„Die Erwartung jener Arbeitslosen, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, bis zur Inanspruchnahme einer Altersrente Leistungen in Höhe der zuletzt bezogenen Alhi zu erhalten, ist nicht überwiegend schutzwürdig.“ [Rdnr. 43]
Vorbemerkung
Grundlage des nachfolgenden Artikels ist das BSG-Urteil vom 23. November 2006 zur sog. „58er-Regelung“ (Az.: B 11b AS 9/06 R), zitiert nach der Rechtsprechungsdatenbank auf www.sozialgerichtsbarkeit.de. Im Weiteren beziehen sich die Randnummern zu den einzelnen Zitaten auf diese Entscheidung, wenn keine andere Quelle angegeben ist.
Schon in der ersten Fassung dieses Artikels vom 29. August 2004 hatte ich geschrieben:
„Diese “58er-Regelung” – schon vor vielen Jahren geschaffen für Unternehmer, damit sich diese auf Kosten der Sozialversicherung älterer Arbeitnehmer bequem entledigen können – sollte es den Arbeitnehmern durch den Verzicht auf die üblichen Repressalien und auf vorgezogenem Rentenniveau schmackhaft machen, bis zum Rentenbezug arbeitslos zu sein.“
Jetzt sind die Betroffenen durch die BSG-Entscheidung Opfer dieses historischen Kontextes geworden, der vom Bundessozialgericht völlig außen vor gelassen wurde – Opfer zuerst zugunsten des Kapitals, das keine älteren Menschen mehr beschäftigen wollte, dann zugunsten des Staates, der sich ihrer als Kostenfaktor ebenfalls entledigt; die Zeche zahlen allein die betroffenen Arbeitslosen.
In § 428 SGB III findet sich immer noch die sogenannte “58er-Regelung”, jene Regelung, die vorsieht, daß Arbeitslose oberhalb dieser Altersgrenze auch dann Arbeitslosengeld I (früher auch Arbeitslosenhilfe) beziehen können, wenn sie aufgrund einer willentlichen Erklärung dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen.
Seit dem 1. Januar 2005 gilt diese Regelung des SGB III nur noch für die Arbeitslosengeld I beziehenden Personen. Für die Arbeitslosengeld II beziehenden Personen wurde aber eine entsprechende Regelung mit der gleichen zeitlichen Befristung (wenn Anspruch und 58. Geburtstag vor dem jeweiligen Stichtag liegen) in § 65 Abs. 4 SGB II aufgenommen. Die Formulierung ist quasi identisch, ja der Bezug zu § 428 SGB III hergestellt.
Schon in der ersten Fassung wurde das Problem, welches sich jetzt als Rechtsprechung des BSG materialisiert hat, von mir beschrieben:
„Das Problem entsteht aber gerade mit dieser inhaltlichen Identität.
Sowohl § 428 SGB III als auch § 65 Abs. 4 SGB II drücken nur aus, daß diejenigen, die die “58er-Regelung” in Anspruch nehmen, die Leistungen nach dem SGB III bzw. SGB II erhalten, obwohl sie dem Arbeitsmarkt erklärtermaßen nicht zur Verfügung stehen (wollen). Und einzig aus diesem Grund, “weil sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden” (§ 65 Abs. 4 SGB II).
