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Herbert Masslau

Weihnachtsbeihilfe – Unlogik, Ungleichheit und das BSG

(7. November 2009)

 

 

Die Ausgangsposition I

Die in der Regierungsmitteilung vom 19. Dezember 2003 gemachte Äußerung, in der Regelleistung sei die Weihnachtsbeihilfe nicht enthalten (http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/artikel/59/509259/multi.htm) wird von den Sozialgerichten nicht akzeptiert. Zwar ist aus den Begründungen für SGB II und SGB XII (BTDrs. 15/1516 und 15/1514) nicht ersichtlich, wie die Einmaligen Beihilfen des früheren Sozialhilferechts BSHG in die Regelleistung/den Regelsatz eingeflossen sein sollen, zumal sich dieser an der EVS 1998 orientiert und dort keine Ausgaben für Weihnachten gesondert aufgeführt sind (wie für Schulkinder), allerdings wird von den Sozialgerichten gerne auf die Bundestagsdrucksache 16/3005 verwiesen, wo es quasi drei Jahre nach (18. Oktober 2006) der oben genannten Regierungsmitteilung heißt:

„Mit Einführung des SGB XII sind die bis dahin nach dem Bundessozialhilfegesetz den Leistungsberechtigten außerhalb stationärer Einrichtungen zustehenden einmaligen Leistungen (z. B. die sog. Weihnachtsbeihilfe) pauschal durch eine Erhöhung der Regelsätze abgegolten worden.“

Es ging dabei um die Einführung des § 133b SGB XII, der die Erhöhung des Barbetrages für Heimbewohner gemäß § 35 Abs. 2 SGB XII von 26 % auf 27 % des Regelsatzes vorwegnahm.

 

Die Ausgangsposition II

Hochgerechnet auf 2005 müßte die Regelsatz relevante Position für „Weihnachtsbeihilfe“ über 12 Monate angespart einen Betrag von mindestens € 72,- – zweimal der Betrag laut § 133b SGB XII – ergeben:

„Bis Ende 2004 war unstrittig, dass auch Bewohner von Einrichtungen einen Anspruch auf Weihnachtsbeihilfe als Pflichtleistung hatten. Hierbei wurde in der Regel entsprechend der Empfehlung des Deutschen Vereins die Hälfte der Beträge gezahlt, die Personen außerhalb einer Einrichtung erhielten.“ [Conradis, Weihnachtsbeihilfe für Bewohner von Einrichtungen, in: info also, 24. Jg., Nr. 3/2006, S. 105 – Hervorh. H.M.]

 

Die BSG-Entscheidung B 8/9b SO 22/06 R vom 11. Dezember 2007

Für die Heimbewohner hat der zuständige BSG-Senat eine „Weihnachtsbeihilfe“ befürwortet, weil diese angeblich nicht im Barbetrag nach § 35 Abs. 2 SGB XII enthalten gewesen sei, da sich nominal der Barbetrag gegenüber der alten Sozialhilfe (BSHG) nicht geändert habe (€ 89, 70 entsprechend 26 % von € 345,- gegenüber € 89,10 entsprechend 30 % von € 297,- beim BSHG).

Allein, wollte man dieser Argumentation folgen, dann wäre jetzt im Barbetrag nach § 35 Abs. 2 SGB XII für Heimbewohner eine „Weihnachtsbeihilfe“ kompensiert i.H.v. € 41,40 (2005) bzw. € 43,08 (2009), was im Widerspruch dazu steht, daß für Heimbewohner nur die Hälfte der „Weihnachtsbeihilfe“ für einen Hilfeempfänger außerhalb von Einrichtungen vorgesehen war/ist, nämlich € 36,- (2005) bzw. 37,46 (2009). Aber die BSG-Entscheidung B 8/9b SO 22/06 R weist einen entscheidenden mathematischen Logikfehler auf: Denn, wenn, wie ansonsten behauptet, in der Regelleistung von € 345,- (2005) bzw. € 359,- (2009) bereits die „Weihnachtsbeihilfe“ im Ansparbetrag von € 48,- (2005) bzw. € 49,95 (2009) in Höhe von € 6,- (2005) bzw. € 6,24 (2009) enthalten sein soll, dann sind auch in einem Barbetrag von 26 % der RL logischerweise 26 % der in den Ansparbetrag eingeflossenen „Weihnachtsbeihilfe“ enthalten, mithin € 1,56 (2005) bzw. € 1,62 (2009).

