfahren

Für „Hartz IV“-Verfahren, die regelmäßig kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen sind (§ 54 Abs. 1 u. 4 i.V.m. § 56 SGG) ist nach § 78 Abs. 1 u. 3 SGG das Widerspruchsverfahren als Vorverfahren vor der Klageerhebung vorgeschrieben. Das Gleiche gilt für reine Anfechtungsklagen z.B. gegen Sanktionsbescheide.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat durchgängig das vorgeschriebene Vorverfahren bei der Begutachtung der Verfahrensdauer mit einbezogen.

Hiervon weicht nun die Rechtsprechung des BSG, gesetzeskonform, ab:

„Nach der Entscheidung des BVerwG mit Urteil vom 11.7.2013 (5 C 23/12 D - …), der sich der erkennende Senat anschließt, sind das Verwaltungsverfahren und das dem gerichtlichen Verfahren vorausgegangene Vorverfahren bei einer Behörde (Widerspruchsverfahren) nicht Bestandteil des Gerichtsverfahrens iS von § 198 Abs 1 S 1 und § 198 Abs 6 Nr 1 GVG. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut ‚Gerichtsverfahren’ im Gesetz selbst und entspricht nach den Gesetzesmaterialien dem Willen des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 17/3802 S 17 f; …).“ [2]

Es wird sich im Laufe der nächsten Jahre zeigen, inwieweit der EGMR diese nationale Gesetzeslage und Rechtsprechung akzeptieren wird oder nicht.


b) Einfluß von Eilrechtsverfahren

Leider wurde bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des vorliegenden Artikels das vom BSG gefällte Urteil in einem AS-Verfahren nicht veröffentlicht. Es handelt sich dabei um das BSG-Verfahren B 10 ÜG 9/13 R, so daß auf den Terminsbericht zurückgegriffen werden muß.

Das BSG urteilte:

„Nur weil die Klägerin im Ausgangsverfahren keinen einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch genommen hat, darf das LSG dabei nicht auf eine mindere Bedeutung des Ausgangsverfahrens für die Klägerin schließen.“ [3]

Dies entspricht der Vorgabe durch die vom Autor und seinen Kindern gewonnene Verfassungsbeschwerde vom 27. September 2011, wo es hieß:

„Es ist nicht ersichtlich, dass bei der Kammer, die das zugrunde liegende Verfahren zu bearbeiten hatte beziehungsweise hat, gleichzeitig ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anhängig war, so dass es auch deswegen nicht zu einer Verzögerung gekommen sein kann.“ [4]

Hiernach muß zukünftig im Umkehrschluß damit gerechnet werden, daß wenn zum Hauptsacheverfahren bei derselben (!) Kammer des SG ein Eilrechtsverfahren hinzukommt, sich dies für die auf Entschädigung klagende „Hartz IV“ beziehende Person hinsichtlich der Bestimmung der Überlänge der Verfahrensdauer negativ auswirkt. Dies ist umso problematischer, wenn die zunehmende Tendenz sozialgerichtlicher Rechtsprechung weiter um sich greift, z.B. bei rechtswidrig vorenthaltenen KdU-Leistungen wegen angeblicher „Unangemessenheit“ einen Eilrechtsschutz zu verneinen, solange keine Räumungsklage des Vermieters vorliegt. Wenn dann später bei ganz oder teilweise gewonnenem Hauptsacheverfahren und anschließender Entschädigungsklage, wenn jenes überlang gedauert hat, dem „Hartz IV“-Kläger bzw. der „Hartz IV“-Klägerin entgegen dem Zweck der Entschädigung der finanzielle Ausgleich verweigert wird. Zweck der Entschädigung ist dabei nach BSG:

„Nachteil im Sinne des Abs 1 sind dabei ua sämtliche immateriellen Folgen eines überlangen Verfahrens; dazu gehört nach den Vorstellungen des Gesetzgebers insbesondere die seelische Unbill durch die lange Verfahrensdauer (Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802, S 19).“ [5]


c) „Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten“

Das LSG Mecklenburg-Vorpommern, dessen Entscheidung dem BSG-Verfahren B 10 ÜG 2/13 R zugrunde lag, hatte geurteilt:

„Der Senat geht davon aus, dass als unverzüglich eine Terminierung dann anzusehen ist, wenn der Verhandlungstermin binnen eines halben Jahres nach Eintritt der Entscheidungsreife liegt bzw. die ggf. zu treffende Entscheidung allenfalls kurze Zeit über diesem Zeitpunkt hinaus auch vorliegt, da auch die Entscheidungsabsetzung noch die Verfahrensdauer betrifft.