In § 428 Abs. 1 SGB III ist vom Bezug von “Arbeitslosengeld” die Rede, was sich bis zum 31. Dezember 2004 auch auf die Arbeitlosenhilfe bezieht, während in § 65 Abs. 4 SGB II von “Sicherung des Lebensunterhaltes” die Rede ist. Und genau da liegt das Problem: die Herabsenkung der Leistung auf Sozialhilfeniveau.“
„Bezugspunkt sollen deshalb die klassischen “58er” sein. Und diese sind durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die Versozialhilferisierung mittels SGB II gelinkt. Denn es kann davon ausgegangen werden, daß die Betreffenden, hätten sie im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der “58er-Regelung” von dieser Herabstufung gewußt, eine solche “betriebliche” Vereinbarung nicht eingegangen wären, zumal ja die verschärften Bedingungen des Einkommens- und Vermögenseinsatzes bis hin zum Raub angesparten Rentenvorsorgevermögens hinzukommen, wie auch das Problem des “angemessenen” Wohnraums und die Problematik der “Bedarfsgemeinschaft”, die weitere Familienmitglieder, die bisher nicht Arbeitslosenhilfe bezogen als “Arbeitsfähige” oder Sozialgeldfälle mit einbezieht, und zwar mit allen daraus resultierenden Konsequenzen hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensanrechnung. Zwar unterliegt der betreffende Personenkreis schon seit dem Jahr 2003 etwa hinsichtich des Rentenvorsorgevermögens verschärften Bedingungen [Änderung der Arbeitslosenhilfe-Verordnung durch “HARTZ I”, BGBl. I, Nr. 87, 30.12.2002, S. 4619], gleichwohl – es kommt noch härter.
Juristisch stellt sich an dieser Stelle die Frage des Bestandschutzes. Zumindest für diejenigen, die die “58er-Regelung” bis zum Zeitpunkt der Verabschiedung des SGB II (Heiligabend 2003) in Anspruch genommen haben.“
„Bei von der “58er-Regelung” Betroffenen muß der rechtsgeschichtliche Kontext dieser Regelung beachtet werden. Denn mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe reicht der bloße gesetzliche Bezug auf die (Nicht-)Arbeitsbereitschaft nicht mehr aus; die neue entsprechende Regelung des SGB II geht aber nicht über diesen Aspekt hinaus, so daß ohne entsprechende gesetzliche Korrektur die Versozialhilferisierung mit allen Konsequenzen droht.“
Wie es jetzt aussieht, sollte diese meine Rechtsauffassung von dem Problem leider „obsiegen“. In der Tat entspricht sie der Rechtsprechung des 11b. Senats des Bundessozialgerichts zu dieser Problematik.
Das Bundesverfassungsgericht zur „58er-Regelung“
Im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wegen Nichteinhaltung des fachgerichtlichen Rechtsweges für unzulässig erklärt hatte, hatte es dennoch eine weitreichende Anmerkung zur "58er-Regelung" getroffen:
"... ist es auch bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende unabdingbar, dass die fachnahen Sozialgerichte die relevanten tatsächlichen und rechtlichen Fragen klären und die einzelnen Regelungen des SGB II verfassungsrechtlich überprüfen (...). Dies gilt auch für die Anwendung des § 65 Abs. 4 SGB II. Hier kann es möglicherweise aufklärungsbedürftig sein, unter welchen Umständen die Erklärungen nach § 428 Abs. 1 SGB III zu Stande gekommen sind und ob die Agenturen für Arbeit den Betroffenen Zusagen gegeben haben. Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die einfachrechtliche Frage erheblich, ob sich die Agenturen für Arbeit überhaupt und gegebenenfalls auch für den Fall einer Gesetzesänderung gebunden haben (vgl. § 34 Abs. 1 und 3 SGB X). Sie haben Relevanz auch für die verfassungsrechtliche Frage, ob sich die Betroffenen auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen können, dass durch § 65 Abs. 4 SGB II möglicherweise nicht ausreichend geschützt ist." [BVerfG, Beschluß vom 18.3.2005, Az.: 1 BvR 143/05 u.a.]
Damit erscheint es zwar eher wahrscheinlich, daß die Frage des Bestandsschutzes im besonderen Einzelfall, nicht aber im Regelfall bejaht werden wird, gleichwohl ist die "58er-Regelung" aus verfassungsrechtlicher Sicht noch nicht abschließend entschieden.