Folglich bekamen/bekommen Heimbewohner auf Grund der BSG-Entscheidung im Verfahren B 8/9b SO 22/06 R eine „Weihnachtsbeihilfe“ in 2005 von monatlich/ jährlich € 5,01/€ 60,12 bzw. in 2009 von € 5,21/€ 62,52, was bezogen auf die Alg II-Eckregelleistung einem Anteil von 83,5 % (2005 wie 2009) entspricht und eben nicht der Hälfte.

 

Die Schlußfolgerung

Daß sich das Bundessozialgericht (BSG) im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) des Autors – Beschluß vom 11. Februar 2009, Az.: B 14 AS 61/08 B – geweigert hat, sich mit dieser mathematisch-logischen Problematik der Rechtsauffassung des 8. BSG-Senats auseinanderzusetzen und stattdessen lapidar auf die Entscheidung des 8. BSG-Senats zurückzog, stellt kein Gegenargument dar.

„Der für Streitigkeiten in Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständige 8. Senat hat in seiner Entscheidung vom 11. Dezember 2007 (B 8/9b SO 22106 R) im Einzelnen dargelegt, weshalb die zusätzliche Berücksichtigung eines entsprechenden Bedarfs anlässlich des Weihnachtsfestes 2005 für Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen nicht ausgeschlossen war, und sich dabei ausführlich damit auseinander gesetzt, welche Unterschiede zu Leistungsempfängern außerhalb stationärer Einrichtungen die Bewilligung einer Weihnachtsbeihilfe ausschließlich für den zuerst genannten Personenkreis rechtfertigen.“

Hat der 8. BSG-Senat nämlich nicht, sondern der hat, wie schon oben erwähnt, auf den gleich hohen Euro-Betrag abgehoben gehabt. Das hier vom Autor angesprochene Logik-Problem hat der 8. BSG-Senat in seiner Entscheidung gar nicht berücksichtigt.

Daß derselbe 14. BSG-Senat, der zwei Wochen vorher bezüglich der Kinder-Regelleistung zwei Vorlagebeschlüsse an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemacht hat, sich hier wieder auf die Rechtmäßigkeit der Erwachsenen-Regelleistung zurückzieht

„Für Leistungsbezieher nach dem SGB II hat das BSG ferner entschieden, dass die Regelungen der §§ 20 ff SGB II …“

verdeutlicht noch einmal die Bedeutung des Vorlagebeschlusses des 6. Senats des Hessischen Landessozialgerichts nicht nur hinsichtlich der Kinder-Regelleistung, sondern auch und gerade hinsichtlich der Erwachsenen-Regelleistung. Hier gebührt dem Kläger und seiner Familie und den Richtern des 6. Senats des Hess. LSG Dank für die umfangreiche an der Sache und den Betroffenen orientierte Vorlage. Allerdings wird der Autor dieser Zeilen die „Weihnachtsbeihilfe“ nicht mehr gesondert weiterverfolgen, sondern in seinen Klagen im Rahmen der Regelleistung.

Betrachtet im Umfeld dessen, daß das BVerfG die § 44b-Rechtsprechung des BSG gekippt hat und nun dabei ist, die Eckregelleistungsrechtsprechung des BSG zu kippen, und berücksichtigt, daß sich die Grundsatzentscheidung B 11b AS 1/06 R, die ansonsten nur noch in anderen Entscheidungen zitiert, aber nicht mehr überprüft worden ist, so daß nicht wirklich von einer ständigen Rechtsprechung gesprochen werden kann, nicht wirklich inhaltlich mit dem Zustandekommen der Regelleistung auseinandergesetzt hat, ist die Rechtsfrage „Weihnachtsbeihilfe“ als Teil der RL wieder offen.

 

 

 

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