- Hieraus folgt letztlich bereits, dass unter Beachtung angemessener Stellungnahmefristen, dem Erfordernis zumindest einer kurzen Klagebegründung und Klageerwiderung sowie einer unverzüglichen Terminierung im dargestellten Sinne Verfahrensdauern für Hauptsachen von bis zu einem Jahr pro Instanz de facto als normal und nicht überlang angesehen werden müssen (…).“ [6]

Dies hätte bedeutet, daß im Regelfall je Instanz eine Verfahrensdauer von insgesamt 12 Monaten nicht als überlang zu werten wäre. Dem hat sich zum Nachteil der auf Entschädigung Klagenden das BSG nicht angeschlossen.

In allen vier am 3. September 2014 entschiedenen Verfahren hält das BSG zusätzlich zu den aktiven Zeiten des SG / LSG eine inaktive Phase von 12 Monaten für unschädlich im Hinblick auf den Entschädigungsanspruch:

„Eine Verfahrensdauer von bis zu zwölf Monaten je Instanz ist damit regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann.“ [7]

„Der Senat geht zu diesem Zweck aufgrund der besonderen Natur sozialgerichtlicher Verfahren derzeit von folgenden Grundsätzen aus: Die persönliche und sachliche Ausstattung der Sozialgerichte muss einerseits so beschaffen sowie die gerichtsinterne Organisation der Geschäfte (Geschäftsverteilung, Gestaltung von Dezernatwechseln etc) so geregelt sein, dass ein Richter oder Spruchkörper die inhaltliche Bearbeitung und Auseinandersetzung mit der Sache wegen anderweitig anhängiger ggf älterer oder vorrangiger Verfahren im Regelfall nicht länger als zwölf Monate zurückzustellen braucht.“ [8]

„Beruht die Verfahrensdauer, die die genannte Dauer von zwölf Monaten je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung (zB Zeit für Einholung von Auskünften, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Beiziehung von Akten) oder wird sie maßgeblich durch das Verhalten des Klägers, anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter verlängert, so macht selbst dies die Verfahrensdauer in der Regel ebenfalls noch nicht unangemessen.“ [9]

„Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien von § 198 Abs 1 S 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen. Damit ändert die Zwölfmonatsregel nichts am Vorrang der Einzelfallbetrachtung, sondern verschiebt lediglich die sachlichen Anforderungen an die Verfahrensförderung entlang zeitlicher Grenzen.“ [10]

In diesem Zusammenhang übernimmt das BSG den bereits vom EGMR und dem BVerfG – „Dagegen kann sich der Staat nicht aut solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (…).“ [11] – ausgeurteilten Rechtsstandpunkt, wonach die sachliche und personelle Ausstattung der (Sozial-)Gerichte, für die Bund und Länder zuständig sind, so auszugestalten ist, daß dadurch eine Verfahrensverzögerung vermieden wird:

„Keinen sachlichen Grund stellt von vornherein eine unzureichende sachliche oder personelle Ausstattung der Justiz generell oder speziell des Ausgangsgerichts dar. Beruht die Verletzung des Anspruchs auf Rechtsschutz in angemessener Zeit auf einer strukturellen Überlastung der Justiz und drückt sich darin eine generelle Vernachlässigung des Anspruchs aus Art 6 EMRK, Art 19 Abs 4 GG aus, wiegt der resultierende Grundrechtsverstoß besonders schwer (…).“ [12]

Als Ergebnis kann festgehalten werden: Das Entschädigungsgericht (LSG) hat Phasen der Aktivität und Inaktivität des Ausgangsgerichts (SG, LSG) einander gegenüber zu stellen:

„Das LSG wird nunmehr nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache unter Beachtung der vorstehend genannten Vorgaben die konkreten Zeiten aktiver und inaktiver Bearbeitung des Verfahrens vor dem SG konkret ermitteln und seine Feststellungen im Rahmen der Prüfung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nach § 198 Abs 1 S 2 GVG erneut abwägen müssen.“ [13]

Dabei hat das Entschädigungsgericht (LSG) zu beachten, daß das Ausgangsgericht (SG, LSG) mit zunehmender Verfahrensdauer sich um die Beschleunigung und Beendigung des Verfahrens zu kümmern hat [14].