Die „58er-Regelung“ aus Sicht des BSG
Um an die Entscheidung des BVerfG gleich anzuschließen: das Bundessozialgericht hat zumindest in dem ihm zur Entscheidung vorliegenden Fall kein schutzwürdiges Vertrauen ausgemacht – weder hinsichtlich des Wechsels von der Arbeitslosenhilfe (Alhi) zum SGB II, wobei ja die Regelung dem Grunde nach beibehalten wurde, noch hinsichtlich der Höhe und der strengeren Einbeziehung anderer Personen in die Bedarfsgemeinschaft.
„Der Regelungsgehalt der so genannten "58-er-Regelung" beschränkt sich somit allein darauf, dass auf die Anspruchsvoraussetzung der subjektiven Arbeitsbereitschaft verzichtet wird (…).“ [Rdnr. 35]
„Die in § 428 SGB III getroffene gesetzliche Regelung konnte also allenfalls ein Vertrauen darauf begründen, dass der Arbeitslose (voraussichtlich bis zur Inanspruchnahme einer Altersrente) von der Leistungsvoraussetzung der Arbeitsbereitschaft entlastet wird. Diesem Gesichtspunkt hat das Gesetz vom 24. Dezember 2003 durch eine spezielle Übergangsregelung in § 65 Abs 4 SGB II Rechnung getragen. Danach haben erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch dann, wenn sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden (Satz 1).“ [Rdnr. 36]
„Im Hinblick auf den begrenzten Anwendungsbereich der Regelung kann mangels eines weitergehenden Regelungsgehalts letztlich dahinstehen, ob die Erklärung des Klägers … Gegenstand einer Zusicherung (§ 34 SGB X) der BA oder eines öffentlich rechtlichen Vertrages (§ 53 SGB X) gewesen ist (…).“ [Rdnr. 35]
Damit hat das BSG im Grunde erklärt, daß, wer eine „428er-Erklärung“ unterschrieben hat, keinen Rechtsanspruch auf Arbeitslosengeld II in Höhe der ehemaligen Alhi hat.
§ 34 Abs. 3 SGB X besagt:
„Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.“
Und § 53 Abs. 2 SGB X besagt:
„Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen kann nur geschlossen werden, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht.“
Alles beides führt mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und der Einführung des Arbeitslosengeldes II im Hinblick auf die Zusicherung gemäß § 428 SGB III dazu, daß diese Zusicherung bei sog. Altfällen hinfällig ist. Seit dem 1. Januar 2005 gelten die gleichlautenden Regelungen des § 428 SGB III und des § 65 Abs. 4 SGB II getrennt für Alg I- bzw. Alg II-Bezieherinnen und -Bezieher.
Ob damit noch diejenigen eine Chance haben, zu mehr Geld zu kommen, die eindeutig belegen können, daß ihnen seinerzeit vom Arbeitsamt – im Sinne des Hinweises des BVerfG: „ob sich die Agenturen für Arbeit überhaupt und gegebenenfalls auch für den Fall einer Gesetzesänderung gebunden haben“ (s.o.) – eindeutig die Beibehaltung der Leistung in Höhe der Alhi versprochen worden ist, ist sehr fraglich. Wenn überhaupt, dann wird dies allerdings nicht zu einer entsprechend höheren Alg II-Leistung führen, auch nicht zur außergesetzlichen Beibehaltung der Alhi, sondern es wird lediglich die Möglichkeit eröffnen, im Wege einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage gegen die Bundesanstalt für Arbeit diese zur Zahlung des Differenzbetrages verurteilen zu lassen. Insofern spielt es schon eine Rolle, ob der vom BSG so bezeichnete „Reflex“ („Dieses - sich lediglich als Reflex aus der bisherigen Rechtslage ergebende - Vertrauen ist jedoch allenfalls eingeschränkt schutzwürdig, da der fragliche "Besitzstand" den Arbeitslosen nur in beschränktem Umfang gesichert erscheinen durfte. Denn wegen ihres Charakters als bedürftigkeitsabhängige Fürsorgeleistung, die aus Steuermitteln finanziert wurde, stand ein einmal entstandener Alhi-Anspruch und dessen Höhe von vornherein unter dem Vorbehalt der weiter bestehenden Bedürftigkeit …“ [Rdnr. 45]) nicht vom Arbeitsamt erzeugt wurde, was beim Kläger im Fall der BSG-Entscheidung wohl nicht der Fall war („In dem von ihm unterzeichneten Vordruck“ [Rdnr. 2]).
