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Herbert Masslau

Alg II: Auszahlungstermin

(12. August 2004)

 

 

Nun ist das Sommertheater vorzeitig beendet wie der Urlaub des zuständigen Bundesarbeitsministers Clement. Denn als Sommertheater möchte ich die ganze Aufregung um den Auszahlungstermin des Arbeitslosengeldes II schon sehen. Auch wenn dabei besagter Clement entgegen der ethymologischen Bedeutung seines Namens – der Sanfte, der Weiche – aufgrund der Hierarchie den zynischen Hardliner spielen mußte, damit „uns“ Schröder sich anschließend beim Wähler anbiedern konnte, ganz nach der aus Krimis bekannten good-guy/bad-guy-Methode.

Aber dieses Sommertheater hatte auch noch eine zweite Note: Bangemachen. Und im Gegensatz zu dem Etappensieg, der sicherlich ohne die großen Straßenproteste der Betroffenen nicht gekommen wäre, dürfte von der Angst bei vielen Betroffenen Einiges nachwirken.

Worauf in diesem ganzen Theater aber niemand breiter öffentlich hingewiesen hat, ist, daß die ganze Veranstaltung mit der sogenannten „Zahlungslücke“, also dem Wegfall der Januar-Zahlung des Arbeitslosengeldes II, schlicht und ergreifend verfassungswidrig ist – und übrigens ein historisches Pendant hat aus dem Jahre 1998. Von der Journaille in ihrer Geilheit auf Sensation und devoter Speichelleckerei gegenüber den Regierenden habe ich keine Aufklärung erwartet, wohl aber von so einigen „befreundeten“ Organisationen.

 

Erinnern wir uns:

Anfang 1998 ging die Bundesregierung dazu über, die bis dahin zweiwöchentlich gezahlte Arbeitslosenunterstützung nicht nur einmalig monatlich, sondern auch am Anfang des Folgemonats auszuzahlen, also die Januar-Stütze erst Anfang Februar. Das hielt sie zwei bis drei Monate durch.

Wohl aufgrund einer Gerichtsklage wurde dann stillschweigend die Zahlung Ende des Bestimmungsmonates vorgenommen. Oder rechtlich ausgedrückt: aus der „echten Nachzahlung“ wurde die „Nachtragszahlung“ am Monatsende, so wie sie derzeit noch besteht.

Denn, schon die damalige Absicht der Bundesregierung (noch CDU-Kohl) Zinsen abzuzocken auf Kosten der Arbeitslosen durch die Verschiebung der Auszahlung der Arbeitslosenunterstützung nach Hinten war verfassungswidrig.

Mit anderen Worten: Deutschland ist gemäß Artikel 20 Grundgesetz ein sozialer Rechtsstaat. Hilfe wie die Sozialhilfe dienen der Erfüllung des Grundsatzes der Menschenwürde (Artikel 1 GG). Artikel 79 Abs. 3 GG bestimmt, daß die Artikel 1 GG (Menschenwürde) und Artikel 20 GG (hier: sozialer Rechtsstaat) der Unveränderbarkeit unterliegen.

 

Mithin handelte es sich auch bei der geplant gewesenen Durchführungsverordnung zur Nichtauszahlung des Arbeitslosengeldes II im Januar 2005 nicht um eine „Zahlungslücke“, sondern um eine verfassungswidrige Vorenthaltung einer gesetzlich zustehenden staatlichen Sozialleistung.

Hintergrund dieser beabsichtigten Verordnung ist jene in meinem Artikel „(Lohn-)Nachzahlung und Arbeitslosengeld II“ [www.HerbertMasslau.de/pageID_1371269.html oder im linken Inhalts-Frame „AlgII/SGBII“ anklicken und die entsprechende Unterseite suchen] behandelte höchstrichterliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur Sozialhilfe, wonach im laufenden Kalendermonat zufließendes Geld ‚Einkommen‘, im Folgemonat aber ‚Vermögen‘ ist. Hiernach wäre nicht nur die von mir behandelte Anrechnung der Dezember-Arbeitslosenhilfe (Arbeitslosengeld) auf das im Januar 2005 erstmals fällige Arbeitslosengeld II als Einkommen unzulässig, sondern erst recht die von Clement ursprünglich beabsichtigte Nichtzahlung für Januar, was zudem einer Aufteilung der für einen Monat geltenden Arbeitslosenunterstützung auf zwei Monate (Dezember 2004 und Januar 2005) gleichgekommen wäre. Denn, was unerwähnt blieb, ist, daß die erstmalige Februar-Zahlung nicht das nachträglich gezahlte Januar-Geld gewesen wäre, sondern das tatsächliche Februar-Geld.

Daß da noch andere gesetzliche Regelungen eine Rolle spielen wie der § 556 b Abs. 1 BGB, der bestimmt, daß die Wohnungsmiete „zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag“ zu entrichten ist, stellt „lediglich“ eine Konkretisierung und Detaillierung des grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Problems dar.

 

Trotz der jetzt auf der „Kanzler-Runde“ vom 11. August 2004 korrigierten Absicht bezüglich der Durchführungsverordnung zur Auszahlung des Arbeitslosengeldes II wird es auch in Zukunft damit ein Verfassungsproblem geben: für alle diejenigen, die nach dem 1. Januar 2005 nach Ablauf ihres Arbeitslosengeldes (Arbeitslosengeld I) das Arbeitslosengeld II beanspruchen. Ihnen soll weiterhin das am Monatsende ausgezahlte Arbeitslosengeld I als Einkommen auf das Arbeitslosengeld II des Folgemonats angerechnet werden.

Zwar ist für das Arbeitslosengeld II die Sozialgerichtsbarkeit zuständig, gleichwohl wird sich dadurch nichts an der Verfassungswidrigkeit einer vorenthaltenen Bedürftigenleistung ändern, zumal das Arbeitslosengeld II Sozialhilfecharakter hat, und das Bundessozialgericht wird kaum die mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes revidieren, weil dann die für den Staat günnstigere „Zufluß-Theorie“ nicht mehr haltbar wäre.

Damit aber käme zu den Artikeln 1 und 20 noch der Artikel 3 Grundgesetz (Gleichheitsgrundsatz) hinzu, nämlich wegen Ungleichbehandlung der nach dem 1. Januar 2005 Arbeitslosenunterstützung beziehenden Personen mit denen, die vor dem 1. Januar 2005 Arbeitslosenunterstützung bezogen.

Die Bundesregierung spekuliert hier wohl auf das Stillehalten nach der Spalterei.

 

 

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