„Das gilt etwa für die Setzung großzügiger Fristen zur Stellungnahme, den mehrfachen Austausch von Schriftsätzen ohne richtungweisende Einflussnahme des Gerichts und ohnehin für sog Schiebeverfügungen.“ [15]

Das Entschädigungsgericht (LSG) hat auch zu beachten, „ob das Ausgangsgericht alle geeigneten prozessualen Mittel ausgeschöpft hat, um den Beklagten im Ausgangsrechtsstreit zu schnellerem Handeln zu bewegen. Andernfalls ist auch die Verzögerung des Ausgangsverfahrens, die dessen Beklagter durch seine schleppende Prozessführung verursacht hat, dem Ausgangsgericht zuzurechnen.“ [16] Leider ist diese Entscheidung des BSG zu einem „Hartz IV“-Verfahren – Absicht? – bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht kostenlos veröffentlicht.

Nun können aber anspruchsvernichtende Zeiten hinzukommen, wobei das BSG hierzu mal wieder derart wischiwaschi entschieden hat, daß die Gefahr sehr konkret ist, daß bis zur weiteren Klärung durch das BSG manche LSG dies zu Lasten der Entschädigungsklägerinnen und -kläger auslegen werden. So entschied das BSG:

„Sofern der Kläger also während Phasen der Inaktivität des SG selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt hat, liegt keine inaktive Zeit der Verfahrensführung durch das SG vor und damit keine überlange Verfahrensdauer. Insoweit geht der Senat davon aus, dass eingereichte Schriftsätze, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht bewirken, die mit einem Monat zu Buche schlägt.“ [17]

Was ist „ein gewisser Umfang“ bei Schriftsätzen? Und heißt das, daß mit jedem Schriftsatz außer der Klageschrift und einem ersten Antwortschriftsatz auf die Replik des Beklagten dem SG, LSG ein weiterer Monat Verfahrensdauer zuzugestehen ist? Und welche Art von Schriftsätzen zählen dazu?

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vom Autor und seinen Kindern gegen das SG Hildesheim gewonnenen Verfassungsbeschwerde hervorgehoben:

„Die Beschwerdeführer selbst haben ebenfalls nicht maßgeblich zur Verzögerung des Verfahrens beigetragen. In ihren Schreiben führten sie regelmäßig neuere Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu Leistungen für Kosten der Unterkunft an und gaben deren Inhalt wieder. Hierdurch war das Sozialgericht nicht daran gehindert, Ermittlungen zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft anzustellen.“ [18]

Gelten nun solche Schriftsätze auch als Verlängerungsinstrument einer zulässigen Verfahrensdauer? Oder gilt das nur für solche Fälle?:

„Dabei darf das LSG berücksichtigen, dass die Klägerin keinen entschädigungsrechtlichen Vorteil daraus ziehen darf, dass sie unstrukturierte umfangreiche Schriftsätze und Stellungnahmen bei Gericht einreicht oder Anträge stellt, denen das Gericht nachgehen muss, auch wenn dies letztlich nicht zur Kenntniserlangung oder Verfahrensförderung beiträgt oder sich in der Wiederholung immer gleichen Vorbringens erschöpft.“ [19]

Nun, wie die KdU-Verfahren im Rahmen von SGB II-Klagen beweisen, kann das BSG ein Thema von herausragender Bedeutung für die Betroffenen bereits seit 8 Jahren kochen, ohne definitive Klärung grundlegender Fragen, die alle betreffen.

 

2. ‚Bedeutung der Sache’

Neben der Verfahrensdauer ist die ‚Bedeutung der Sache’ für den Kläger, die Klägerin entscheidungsrelevant. Dies geht auch schon aus der Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG hervor. Dazu das BVerfG:

„Zu den Rechtsangelegenheiten, die wegen ihrer Natur und ihrer Bedeutung für die Betroffenen besonders zu fördern sind, gehören Verfahren, bei denen dem Grunde oder der Höhe nach um Fürsorgeleistungen wie vorliegend die Grundsicherungsleistungen gestritten wird. Solche Leistungen dienen der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums, sind also auch aus der Sicht von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG von erheblicher Bedeutung (…).“ [20]

Schon der Bundesfinanzhof (BFH), der zum Beispiel für Kindergeldklagen zuständig ist, und im Regelfall eine Verfahrensdauer von zwei Jahren [21] für nicht überlang hält – hierbei ist zu beachten, daß die Finanzgerichte (FG) bereits Obergerichte sind, also nach der ersten Instanz schon die Revisionsinstanz folgt –, geht davon aus, daß diese Verfahrensdauer von zwei Jahren nicht für Verfahren der Grundsicherung gilt [22].