Sozialrechtlich jedenfalls, darauf deutet der Hinweis des BSG auf die §§ 34 und 53 SGB X hin, ist nichts mehr zu holen, ist die vom BVerfG aufgeworfene Frage, „ob sich die Betroffenen auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen können, dass durch § 65 Abs. 4 SGB II möglicherweise nicht ausreichend geschützt ist“ höchstrichterlich geklärt.
„Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass der Gesetzgeber für die Alhi-Empfänger, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, durch die Vorlaufzeit zwischen Verkündung und Inkrafttreten des Gesetzes sowie durch § 65 Abs 4 SGB II (wonach weiterhin auf die subjektive Verfügbarkeit verzichtet wird) den Anforderungen eines angemessenen Bestands- und Vertrauensschutzes Genüge getan hat.“ [Rdnr. 50]
Und nicht nur das. Das BSG setzt noch einen drauf, indem es den Spieß quasi umdreht:
„Wenn, worauf die Argumentation der Kläger beruht, gerade wegen dieser Erklärung ein Vertrauensschutz hinsichtlich Art und/oder Höhe der bis zum 31. Dezember 2004 bezogenen Entgeltersatzleistungen beansprucht wird, würden diejenigen über 58-jährigen Arbeitslosen, die in der Vermittlung geblieben waren, gleichsam für ihre Arbeitsbereitschaft bestraft (…).“ [Rdnr. 50]
Gerade so, als wenn die „58er-Regelung“ nicht ohnehin eigentlich mit dem Gleichheitsgrundsatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht zu vereinbaren wäre, aber, wie oben schon dargestellt, aus Gründen der im Interesse des Kapitals liegenden Frühverrentung zu Lasten aller Steuerzahler eingeführt wurde. Hätte das BSG allerdings diesen historischen Kontext juristisch gewürdigt, hätte es diesmal gegen den ebenfalls im Interesse des Kapitals liegenden staatlichen Sozialabbau Stellung beziehen müssen. Gelinkt sind allemal diejenigen, die sich in der Vergangenheit, auf die „58er-Regelung“ vertrauend, zu entsprechendem Lohnverzicht entschlossen haben.
Zum „schutzwürdigen Vertrauen“ im Einzelnen
„Die insoweit von der Revision vorgetragenen Bedenken bzw die Forderung nach einem besonderen Vertrauensschutz für die Betroffenen der "58-er-Regelung", die auch im Schrifttum ihren Niederschlag gefunden haben (…), teilt der Senat nicht.“ [Rdnr. 33]
Die nachfolgenden Zitate sind unkommentiert; sie sind allgemein verständlich und sprechen für sich; die Hervorhebungen stammen von mir.
