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Herbert Masslau

Nichtigkeit von Umzugszwang

(30. Januar 2005)

 

 

Dieser Artikel kann nur ein Denkanstoß sein und beschränkt sich ausschließlich auf den Fall, daß eine gemäß § 65a SGB II zur Leistungsbewilligung vor dem 1. Januar 2005 ermächtigte Arbeitsagentur auch Regelungen als (Schein-)Verwaltungsakt erlassen hat, zu denen nur die zuständige optierende Kommune ab dem 1. Januar 2005 berechtigt gewesen wäre.

Von herausragendem Interesse ist dieses formal-juristische Problem in der Praxis für die Betroffenen hinsichtlich der bereits in 2004 erfolgten Aufforderung, sich wegen der „Unangemessenheit“ der Unterkunftskosten eine neue Wohnung zu suchen. Und zwar auch nur dann, wenn diese Nebenbestimmungen (Auflagen zur Wohnungssuche, Untervermietung, Bedingung der Kürzung auf das „Angemessene“ bei verstreichen einer genannten Frist) nachgeschoben, also nicht Bestandteil des Erstbescheides sind.

Der hier maßgebliche § 65a SGB II, der erst mit dem Kommunalen Optionsgesetz vom 30. Juli 2004 nachträglich ins SGB II aufgenommen wurde, bestimmt nämlich, daß in dem Falle, wo nicht die Arbeitsagentur oder die zwischen Arbeitsagentur und Kommune gebildete Arbeitsgemeinschaft (ARGE) zuständig ist, also im Falle jener bundesweit 69 nach § 6a SGB II zugelassenen Optionskommunen, für vor dem 1. Januar 2005 gestellte Anträge auf Arbeitslosengeld II bei Sozialhilfebezug (BSHG) die Kommune und bei Arbeitslosenhilfebezug die Arbeitsagentur zuständig ist. Diese Zuständigkeit der Arbeitsagentur erstreckt sich aber nur auf die erstmalige Erteilung eines Leistungsbescheides und auf die Auszahlung der damit verbundenen Gelder.

Alles andere, mit Ausnahme von Überleitungsregelungen, die den Übergang bereits in 2004 erfolgter Eingliederungsmaßnahmen, Sperrfristen über den Stichtag 1. Januar 2005 hinaus betreffen, ist Regelungsangelegenheit der ab dem 1. Januar 2005 zuständigen Optionskommune.

Der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit ist an keine Frist und auch an kein Vorverfahren gebunden (§ 89 SGG), kann also auch dann noch gestellt werden, wenn die Widerspruchsfrist von einem Monat (ab 1. Januar 2005) bereits verstrichen ist.

Das von mir geführte Verfahren hat mittlerweile das Aktenzeichen: S 43 AS 4/05 (SG Hildesheim):

 

 

 

Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes

(§ 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG)

 

 

Antragsteller:       Herbert Masslau, Unterfeldring 20, 37083 Göttingen

Antragsgegnerin: Bundesagentur für Arbeit vertr.d.d. Agentur für Arbeit Göttingen, Bahnhofsallee 5, 37081 Göttingen

 

Hiermit beantrage ich die Feststellung der Nichtigkeit der als „Hinweis auf unangemessene Unterkunftskosten (KdU) und Belehrung über die angemessenen Beträge“ titulierten Verfügung vom (ohne Datum; Datum des Poststempels 14.12.2004) der Agentur für Arbeit Göttingen (Az.: 23102BG0005172).

Die Verfügung ist als Anlage beigefügt.

 

G r ü n d e:

I

Bei dem als „Hinweis“ und „Belehrung“ titulierten Schreiben der gegnerischen Behörde handelt es sich dennoch um einen Verwaltungsakt, da der letzte Absatz eine behördliche Verfügung enthält: „Nachweis über die Bemühungen zur Senkung der Unterkunftskosten für die Zeit vom 01.01.05 bis 31.03.05“, vorzulegen bis zum 31. März 2005.

Aufgrund dieser Verfügung handelt es sich um einen gestaltenden wie belastenden Verwaltungsakt (VA), auch wenn die für den 1. April 2005 angekündigte Kürzung der Leistung für Unterkunft lediglich einen Hinweis darstellt und erst dessen tatsächlicher Vollzug einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellen würde.

Auch die Tatsache, daß der hier maßgebliche VA nicht wie zu erwarten als Nebenbestimmung des eigentlichen Leistungsbescheides gemäß SGB II vom 7.12.2004 (ebenfalls AfA Göttingen, selbes Az.) erlassen worden ist, ist hier [Korrektur:] nicht unerheblich.

Damit ist der hier maßgebliche VA eigenständig angreifbar.

 

II

Der hier maßgebliche Verwaltungsakt ist nichtig gemäß § 40 Abs. 1 SGB X, weil er an einem offensichtlich schwerwiegenden Fehler leidet.

Der schwerwiegende Fehler besteht darin, daß die den Verwaltungsakt erlassende Agentur für Arbeit hierzu nicht befugt gewesen ist.

Gemäß § 6a SGB II (Experimentierklausel) treten an die Stelle der für die Leistungen nach dem SGB II zuständigen Arbeitsagenturen oder Arbeitsgemeinschaften die sogenannten Optionskommunen (BGBl. I, 2004, Nr. 41, S. 2015).

Zu diesen Optionskommunen zählt auch der Landkreis Göttingen und im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises die Stadt Göttingen.

Für Personen, die wie ich bereits vor dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II beantragt haben, gilt die Sonderregelung des § 65a SGB II (BGBl. I, 2004, Nr. 41, S. 2020).

Diese Sonderregelung nach § 65a Abs. 1 SGB II bestimmt zwar, daß im Falle von vor dem 1. Januar 2005 gestellten Anträgen auf Leistungen nach dem SGB II im Falle einer optierenden Kommune bei Sozialhilfebezug (BSHG) im letzten Quartal 2004 die Kommune und im (hier maßgeblichen) Falle eines vorhergehenden Bezuges von Arbeitslosenhilfe die entsprechende Agentur für Arbeit zuständig ist hinsichtlich der erstmaligen Erteilung eines Leistungsbescheides und hinsichtlich der erstmaligen Auszahlung der bewilligten Gelder, nicht jedoch bezüglich weitergehender Regelungen leistungsrechtlicher oder sanktionsrechtlicher Art, ausgenommen jener der §§ 65b (Fortwirken von Eingliederungsleistungen), 65c (Übergang bei Erwerbsminderung) und 65e (Fortwirken von Sperrzeiten) SGB II, die hier aber ohne Belang sind.

Insofern hat also die Agentur für Arbeit Göttingen mit dem hier maßgeblichen VA eine Regelung (hier: Verfügung) getroffen, die sie nicht hätte treffen könne und daher auch nicht hätte treffen dürfen.

Die im hier maßgeblichen VA getroffene Verfügung hätte vielmehr nach dem 1. Januar 2005 ausschließlich die optierende Kommune (hier: die Stadt Göttingen namens des Landkreises Göttingen) treffen dürfen.

Damit handelt es sich um einen offensichtlich schwerwiegenden Fehler im Sinne des § 40 Abs. 1 SGB X an dem der hier maßgebliche VA leidet, womit selbiger als nichtig festzustellen ist.

                                                                                     Herbert Masslau

 

 

 

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Copyright by Herbert Masslau 2005. Frei zum nicht-kommerziellen Gebrauch.

 

Dieser Artikel wurde ohne mein Zutun veröffentlicht auf:

http://www.montagsdemo-osterburg.de/forum/showthread.php?p=5864#post5864 (am 12. April 2005)

 

 

 

 

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