Das BSG hat sich hinsichtlich der ‚Bedeutung der Sache’ nur am Rande geäußert, so daß auch hier in Zukunft weitere Revisionen zu erwarten sind.

Lediglich grundsätzlich hat das BSG festgehalten:

„Die Bedeutung des Verfahrensausgangs für den Entschädigungskläger lässt sich jedenfalls nicht mit Blick auf die fehlenden Erfolgsaussichten verneinen. Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit soll ua gerade eine lange Unsicherheit des Entschädigungsklägers über seine Ansprüche und die damit verbundenen seelischen Folgen (vgl Gesetzentwurf BT-Drucks 17/3802, S 19) vermeiden.“ [23]

Andererseits behauptet das BSG im konkreten Einzelfall:

„Ein besonderes Interesse des Klägers an einem beschleunigten Abschluss des Verfahrens ergibt sich danach auch nicht vor dem Hintergrund seiner Behauptung, monatlich zusätzliche Behandlungskosten von etwa 300 Euro zu haben.“ [24]

Damit sind wieder diverse Willkürentscheidungen auf LSG-Ebene zu erwarten, insbesondere zu Lasten von „Hartz IV“ beziehenden Menschen, wenn z.B. eine Sanktion in der ersten Stufe um 300-400 Euro für insgesamt 3 Monate als nicht bedeutend eingestuft werden dürfte bei gleichzeitig verweigertem Eilrechtsschutz. Wird dann noch das Hauptsacheverfahren jahrelang vom SG liegengelassen, dann können allein schon die für eine Entschädigungsklage vorzuschießenden Gerichtskosten den Sanktionsbetrag übersteigen, so daß vermutlich die Betroffenen keine Entschädigungsklage erheben werden, und wenn dann später im Hauptsacheverfahren die Rechtswidrigkeit der Sanktion ausgeurteilt wird, erhalten sie für die jahrelange Nervenbelastung nicht einmal eine Entschädigung; Prozeßkostenhilfe (PKH) wird ihnen dabei vom LSG gerade mit dieser eben zitierten Bemerkung des BSG verweigert.

Die ‚Bedeutung der Sache’ ist ein entscheidungserhebliches Element (§ 198 Abs. 1 GVG). Bereits EGMR und BVerfG haben dies so entschieden:

„Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ab wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, sind insbesondere die Natur des Verfahrens und die auch aus grundrechtlicher Sicht zu beurteilende Bedeutung der Sache sowie die Auswirkungen einer langen Verfahrensdauer für die Beteiligten, die Schwierigkeit der Sachmaterie, das den Beteiligten zuzurechnende Verhalten und insbesondere Verfahrensverzögerungen durch sie, sowie die gerichtlich nicht zu beeinflussende Tätigkeit Dritter, vor allem der Sachverständigen, zu berücksichtigen (...).“ [25]

Gerade dieser Aspekt der ‚Bedeutung der Sache’ wird zukünftig sehr willkürlich und zu vielen Entscheidungen führen. Der Autor dieser Zeilen prognostiziert jetzt schon, daß das letzte Wort wieder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sprechen wird.

 

3. Wiedergutmachung auf andere Weise

Als Regelfall sieht das BSG die Geldentschädigung an [26].