Übergang Alhi – SGB II
„Im Kontext mit § 119 SGB III in der bis Ende 2004 geltenden Fassung wird deutlich, dass der Gesetzgeber zu Gunsten älterer Arbeitsloser allein auf die sonst zur Gewährung von Alg bzw Alhi zwingend erforderliche Arbeitsbereitschaft (Abs 2) und die Beschäftigungssuche (Abs 1 Nr 1) verzichtet. Auch der Entstehungsgeschichte sind weiter gehende Vergünstigungen nicht zu entnehmen.“ [Rdnr. 34]
„Ziel der Regelung war es durchgehend, den älteren Arbeitslosen Leistungen unter erleichterten Voraussetzungen zu verschaffen (…), nicht jedoch eine Garantie unveränderter Leistungsfortzahlung nach Dauer und Höhe zu übernehmen.“ [Rdnr. 34]
„Der Regelungsgehalt der so genannten "58-er-Regelung" beschränkt sich somit allein darauf, dass auf die Anspruchsvoraussetzung der subjektiven Arbeitsbereitschaft verzichtet wird (…).“ [Rdnr. 35]
„Die in § 428 SGB III getroffene gesetzliche Regelung konnte also allenfalls ein Vertrauen darauf begründen, dass der Arbeitslose (voraussichtlich bis zur Inanspruchnahme einer Altersrente) von der Leistungsvoraussetzung der Arbeitsbereitschaft entlastet wird. Diesem Gesichtspunkt hat das Gesetz vom 24. Dezember 2003 durch eine spezielle Übergangsregelung in § 65 Abs 4 SGB II Rechnung getragen. Danach haben erwerbsfähige Hilfebedürftige, die das 58. Lebensjahr vollendet haben, Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch dann, wenn sie nicht arbeitsbereit sind und nicht alle Möglichkeiten nutzen und nutzen wollen, ihre Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Arbeit zu beenden (Satz 1).“ [Rdnr. 36]
„Auf Grund dieser Übergangsregelung ist sichergestellt, dass Arbeitslose, die im Vertrauen auf § 428 SGB III ihre Arbeitsbereitschaft beendet haben, ihre Lebensplanung nicht ändern müssen (…).“ [Rdnr. 36]
„Im Übrigen hat der Gesetzgeber dadurch, dass er von der Verkündung bis zum grundsätzlichen Inkrafttreten des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 am 1. Januar 2005 einen Vorlauf von mehr als einem Jahr vorgesehen hatte, dem Bedürfnis der betroffenen Arbeitslosen Rechnung getragen, ihre Lebensführung auf die neue Rechtslage einzustellen.“ [Rdnr. 47]
„Ob das Gesetz vom 24. Dezember 2003 durch die Regelung, Alhi könne längstens bis zum 31. Dezember 2004 bewilligt werden, in einen zum Zeitpunkt seiner Verkündung am 29. Dezember 2003 bereits existenten Sachverhalt eingegriffen hat, ist zweifelhaft. Denn bereits vor seinem Inkrafttreten war der Bewilligungszeitraum der Alhi auf längstens ein Jahr begrenzt (…). Mit der jährlichen Prüfung und Wiederbewilligung der Alhi sollte die Abhängigkeit künftiger Zahlungen vom Fortbestand der Anspruchsvoraussetzungen sichergestellt werden. Außerdem wollte der Gesetzgeber die Entstehung schutzwürdigen Vertrauens auf einen Dauerzustand über den jeweiligen Bewilligungszeitraum hinaus vermeiden (…). Es sollte der Vorstellung entgegengewirkt werden, es handele sich bei der Alhi um eine rentenähnliche Dauerleistung.“ [Rdnr. 41]
„Aber selbst wenn im Hinblick auf die über den 31. Dezember 2004 hinausreichenden Rechtswirkungen der vom Kläger… abgegebenen Erklärung nach § 428 SGB III von einem Fall der unechten Rückwirkung auszugehen sein sollte, genügen die Neuregelungen des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 den insoweit zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Regelungen, die eine unechte Rückwirkung entfalten, sind grundsätzlich zulässig und genügen dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzip, wenn das schutzwürdige Bestandsinteresse des Einzelnen die gesetzlich verfolgten Gemeinwohlinteressen bei der gebotenen Interessenabwägung nicht überwiegt (…,BVerfG … - zur zeitlichen Anspruchsbegrenzung der originären Alhi).“ [Rdnr. 42]