Der Gesetzgeber – widerwillig vom EGMR verurteilt – hat neben der finanziellen Entschädigung (§ 198 Abs. 3 GVG) in § 198 Abs. 4 GVG eine Wiedergutmachung auf andere Weise vorgesehen. Hiernach kann das Entschädungsgericht auch auf eine finanzielle Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer verzichten und lediglich die Überlänge des Verfahrens feststellen. Weiterhin soll es in besonderes schweren Fällen – welche das sind, läßt der Gesetzgeber offen – möglich sein, neben der finanziellen Entschädigung zusätzlich die Überlänge des Verfahrens festzustellen. Da das Ganze nicht eindeutig formuliert ist, sah sich manches LSG dazu veranlaßt, lediglich die Überlänge des SG-Verfahrens festzustellen und eine finanzielle Entschädigung zu verweigern. Dieser „einfachen“ Handhabung hat das BSG nun allerdings einen Riegel vorgeschoben:

„Weitere Voraussetzung für den von der Klägerin verfolgten Entschädigungsanspruch ist es nach § 198 Abs 2 S 2 GVG, dass eine Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Abs 4 dieser Vorschrift nicht ausreichend ist, insbesondere nicht gemäß § 198 Abs 4 S 1 GVG durch Feststellung des Entschädigungsgerichts, die Verfahrensdauer sei unangemessen lang gewesen. Wie der Senat bereits entschieden hat (…), kommt bei festgestellter Überlänge eines Gerichtsverfahrens eine derartige Kompensation eines Nichtvermögensschadens aber nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Verfahren beispielsweise für den Entschädigungskläger keine besondere Bedeutung hatte oder dieser durch sein Verhalten erheblich zur Verlängerung des Verfahrens beigetragen hat. Insoweit weist der Senat angesichts des Beklagtenvortrags im Revisionsverfahren vorsorglich auf Folgendes hin: Die Bedeutung des Verfahrensausgangs für den Entschädigungskläger lässt sich jedenfalls nicht mit Blick auf die fehlenden Erfolgsaussichten verneinen. Der Anspruch auf Rechtsschutz in angemessener Zeit soll ua gerade eine lange Unsicherheit des Entschädigungsklägers über seine Ansprüche und die damit verbundenen seelischen Folgen (…) vermeiden.“ [27]

 

4. Höhe der Entschädigung

Wie aus der unten genannten Statistik der Bundesregierung hervorgeht, haben die Revisionsinstanzen der verschiedenen Gerichtsordnungen die Entschädigung von € 1200,- je Jahr Überlänge gemäß § 198 Abs. 2 GVG akzeptiert, wobei monatsweise € 100,- berücksichtigbar sein sollen [28]. Auch das BSG sieht den Monat als kleinste Einheit an [29].

Weiterhin stellt das BSG fest:

„Allerdings eröffnet S 4 nur für Ausnahmefälle die Möglichkeit, von der 1200 Euro-Pauschale nach oben oder nach unten abzuweichen (…).“ [30]

Hier ist auch für „Hartz IV“- und Sozialhilfeverfahren nicht zu erwarten, daß der Umstand einer existenzsichernden Leistung i.S.d. Menschenwürde (Art. 1 GG) hier zu einer Abweichung nach oben führt, was von Grundsicherungsleistungen Abhängige zusätzlich zum oben dargestellten 12-Monats-Geschenk des BSG an die Sozialgerichte eine weitere Verschlechterung bedeutet.

 

5. Verzinsung der Entschädigung

Dieser Punkt ist mit einem kleinen Zitat schnell abgehandelt, und hier gereicht der zivilrechtliche Einbruch ins Sozialrecht mal zum Vorteil der Betroffenen, da für die Verzinsung nicht § 44 SGB I (4%), sondern § 288 Abs. 1 i.V.m. § 291 BGB (5%) anzuwenden ist:

„Für den Fall einer Entschädigung in Geld wird das Entschädigungsgericht in entsprechender Anwendung der § 288 Abs 1, § 291 S 1 BGB über die beantragten Prozesszinsen (5 %-Punkte über dem Basiszinssatz) ab Rechtshängigkeit (…) zu entscheiden haben. Auch wenn es sich der Art nach um einen pauschalierten Verzugsschadensersatz handelt und deshalb ein konkreter Zusammenhang mit dem begehrten immateriellen Schadensersatz fraglich sein könnte (…), ändert dies nichts an der Anwendbarkeit der genannten Vorschriften im Rahmen von Entschädigungsklagen in den öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeiten, weil Spezialregelungen, die den allgemeinen Anspruch auf Prozesszinsen verdrängen könnten, nicht bestehen (…). Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG stehen außerhalb des Systems der sozialrechtlichen Ansprüche, für die Prozesszinsen nach Maßgabe des § 44 SGB I grundsätzlich nicht beansprucht werden können (…). § 201 Abs 2 S 1 GVG iVm § 202 SGG verweisen zwar auf das SGG, nicht hingegen auf das SGB. Die Annäherung des sozialgerichtlichen Kostenrechts an dasjenige der VwGO hat die Rechtsprechung des BSG überdies bereits in der Vergangenheit veranlasst, auch hinsichtlich der Prozesszinsen in besonderen Teilbereichen auf die Rechtsprechung des BVerwG Bezug zu nehmen (…). Für den Rechtsschutz bei überlanger Verfahrensdauer ist insoweit entsprechend zu verfahren (…).“ [31]

 

 

Statistik des Entschädigungsrechts

Die nachfolgenden Seitenangaben in eckigen Klammern beziehen sich auf die Bundestagsdrucksache 18/2950 vom 17. Oktober 2014.

Zunächst ist festzuhalten, daß Niedersachsen 2012 die meisten und 2013 die zweitmeisten Entschädigungsklagen in der Sozialgerichtsbarkeit zu verzeichnen hatte von allen Bundesländern [S. 25]. Von den Nichtzulassungsbeschwerden an das BSG betrafen umgerechnet zwei Drittel das Land Niedersachsen [S. 28]. Damit ist offensichtlich, daß Verfahrensverzögerungen in Niedersachsen ein besonderes Problem darstellen.

Von den bundesweit auf Länderebene erfolgreichen Entschädigungsklagen betrafen umgerechnet 35 % das Vertragsarztrecht, aber nur 7 % die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Damit wird deutlich – die Besserverdienenden bekommen Entschädigung, die, die es nötig hätten aufgrund ihrer Situation, gehen leer aus –, daß die ‚Bedeutung der Sache’ sich nicht an der finanziellen Situation der Entschädigungskläger orientieren darf, sondern für den immatieriellen Schaden, wie auch vom Gesetz vorgesehen, entschädigt werden muß.

Insgesamt aber ist die Erfolgsquote bundesweit in der Sozialgerichtsbarkeit am niedrigsten von allen Gerichtsbarkeiten [S. 32/33]. Also gerade in der Gerichtsbarkeit, wo Verfahren besonders häufig überlang sind – sinkende Zahl der Entschädigungsklagen in der Verfassungs-, Verwaltungs- und Zivilgerichtsbarkeit, gleichbleibende Zahlen in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit, aber steigende Zahlen in der Sozialgerichtsbarkeit [S. 31] – ist die Erfolgsquote am schlechtesten, dort, wo die betroffenen Menschen – mittlerweile stammen mehr als die Hälfte aller sozialgerichtlichen Verfahren aus dem Bereich des Grundsicherungs-rechtes – nicht nur auf eine schnelle Verfahrensführung, sondern auch auf die Entschädigung angewiesen sind, wird ihnen diese Entschädigung verweigert, insbesondere auch über den Trick mit der PKH-Verweigerung (s.u.).

 

 

Fazit

Wie schon die Geschichte der Entwicklung hin zum Entschädigungsgesetz zeigt, hat die Bundesregierung dieses letztlich nur erlassen, und zwar wider Willen, weil die Pilotentscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Fall Rumpf gegen Deutschland mit der Beauftragung des EU-Ministerkomitée zur Überwachung der Durchführung der EGMR-Entscheidung an politischer Peinlichkeit für einen Rechtsstaat auf juristischer Ebene nicht mehr zu überbieten war.

Entsprechend ist das Entschädigungsgesetz ausgefallen.

Dort, wo die Bundesregierung um die Vorgaben des EGMR, denen sich inzwischen auch das BVerfG angeschlossen hatte, nicht mehr herum kam, hat sie diese Vorgaben übernommen, dort, wo es der Bundesregierung möglich war Fallstricke gerade für die ärmeren Klägerinnen und Kläger einzubauen, hat sie dies getan. Erwähnt sei nur die Umgehung der Gerichtskostenfreiheit aus § 183 SGG durch die Übernahme des zivilrechtlichen Gerichtskostenvorschusses und damit gerade im Falle der Ärmsten der Armen die Schaffung der Möglichkeit, an verweigerter Prozeßkostenhilfe eine Entschädigungsklage scheitern zu lassen. Da aber im Gegensatz zum Zivilrecht, wo ohne Gerichtskostenvorschuß gar nicht erst die Klage an den Beklagten geht und mithin nicht rechtshängig wird, im Sozialrecht die Rechtshängigkeit der Klage bereits mit ihrer Erhebung besteht (§ 94 SGG) und ferner die fingierte Klagerücknahme gemäß § 102 Abs. 2 SGG offensichtlich rechtliche Probleme bereitet im Falle verweigerter PKH, plant die Bundesregierung bereits eine Gesetzesänderung zwecks Anpassung des Sozialrechts an das Zivilrecht [32].