„Die Erwartung jener Arbeitslosen, die eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hatten, bis zur Inanspruchnahme einer Altersrente Leistungen in Höhe der zuletzt bezogenen Alhi zu erhalten, ist nicht überwiegend schutzwürdig.“ [Rdnr. 43]
„Schließlich vermag der Einwand, dass unabhängig von der rechtlichen Gestaltung der Alhi und dem Rechtscharakter der Vereinbarung nach § 428 Abs 1 SGB III die "Folgen" einer solchen Erklärung die Annahme eines besonderen schutzwürdigen Vertrauens rechtfertigten, nicht zu überzeugen.“ [Rdnr. 48]
Keine Eigentumsgarantie der Alhi
„Im Hinblick darauf, dass es sich bei der Alhi um eine Sozialleistung handelte, die aus Steuermitteln finanziert und die nur bei Bedürftigkeit des Arbeitslosen gewährt wurde, haben beide für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des BSG in stRspr entschieden, der Anspruch auf Alhi falle von vornherein nicht unter den Schutz der Eigentumsgarantie (…).“ [Rdnr. 39]
Vertrauensschutz nur dem Grunde, nicht der Höhe nach
„… diese finanziellen Einbußen treffen frühere Bezieher von Alhi völlig unabhängig davon, ob sie eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben haben. Sie beruhen allein auf der Abschaffung der Alhi und dem Inkrafttreten des SGB II ab 1. Januar 2005, dh der Änderung eines Gesetzes für die Zukunft.“ [Rdnr. 38]
„Über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 428 SGB III hinaus ist allerdings der Vortrag der Revision ohne weiteres nachvollziehbar, dass ältere Arbeitslose … ihre Entscheidung, sich dem Arbeitsmarkt subjektiv nicht mehr zur Verfügung zu stellen, auch im Hinblick darauf getroffen haben, dass sie die Weiterzahlung von Leistungen in Höhe der bisher gezahlten Alhi erwarteten. Dieses - sich lediglich als Reflex aus der bisherigen Rechtslage ergebende - Vertrauen ist jedoch allenfalls eingeschränkt schutzwürdig, da der fragliche "Besitzstand" den Arbeitslosen nur in beschränktem Umfang gesichert erscheinen durfte. Denn wegen ihres Charakters als bedürftigkeitsabhängige Fürsorgeleistung, die aus Steuermitteln finanziert wurde, stand ein einmal entstandener Alhi-Anspruch und dessen Höhe von vornherein unter dem Vorbehalt der weiter bestehenden Bedürftigkeit …. Hierbei stellte das Gesetz sowohl bei der Berücksichtigung von Vermögen als auch bei der Anrechnung von Einkommen nicht allein auf die Person des Arbeitslosen, sondern auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse anderer Personen ab (…). So hätte im Fall der Erhöhung des anrechenbaren Einkommens des Ehepartners (…) bereits unter Geltung der Alhi-Vorschriften der Leistungsempfänger jederzeit aus dem Leistungsbezug ausscheiden können mit der zusätzlichen Folge, dass auch die BA für die folgenden Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet hätte (…).“ [Rdnr. 45]
„Doch selbst bei unveränderter Bedürftigkeit des Leistungsbeziehers war unter Geltung der Alhi-Vorschriften die Anbindung der Leistungshöhe an das zuletzt erzielte Entgelt (…) gegenüber der Bemessung des Alg deutlich gelockert. … . Zudem wurde das Bemessungsentgelt nach Maßgabe des § 200 Abs 3 und 4 SGB III jeweils nach Ablauf eines Jahres nach Entstehung des Anspruchs um 3 % abgesenkt. Diese pauschale Verminderung des Bemessungsentgelts sollte den im Laufe von Langzeitarbeitslosigkeit eintretenden Qualifikationsverlust berücksichtigen. Die so genannte Herabbemessung erstreckte sich ebenfalls auf Alhi-Bezieher, die das 58. Lebensjahr vollendet hatten (…).“ [Rdnr. 46]