Wird dann noch die Statistik über die Entschädigungsverfahren mitbetrachtet, wonach insbesondere Ärzte im Rahmen des Vertragsarztrechtes auf Entschädigung für immateriellen Schaden rechnen dürfen, dann ist klar, daß das deutsche Entschädigungsrecht nach dem Motto verläuft „Der Herr scheißt immer auf den größten Haufen“.

 

 

Fußnoten

Um die ständigen Wiederholungen des Urteilsdatums und des Aktenzeichens der beiden hier hauptsächlich verwendeten BSG-Entscheidungen zu vermeiden, sind diese abweichend gekennzeichnet, und zwar das Verfahren BSG, Urteil vom 3. September 2014, Az.: B 10 ÜG 12/13 R als „BSG (2014a)“ und das Verfahren BSG, Urteil vom 3. September 2014, Az.: B 10 ÜG 2/13 R als „BSG (2014b)“.

  [1] BGBl. I, 2011, Nr. 60, S. 2302-2312

  [2] BSG (2014a), Rdnr. 27

  [3] BSG, Terminbericht Nr. 40/14 vom 3. September 2014 zum Verfahren BSG, B 10 ÜG 9/13 R

  [4] BVerfG, Beschluß vom 27. September 2011, Az.: 1 BvR 232/11, Punkt II.2.b).cc), Seite 10 EA

  [5] BSG (2014a), Rdnr. 58

  [6] LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13. Februar 2013, Az.: L 12 SF 3/12 EK AL – zit.n. www.sozialgerichtsbarkeit.de

  [7] BSG (2014a), Rdnr. 54; identisch: BSG (2014b), Rdnr. 46

  [8] BSG (2014a), Rdnr. 53

  [9] BSG (2014a), Rdnr. 55; identisch: BSG (2014b), Rdnr. 47

[10] BSG (2014a), Rdnr. 56; identisch: BSG (2014b), Rdnr. 48

[11] BVerfG, a.a.O., Punkt II.2.a), Seite 6 EA

[12] BSG (2014a), Rdnr. 41; identisch: BSG (2014b), Rdnr. 34

[13] BSG (2014a), Rdnr. 50

[14] vgl. BSG (2014a), Rdnr. 44; ebenso: BVerfG, a.a.O., Punkt II.2.a), Seite 6 EA

[15] BSG (2014a), Rdnr. 44

[16] BSG, Terminbericht Nr. 40/14 vom 3. September 2014 zum Verfahren B 10 ÜG 9/13 R

[17] BSG (2014a), Rdnr. 57

[18] BverfG, a.a.O., Punkt II.2.b).cc), Seite 10 EA

[19] BSG, Terminbericht Nr. 40/14 vom 3. September 2014 zum Verfahren B 10 ÜG 2/14 R

[20] BVerfG, a.a.O., Punkt II.2.b)aa), Seite 7 EA

[21] vgl. BFH, Urteil vom 19. März 2014, Az.: X K 3/13, Rdnrn. 17, 25, 27 und BFH, Urteil vom 19. März 2014, Az.: X K 8/13, Rdnrn. 17, 32

[22] vgl. BFH, Urteil vom 19. März 2014, Az.: X K 3/13, Rdnr. 30 und BFH, Urteil vom 19. März 2014, Az.: X K 8/13, Rdnr. 18

[23] BSG (2014a), Rdnr. 59; identisch: BSG (2014b), Rdnr. 52

[24] BSG (2014a), Rdnr. 36

[25] BverfG, a.a.O., Punkt II.2.a), Seite 6 EA

[26] BSG (2014b), Rdnr. 57

[27] BSG (2014a), Rdnr. 59 – Hervorh. H.M.; identisch: BSG (2014b), Rdnr. 52

[28] vgl. Bundestagsdrucksache Nr. 18/2950 vom 17. Oktober 2014, H 12, S. 34

[29] vgl. BSG (2014a), Rdnrn. 29, 57; ebenso: BSG (2014b), Rdnr. 24

[30] BSG (2014a), Rdnr. 60

[31] BSG (2014a), Rdnr. 61

[32] vgl. Bundestagsdrucksache Nr. 18/2950 vom 17. Oktober 2014, H 16, S. 34

 

 

Nachtrag:

Etwa zwei Monate nach Veröffentlichung der ersten Revisionen vom 3. September 2014 wurde nun auch die einzige ein AS-Verfahren betreffende Revision – BSG, Urteil vom 3. September 2014, Az.: B 10 ÜG 9/13 R – veröffentlicht.

Wer nun erwartet, daß BSG habe sich mit der Veröffentlichung soviel Zeit gelassen, weil die Revisionsentscheidung einen wesentlich größeren Seitenumfang oder inhaltlich besonders komplexe Abweichungen aufweise, der bzw. die irrt. Teilweise ist der Urteilstext identisch mit den hier bereits behandelten Verfahren, insbesondere was die Rechtsprechung zu den zwölf Monaten, die ein Sozialgericht untätig sein darf, oder die Fünf-Prozent-Verzinsung anbelangt.

Dort, wo das BSG auf „Hartz IV“-spezifische Rechtsfragen – nicht Tatsachenfragen – eingeht, die es auch bei Zurückverweisung an das LSG zumindest per obiter dictum klären kann, unterläßt es dieses und bürdet dem LSG im Zurückverweisungsverfahren die Entscheidung auf. Damit wird zweierlei erreicht: erstens zieht sich eine mögliche Entschädigung weiter in die Länge, zweitens wird das BSG möglicherweise erneut mit der Sache befaßt. Dabei hätte gerade nachfolgende vom BSG angesprochene „Hartz IV“-spezifische Rechtsfrage zumindest Vorgaben an das LSG für das Zurückverweisungsverfahren erwarten lassen:

„Das LSG wird allerdings zu erwägen haben, ob insoweit die vom Senat regelmäßig akzeptierte Zeitspanne von zwölf Monaten noch angemessen ist, oder ob nach den besonderen Umständen dieses Einzelfalls, insbesondere wegen des in Streit stehenden Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen, nicht ausnahmsweise eine kürzere Vorbereitungs- und Bedenkzeit anzusetzen ist.“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 48]

So, wie das BSG die Zwölf-Monate-Regel selber revisionsrechtlich entschieden hat, so hätte es auch das AS-Verfahren zum Anlaß nehmen können, diese Rechtsfrage – keine Tatsachenfrage, die der Tatsacheninstanz unterliegt und an die das BSG gemäß § 163 SGG gebunden wäre (!) – zumindest in Form eines obiter dictum vorprägen können, gleichsam als Leitlinie für das LSG im Zurückverweisungsverfahren. Denn, nachdem das Bundesverfassungsgericht [s. Hauptartikel, Fußnote 20] „Hartz IV“-Verfahren in der vom Autor gewonnenen Verfassungsbeschwerde als „besonders zu fördern“ bezeichnet hatte, läßt sich im Vergleich zu anderen Verfahren dieselbe Untätigkeitsregel ohnehin nicht bei „Hartz IV“-Verfahren aufrecht erhalten. Der Besonderheit der der Existenzsicherung dienenden „Hartz IV“-Verfahren muß entweder in einer erheblichen Verkürzung der untätigen Zeiten, die einem Sozialgericht vom BSG zugestanden werden, oder aber auf der anderen Seite durch eine erhebliche Erhöhung des Entschädigungsbetrages – z.B. auf 150 Euro je Monat – Rechnung getragen werden.

Die in diesem Zusammenhang vom BSG erörterte Tatsachenfrage – „… und das LSG keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob während dieser Zeit das Recht der Klägerin auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ohne weiteres auf andere Weise gesichert war.“ [BSG, a.a.O., Rdnr. 32] – spielt somit keine Rolle. Denn selbst wenn das Recht der Klägerin auf das Existenzminimum durch Darlehen von Familie oder Freunden, durch Schonvermögen gesichert war, so änderte dies nichts daran, daß es im Grundsatz um das Existenzminimum ging, so daß für die weiter oben angemahnte Rechtsfragenklärung die Klärung dieser Tatsachenfrage nur von untergeordneter Bedeutung ist.

(3. Februar 2015)




 

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